13. Leobener Logistiksommer – Digitalisierung: Reale und virtuelle Welten verschmelzen

Dass Industrie 4.0 und Smart Services bereits in den führenden österreichischen Unternehmen Einzug gehalten hat, wurde beim 13. Internationalen Leobener Logistiksommer dem zahlreichen Publikum deutlich vor Augen geführt. Am 17. und 18. September  stellten im Audimax der Montanuniversität Leoben Referenten unter dem Motto „Die neue Intelligenz vernetzter Systeme“ Anwendungsbeispiele aus der industriellen Praxis und der Intralogistik vor und gaben interessante Einblicke in aktuelle Forschungs- und Entwicklungs-projekte.  

Ein Highlight der Fachtagung war die Keynote von Univ.-Prof. MMag. Dr. Gottfried Haber von der Donauuniversität Krems. Er sieht Industrie 4.0 weniger als Revolution als einen  langsamen Wandel, der zu globalen, grundlegenden Strukturverschiebungen und verstärktem Wettbewerb führt und unsere  Arbeits- und Lebenswelten verändern wird.

Wirtschaftspolitische Effekte seien eine effizientere Produktion verbunden mit Kostenvor-teilen und der Herausforderung der Sicherung und Verteilung des Wohlstandes. Wenn Technologie menschliche Arbeitskraft ersetzt, sind zudem das Bildungswesen und die Arbeitsmarktpolitik gefordert. Unter dem Stichwort „Transmission“ ging Haber auf den intensiven Anstieg von Vernetzung ein und die damit einhergehende schnellere Verbreitung sowohl von positiven als auch negativen Effekten. Darüber hinaus stellt Industrie 4.0 hohe Anforderungen an die Mobilität und hat relevante Auswirkung auf die Logistik. Trotz der Risiken würden die Chancen überwiegen und große Wachstumspotenziale für Wirtschaft und Dienstleistungsbereiche mit sich bringen.

Digitale Revolution und Smart Services

Neueste technologische Errungenschaften und Trends in unterschiedlichen Servicebe-reichen stellten Dr. Peter Perstel, MBA,  ACstyria, Peter Stelzer und Kajetan Bergles von der Knapp AG, und DI Jens Poggenburg, AVL List bzw. Styrian Service Cluster vor. So würden große Technologieunternehmen und die Elektronikindustrie die Mobilitätsbranche treiben, Produktionszyklen und Fertigung pushen und eine Vielzahl an Services und Innovationen in die Fahrzeuge bringen – und damit Serviceleistungen auf einen neuen Level heben.

„Um Serviceleistungen zu verbessern, wurde der Styrian Service Cluster ins Leben gerufen“, so Peter Stelzer und Kajetan Bergles von der Knapp AG. Vorrangiges Ziel sei der Austausch mit anderen Branchen, um Synergien erkennen und nutzen zu können. Aus dem Cluster ist das Forschungsprojekt Assist 4.0 hervorgegangen. Es geht darum Informationen zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, in der richtigen Qualität zu vermitteln. Assistenzsysteme unterstützen immer intelligentere Produktionen an der Schnittstelle zwischen Mensch, Maschine und Datenkommunikation. Reale und virtuelle Informationen verschmelzen und ebnen so den Weg für den siebten Sinn im Service. So könne mit Expertenunterstützung aus der Zentrale dem Mitarbeiter vor Ort via Mobile Devices, Software, Bild- und Tonkommunikation relevante Informationen zur effizienten Abwicklung von Servicearbeiten zur Verfügung gestellt werden.

Zu den relevanten Trends in der Entwicklung von Smart Services zählen laut Jens Poggenburg die Schaffung vollständiger, konsistenter Daten in Wertschöpfungsketten, die Nutzung digitaler Technologien wie beispielsweise Augmented Reality sowie die Verknüpfung von Asset-Daten mit Service Workflows. Durch den Aufbau von internen und Kunden Communities können über die Daten aus dem Netzwerk zusätzliche Nutzen generiert werden. 3D-Druck verschlankt Wertschöpfungsketten – „ich produziere in Zukunft dort, wo ich es brauche.“ Prozesstransparenz, Dezentralisierung von Leistung, die  Vorhersehbarkeit, Planbarkeit von Service-Ereignissen sind die Real Time Anforderungen für Smart Services.

