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Binnennachfrage und E-Commerce dämpfen Niedergang

Der chinesische Online-Einzelhandel hat weltweit die Führung übernommen. Mittlerweile trägt er sieben Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Logistikkosten Chinas sind nach wie vor anteilsmäßig mit 18 Prozent des BIP sehr hoch. Bis 2020 will das Land der Mitte sein Logistiksystem laut Plan effizienter gestalten und seine Logistikkosten auf 16 Prozent des BIP senken.

Autor: Dirk Ruppik

Durch die Politik der „neuen Normalität“ wächst die chinesische Wirtschaft weit langsamer als in den letzten 25 Jahren. Trotzdem legt sie noch mit fast sieben Prozent Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu. Die Wirtschaft soll nachhaltiger und die Qualität der Produkte gesteigert werden. Die Eröffnung von weiteren Freihandelszonen und Innovationen soll das wirtschaftliche Wachstum fördern. Die Investitionen aus der EU und Deutschland sind 2015 deutlich gestiegen.

Beim International Logistics Performance Index (LPI, 2014) der Weltbank liegt China auf Platz 28 vor der Türkei (30) und Polen (31). Dies ist innerhalb der sich entwickelnden Wirtschaften im Asien-Pazifik-Raum das beste Ranking nach Malaysia (25). Gemäß des Global Competitiveness Report 2014-2015 des World Economic Forums erreicht die Gesamtqualität der chinesischen Infrastruktur den Platz 64 von 144 Ländern weltweit – die Hafeninfrastruktur sogar 53. Insgesamt wächst Chinas Logistikbranche aufgrund der „neuen Normalität“ langsamer. Der Bruttoumsatz der Logistikindustrie stieg laut Germany Trade and Invest (Gtai) im 1. Halbjahr 2015 um 5,4 Prozent auf 3,6 Billionen chinesische Yuan (rund 500 Milliarden Euro). 2014 wurden noch 6,9 Prozent Wachstum erreicht. Ein vorher prognostiziertes langfristiges zweistelliges Wachstum scheint damit erst einmal in weite Ferne gerückt.

Chinesischer Online-Handel übernimmt weltweit Führung
Der chinesische Online-Einzelhandel hat weltweit die Führung übernommen und die Zahl der Internetkäufer überschritt laut China Internet Network Information Center die 360 Millionen-Marke, berichtete die China Daily Ende Oktober 2015. Mittlerweile trägt der Online-Handel sieben Prozent zum Bruttoinlandsprodukt im Land der Mitte bei. Wertmäßig hat sich der Einzelhandel mehr als verdoppelt und belief sich in 2014 auf 2,79 Billionen Yuan (396 Milliarden Euro). Damit überholte er den amerikanischen Markt. Die Elektronikbranche (u. a. Smartphones) wurde von 2011-2014 ebenso vom Online-Handel angetrieben. Mittlerweile haben mobile Netzwerke Computer als Internetzugangspunkt abgelöst. Ende 2014 zählte das Land 594 Millionen Netizens (Wortschöpfung aus Internet Citizens). Ein Anstieg von 90 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2016 wird ein weiterer Zuwachs um 56 Prozent erwartet. Die Bestellungen erreichen den Kunden fast überall in ein bis drei Tagen und er kann sie per Gesetz innerhalb von sieben Tagen zurücksenden.

Die Plattform Taobao von Alibaba beherrscht den C2C-Markt (Consumer-to-Consumer), der mittlerweile 54 Prozent des gesamten E-Commerce-Marktes ausmacht. Alibaba dominiert laut Gtai mit TMall ebenso das B2C-Geschäft Business-to-Consumer. Weitere Handelsplattformen in diesem Bereich sind Jd.com und Suning.com. Die meisten Firmen im Land der Mitte besitzen meist keine eigene E-Commerce-Webseite, sondern bieten ihre Waren ganz einfach über einen Online-Shop auf TMall oder JD.com an. Auch beim B2B liegt Alibaba mit 39 Prozent Marktanteil bei den Handelsplattformen vorn. Shanghai Ganglian folgt mit 18,5 Prozent und Huanqiu Ziyuan mit 4,8 Prozent. Wertmäßig beläuft sich dieser Handel auf 1,225 Milliarden Euro. Rund 12.500 Firmen boten 2014 gemäß Gtai B2B-Dienste für 3,7 Milliarden Euro an.

