Container – Reedereien stürzen in eine Dauerkrise

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Spätestens mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Öffnung Chinas für den Welthandel brach in den 1990er-Jahren respektive um die Jahrtausendwende herum ein wahrhaft goldenes Zeitalter für die See- und Handelsschifffahrt an.

Die Globalisierung sorgte für eine Explosion der Containertransporte und führte zu einem massiven Ausbau der weltweiten Handelsflotten. Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise, die im Jahr 2008 durch das Platzen der Subprime-Blase in den USA mitverursacht wurde, taumeln die großen Reedereien allerdings durch ein globales Krisenszenario – eine Besserung ist derzeit nicht in Sicht.

Hanjin-Pleite schockt die Branche
Es muss die Branche wie ein Schlag getroffen haben, als eine der weltweit größten Container-Reedereien Hanjin Shipping am 31. August 2016 vor dem zuständigen Bezirksgericht in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul den Insolvenzantrag stellte. Die unmittelbaren Folgen für das Unternehmen und dessen Flotte waren verheerend, verweigerten zahlreiche Häfen den teils voll beladenen Containerfrachtern der Hanjin Reederei doch sowohl die Zufahrt als auch das Anlegen an den Containerterminals, da man fürchtete, dass Liegegebühren und Treibstoffrechnungen nicht beglichen werden würden. Auch können Schiffe des europäischen Unternehmensablegers zeitweise nicht aus dem Hamburger Hafen auslaufen, denn der dazu notwendige Schlepper muss per Vorkasse bezahlt werden. Betroffen sind bis dato 89 Containerfrachter sowie 26 weitere Massengutfrachter.

Weltgrößte Werft baut Kapazitäten ab
Besonders dramatisch ist dabei, dass sich die Versorgungslage auf den Schiffen, die derzeit keinen Hafen anlaufen können, zusehends verschlechtert. Die Schieflage betrifft aber nicht nur die Hanjin Container-Reederei, sondern auch die weltweit größte Werft, die in den vergangenen Jahren immer wieder Schlagzeilen mit dem Stapellauf rekordverdächtiger Containerfrachter gemacht hat. Und so ist es kein Wunder, dass Südkoreas Vorzeigewerft, die Mitsubishi Heavy Industries Ltd. aufgrund der Auftragseinbrüche dazu gezwungen war, rund 10 Prozent der Mitarbeiter zu entlassen und Anlagevermögen mit einem Gegenwert von über einer Milliarde US-Dollar zu veräußern. Im Angesicht der Schuldenlast von derzeit über fünf Milliarden US-Dollar ist dies jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Spätfolgen der Finanzkrise
In Anbetracht dieser erschreckenden Entwicklung stellt sich verständlicherweise die Frage nach den Ursachen und etwaigen Lösungswegen, die den Weg zur Beendigung der Dauerkrise des Seehandels ebnen. Eine Ursache scheint zumindest klar, denn nach dem Boom des Containerhandels, der mit enormen Wachstumszahlen von 8-10% pro Jahr fortzulaufen schien, dachte kaum jemand in einer verantwortlichen Position daran, dass Turbulenzen auf den Finanzmärkten diesen Zustand gefährden konnten. Das Gegenteil war der Fall, denn das Straucheln großer Kreditinstitute brachte auch die Reedereien in Bedrängnis, da die zum Teil zu 100 Prozent mit Fremdmitteln finanzierten Schiffe bedingt durch den Rückgang des Welthandels nicht mehr die einkalkulierte Rendite generieren konnten.

Chinas Konjunktur schwächt den Markt
Auch wenn die Finanzkrise im Jahr 2016 in vielen Bereichen bereits überwunden scheint, so sind deren Nachwehen noch immer spürbar. So hat beispielsweise der Hamburger Hafen noch immer mit rückläufigen TEU-Umschlagszahlen zu kämpfen und hat auch knapp acht Jahre nach dem Beginn der Krise noch immer nicht wieder das Niveau des Vorkrisenjahres 2007 erreicht. Mitverantwortlich für den Rückgang des Containerumschlags sowohl in Hamburg als auch weltweit ist die anhaltende ökonomische Schwäche Chinas, das durch stark geminderte Rohstoffimporte auch Ländern wie Brasilien, Australien sowie die arabischen Staaten mit in den Sog zieht. Komplettiert wird der Cocktail der Abwärtsspirale durch die somit entfallenden Devisen, die es den betroffenen Staaten unmöglich machen, auf eigene Faust am Weltmarkt zu konsumieren und den stotternden Konjunkturmotor wieder zum Laufen zu bringen.

Kalkulation ging nach hinten los
Eine Mitschuld tragen jedoch auch die Eigenheiten der Branche selbst, denn im Gegensatz zu diversen Konsumgütern, deren Produktion binnen Tagen und Wochen reguliert werden kann, sind Schiffbauprojekte auf viele Jahre ausgelegt. Und so laufen aktuell jene Containerschiffe vom Stapel, die durch den Zweckoptimismus der Reederei-Manager vor Jahren in Auftrag gegeben wurden. Zweifellos beruhten die damaligen Planungen, immer größere Frachter zu bauen, nicht nur auf der Annahme der weiter boomenden Konjunktur, sondern auch auf der Entwicklung des Öl-Preises. Bei Preisen um die 100 US-Dollar pro Barrel schien der Bau von immer größeren Containerschiffen mit derzeit bis zu 19.000 TEU der einzige Ausweg, um die Transportstückkosten zu senken. Dem Absturz des Öl-Preises ist es aber zu verdanken, dass diese Rechnung im Nachhinein nicht aufgegangen ist.