Über den Bau, die Anforderungen und das Go Live eines neuen Ersatzteillagers bei Engel Austria in Schwertberg berichtete Ing. Gerald Lassau, Knapp IT Solution. Die Flexibilisierung der innerbetrieblichen Logistik wird durch den Einsatz von SAP-EWM und moderner Shuttle-Technologie erreicht.

1.500 Anlagen, 1.500 Produkte in gleichzeitiger Bearbeitung, 700 Einzelarbeitsschritte – die Herausforderung in der Fertigung liegt bei Infineon im managen der lokalen Komplexität. „Teile einer Smart Factory sind bereits in unseren State-of-the-Art-Fabriken umgesetzt“, erklärte Hans Truppe, Projekt Portfolio Manager Industrie 4.0 bei Infineon Österreich. Produkte seien eindeutig identifiziert und können zu jeder Zeit lokalisiert werden. Eine erhöhte Anlagenauslastung und eine Verbesserung der Durchlaufzeiten wird durch Dispatching erreicht. Industrie 4.0 berücksichtigt bei Infineon alle Unternehmensbereiche und ist auf den Kundennutzen ausgerichtet.

Über „Cyber-Physical Systems: A Phenomenological Approach to Data Analytics in Large Dynamic Systems“ referierte Prof. Paul O´Leary, Montanuniversität Leoben. Im Mittelpunkt des Vortrages standen das hohe Analysepotenzial aus Big Data für die Produktion- und Rohstoffindustrie im Mittelpunkt. Der philosophische Ansatz von O`Leary zeigt,  dass aber unter anderem auch neue Denkmuster, theoretische und sprachwissenschaftliche Erkenntnisse Voraussetzung sind, um neue Technologien optimal nutzen zu können.

Prof. (FH) Dr. mont. Corinna Engelhardt-Novitzki, FH Technikum Wien, stellte die aktuell in Betrieb genommene „Digitale Lernfabrik“ vor. Der Lern- und Forschungsraum ermöglicht, den Transformationsprozess hin zur digitalen Produktion zu untersuchen und zu erleben. Dabei steht verschiedenstes Equipment (Fertigungsroboter, Komponenten und Software) zur Verfügung.

„Industrie 4.0 und Digitalisierung führt dazu, dass Wertschöpfung im Unternehmen entsteht“, so Dipl.-Ing. Doris Weitlaner, Dipl.-Ing. Dr. techn. Stefan Grünwald, FH Campus 02. Durch die Verknüpfung zweier Konzepte, ProcessPageRank und dem Prinzip Wertschöpfungs-maschine, könne eine Entscheidungsunterstützung zur Priorisierung von Prozessen im Netzwerk erreicht werden.

„Daten und Informationen sind Rohstoffe der Zukunft“, meinte DI Andreas Madlencnik, Siemens Industry Software GmbH. So liegt die Innovation im Maschinenbau in der Software. Digitale Fertigung und Fertigungsplanung, Simulationslösungen für Produktion und Materialfluss bis hin zu virtuellen Inbetriebnahmen sind die Kernthemen des Vortrags. So können mit Hilfe der softwaregestützten Simulation digitale Abbilder – digitale Zwillinge – eines physikalischen Produktes oder einer kompletten Logistikanlage realisiert, der gesamte Produktentwicklungs- und Produktionsprozess unterstützt und sämtliche Daten und Informationen über das Produkt, die Prozesse und die Fertigung zur Verfügung gestellt werden.

Standing Ovations

Ein besonderes Highlight bot sich den Tagungsteilnehmern, Kooperationspartnern, Besuchern und Referenten im Rahmen der Abendveranstaltung. Gerald Hofer, Vorstandsvorsitzender der Knapp AG, gratulierte Univ.-Prof. Dr. Albert Oberhofer zum 90. Geburtstag. In seiner Laudatio würdigte Hofer die verdienstvollen Leistungen Oberhofers als Rektor der Montanuniversität und seine prägende Präsidentschaft im Logistik Club Leoben. Ein begeistertes Publikum feierte den Grandseigneur der Wissenschaft und Logistik mit Standing Ovations.

INTERNATIONALER LEOBENER LOGISTIK SOMMER  2015
http://logistik-sommer.at/

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