Ziel effizientere Logistik
Der boomende Online-Markt und die Verlagerung der Fertigung nach Westchina aufgrund niedriger Arbeitskosten erzwingen geradezu den weiteren Ausbau der Infrastruktur und der Logistikdienstleistungen im Lande, während gleichzeitig der Außenhandel schwächelt. Trotz der bereits gut ausgebauten Infrastruktur gilt der chinesische Logistikmarkt immer noch als sehr ineffizient. Die Logistikkosten Chinas sind nach wie vor anteilsmäßig mit 18 Prozent des BIP sehr hoch. In den USA liegen sie bei 8,3 Prozent, in Deutschland bei 7,5 Prozent und in Indien und Südafrika bei 13 Prozent. Bis 2020 will das Land der Mitte sein Logistiksystem effizienter gestalten und seine Logistikkosten auf 16 Prozent des BIP senken. Dies ist Teil des vom Staatsrat im Jahr 2014 veröffentlichten Logistikindustrie-Entwicklungsplans, in dem die Kooperation zwischen verschiedenen Regionen und Transportmodi, die Reduzierung von Mautgebühren, die vertikale Integration des Transport- und des Lagerhaussektors, bessere Synergien zwischen den Häfen, Flughäfen, Eisenbahnlinien und Schnellstraßen vorgesehen sind. Durch den Plan werden ebenfalls Zukäufe und Fusionen und Investitionen in Kühlketten und 3PL-Services angeregt. Die Ineffizienz der Logistik liegt in erster Linie in der Zersplitterung des Marktes. Die China Federation of Logistics & Purchasing schätzt, dass über 700.000 Fuhrunternehmen und Spediteure existieren.

E-Commerce und Industrieverlagerung treibt Expressmarkt an
Der chinesische Expressmarkt wird künftig laut der Studie „China’s Express Sector Development Report 2014” des Development & Research Center of The State Post Bureau und des amerikanischen Consulters Deloitte rasant durch makroökonomische Faktoren, die Entwicklung der zentralen und der Westprovinzen und die Verlagerung der Fertigung sowie ein anhaltendes Wachstum des E-Commerce expandieren. Die jährliche Wachstumsrate liegt bei 39,4 Prozent. 2015 lag der Wert der gesamten Industrie bei etwa 280 Milliarden chinesischen Yuan (39 Milliarden Euro).

Seit der Abänderung und Implementierung des Gesetzes über Postdienstleistungen der Volksrepublik China 2009 wurde ein einheitlicher und offener Expressdienstmarkt mit einem geordnetem Wettbewerb etabliert. Die Unterstützung der Zentralregierung bei der Vereinheitlichung von Vorschriften in diversen Ministerien sowie der Förderung von E-Commerce, der Planung von Logistikparks, verbesserter Distribution und der Expressdienste in Städten wird Expressunternehmen bei der Beseitigung von Engstellen, betrieblicher Belastungen und der Entwicklung ihrer Dienste helfen. Zukäufe und Fusionen werden wichtige Antriebsfaktoren im stark fragmentierten inländischen Expressmarkt sein, in dem momentan laut der Studie rund 8.000 Expressunternehmen operieren. KMU werden ohne Neuinvestitionen für eine schnelle Expansion unter der Last der wachsenden Kosten und sinkenden Profite zusammenbrechen. Daher werden besonders diese Unternehmen akquiriert werden. Vorgelagerte Hersteller werden in die Expressindustrie eintreten und damit die Integration beschleunigen. Zudem nimmt durch die steigende Popularität des Internets und des E-Commerce die Nachfrage nach Expressdiensten von und aus den ländlichen Gebieten und Westprovinzen zu. Gleichzeitig wurde die Gesetzgebung so verändert, dass die Infrastrukturentwicklung der „letzten Meile“ in den ruralen Gebieten beschleunigt werden kann.