Massiver Abbau von Transportkapazitäten notwendig
Zum einen lassen die aktuellen Öl-Preise von rund 50 Dollar pro Barrel, den Kostenvorteil massiv schrumpfen. Zum anderen ziehen die immer weiter wachsenden Ozeanriesen einen steigenden Tiefgang mit sich, sodass diese Schiffe nur noch wenige Häfen in vollbeladenem Zustand anlaufen können. Die somit durch Umwege, nicht ausgeschöpfte Transportkapazitäten oder einen ausgedehnten Feederverkehr entstehenden Kosten drücken somit weiterhin auf die Bilanzen der Reedereien. Aktuell hat es der Markt also mit einer massiven Überkapazität an Transportkapazität respektive an Containerschiffen zutun. Nach Schätzungen von Experten müssten rund 1.500 Containerschiffe von den Weltmeeren verschwinden, um ein der Nachfrage entsprechendes Gleichgewicht wiederherzustellen. Wie drastisch diese Maßnahme wäre, zeigt die Tatsache, dass eine Reduktion um 1.500 Schiffe einem Anteil von gut 29 Prozent aller derzeit in Dienst befindlichen Containerschiffe entspricht.

Immer mehr Container schippern leer über die Weltmeere
Das Problem der Überkapazitäten betrifft allerdings nicht nur die Containerfrachter, sondern in beinahe ebenso großem Maße die 20 Fuß und 40 Fuß ISO-Container (siehe dazu auch https://www.containerbasis.de/40-fuss-container/), die im Sog der explodierenden Nachfrage in unvorstellbaren Stückzahlen gefertigt wurden. Da die genormten Transportbehältnisse, die den Seehandel seit ihrer Erfindung durch den Fuhrunternehmer Malcolm P. McLean revolutioniert haben, unter optimalen Umständen eine Haltbarkeit von mehreren Jahrzehnten haben, bestehen auch dort massive Überkapazitäten, die sich unter anderem anhand der Anzahl der Container manifestiert, die nach dem Löschen unbeladen die Rückreise antreten. Statistisch werden von drei beladenen Containern ganze 1,7 leer zurück über den Ozean transportiert. Damit sinkt aufgrund der niedrigen Nachfrage nicht nur die Frachtgebühr pro TEU, sondern auch der Marktwert jedes einzelnen salzwasserbeständigen und korrosionsgeschützten Stahlcontainers.

Schmerzhafte Entscheidungen stehen bevor
Die großen Reedereien wie die Hapag-Lloyd, die dänische Mærsk oder die Schweizer MSC stehen dementsprechend an einem Scheideweg, der schmerzhafte Entscheidungen verlangt, denn die Überkapazitäten werden sich nicht ohne Weiteres in Luft auflösen. Neben Allianzen von großen Reedereien zum Zweck der Kostenoptimierung, wie jüngst im Fall von Hapag-Lloyd und UASC geschehen, steht dabei vor allem die Stilllegung zahlreicher Containerfrachter auf dem Programm. Diese landen dann mit einem erheblichen kalkulatorischen Verlust auf den Schiffsfriedhöfen Afrikas und Südostasiens, um dort verschrottet zu werden. Darüber hinaus wird auch die Anzahl der neu in Auftrag gegebenen Frachter abnehmen, wenngleich aktuell noch einige Megafrachter nur Monate von ihrer Fertigstellung entfernt sind und das Kopfzerbrechen durch ihre riesige TEU-Kapazität garantiert nicht beenden werden.

Deutsche Reedereien sind vorsichtig optimistisch
Nichtsdestotrotz erscheint bei allem Pessimismus ein Silberstreif am Horizont. Diesen Schluss legt zumindest eine PwC-Studie nahe, im Rahmen derer 101 schwerpunktmäßige Container-Reedereien mit Sitz in Deutschland zur aktuellen wirtschaftlichen Lage befragt wurden. So sind es vor allem umsatzstärkere Reedereien mit mindestens 100 Millionen Euro Nettoumsatz, die sich auf einem gesunden Wachstumskurs befinden, wobei die meisten kleineren Redereien von einer Stagnation ausgehen. Mit einem weiteren Schrumpfen binnen der nächsten zwölf Monate rechnet indes niemand. Auch die durchschnittliche Eigenkapitalquote der Reedereien zeigt einen vorsichtig positiven Trend, zumal sie von 41,3 Prozent im Vorjahr auf 42,4 Prozent kletterte. Damit liegt diese abermals über der durchschnittlichen Eigenkapitalquote, die PwC im Rahmen der erstmaligen Befragung im Jahr 2009 ermitteln konnte.

Quelle:  / Die Presse

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