Die Giganten des E-Commerce wie Alibaba, Jingdong und Suning haben bereits die Industrie mit ihren eigenen Express-Unternehmen oder Beteiligungen in Expressunternehmen betreten. Daher wird seitens dieser Handelsplattformen zusätzlicher Konkurrenzdruck im Expressmarkt erwartet. Dadurch könnten kleinere Expressunternehmen laut der Studie in den Bereich der „letzten Meile“ verdrängt werden. Einige Unternehmen sind vorsorglich selbst in den E-Commerce-Bereich eingestiegen, damit sie ihre Volumina erhalten und ausweiten können. Künftig werden also beide Industrien – Express und E-Commerce – ihren Bereich im jeweils anderen Territorium ausweiten. Im internationalen Expressmarkt agieren DHL, FedEx, UPS und TNT mit ihren eigenen Flotten. Die Entwicklung des Luftexpressdienstes läuft üblicherweise durch drei Stadien: Anmieten von Frachtraum, Leasing von Flugzeugen und Aufbau einer eigenen Fluglinie. Die meisten privaten chinesischen Expressunternehmen sind noch auf der ersten Stufe, daher sind sie meist im Bereich zeitgenauer Lieferung nicht wettbewerbsfähig. Künftig werden diese Unternehmen über Stufe 2 zum Aufbau eigener Fluglinien übergehen, um in den Wettbewerb in den Spitzen- und internationalen Expressservices eintreten zu können. Weiterhin müssen diese Unternehmen ihr Dienstleistungsportfolio erweitern, um die Nachfrage unterschiedlicher Kundenbereiche befriedigen zu können und ihren internationalen Marktanteil zu maximieren. Laut der Studie wird auch in fünf bis zehn Jahren eine starke Nachfrage nach Expressdienstleistungen im chinesischen Inlands- und internationalen Markt bestehen.

Schwacher Außenhandel trifft Schiffstransport und Häfen
Durch die „neue Normalität“ im Land der Mitte sinken nun auch die Containervolumina in den chinesischen Häfen und damit in den Häfen der Handelspartner. Laut einer Analyse von Jefferies and Fitch Ratings wird die Verlangsamung der Fertigung direkt die Im- und Exportvolumina für Container in den Häfen bzw. bei den Reedereien senken und damit alle Firmen in den globalen Versorgungsketten in Mitleidenschaft ziehen. Die Agentur prognostiziert auch einen langfristigen Abfall im Umschlagsvolumen in den chinesischen Häfen, worauf sich Investoren bisher nicht vorbereitet haben.

Im September lagen die Volumina der acht größten Containerhäfen 0,4 Prozent unter dem Vorjahr bei 12,56 Millionen TEU. Im dritten Quartal 2015 sank das BIP-Wachstum laut IHS Analyst Brian Jackson auf 6,9 Prozent, die Zunahme der Industrieproduktion erreichte magere 5,7 Prozent. Der größte Terminalbetreiber im Land der Mitte, Cosco Pacific, leidet bereits unter dem geringeren Umschlagsvolumen und niedrigen Containerleasingraten, wodurch die Erträge im dritten Quartal 6,6 Prozent unter dem Vorjahr lagen. Gemäß Fitch wird der geschmälerte Chinahandel ebenso das Problem der Überkapazität in der Containerschifffahrt vergrößern. Der Hafen Hamburg spürt die Folgen des nachlassenden Chinahandels, aber auch der Russland-Krise bereits. Die Zahl der Container sank in den ersten neun Monaten um 9,2 Prozent auf 6,7 Millionen TEU. Der Rückgang im Containerhandel mit China lag dabei bei rund 15 Prozent. (DR)

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