Dematic & Rüggeberg: Retrofit-Projekt Tablarlager

Beim Re-Engineering von laufenden Logistikanlagen kommt es darauf an, die Stillstandzeiten für den Betreiber so gering wie möglich zu halten, um die Lieferfähigkeit nicht zu gefährden. Dank präziser Planung und einem intelligenten Umbau- und Inbetriebnahmekonzept ist es Dematic gelungen, das bestehende Tablarlager bei der August Rüggeberg GmbH & Co. KG bei minimaler Nutzungseinschränkung mit neuen Regalbediengeräten auszustatten.

screenshot-2016-11-21-12-53-33Präzision und Qualität sind die Basis für das Geschäft der August Rüggeberg GmbH & Co. KG. Denn das Markenzeichen PFERD des Traditionsunternehmens steht seit mehr als 100 Jahren für Werkzeuge zum Trennen, Schleifen, Polieren, Feilen, Fräsen oder Bürsten von höchster Güte und Formgenauigkeit. Zentraler Standort für die Verwaltung, Logistik, Fertigung, Forschung und Entwicklung ist Marienheide in Nordrhein-Westfalen. Daneben gibt es Werke in Hermeskeil bei Trier, in den USA, in Spanien und Südafrika.

Die gleichen hohen Ansprüche, die Rüggeberg an seine Produkte stellt, gelten auch für die Logistik. Deshalb legt der Premiumhersteller größten Wert auf eine hohe Verfügbarkeit und garantiert seinen Kunden einen 24h-Versand für alle Produkte. Europaweit wird bis 14 Uhr bestellte Ware noch am gleichen Tag vom zentralen Logistikzentrum in Marienheide weltweit verschickt. Jedes Produkt, das im Werkzeughandbuch angeboten wird, ist im Lager mit einer Verfügbarkeit von 98 – 99 Prozent vorrätig.

Großgebinde wie Trenn- und Schleifscheiben, lagern in einem manuellen Hochregal-Bereich mit rund 15.000 Palettenplätzen. Feilen, Fräs- und Schleifstifte, Feinschleif-, Polier- und Diamantwerkzeuge sowie Bürsten lagern einzeln entnehmbar im automatischen Tablarlager mit einer Kapazität für rund 50.000 Behälter. Täglich verlassen insgesamt rund 40 t Ware mit rund 4.000 kommissionierten Positionen das Logistikzentrum – ungefähr 35 t davon stammen aus dem Palettenlager. Aus dem Kleinteilelager wird zwar mit durchschnittlich 5 t am Tag das geringere Gewicht entnommen, allerdings kommen mehr als 75 Prozent der Picks und damit gut 3.000 Positionen aus diesem Bereich. Dazu sind an der Stirnseite des AKL drei Arbeitsplätze eingerichtet, von denen ein Mitarbeiter immer abwechselnd zwei Gassen bedient und die angeforderten Artikel für einen Auftrag kommissioniert und auch den Wareneingang durchführt. Der zunächst bei der Inbetriebnahme des zentralen Logistikzentrums 1991 mit vier Gassen dimensionierte Lagerbereich wurde 2004 um zwei auf insgesamt sechs Gassen erweitert.

Austausch und Umstellung bei laufendem Betrieb
Um die Leistung und so den Durchsatz des Gesamtsystems nochmals steigern zu können, plante Rüggeberg ein umfassendes Retrofit des Tablarlagers. Das sollte neben dem Austausch der vier älteren Regalbediengeräte inklusive der angrenzenden Tablarfördertechnik und der Behälterfördertechnik auch die Umstellung der Materialflusssteuerung auf SAP beinhalten. Dabei sollten die Stillstandzeiten des Lagers so gering wie möglich gehalten werden, um die Lieferfähigkeit im laufenden Betrieb nicht zu gefährden. Eine weitere Herausforderung waren die sehr engen Platzverhältnisse für den Aus- und Einbau der Geräte sowie die geforderte Leistung von 100 Doppelspielen/h pro Gasse.

Nach eingehender Prüfung aller Angebote, hat der Entwurf von Dematic Rüggeberg besonders überzeugt. Alle anderen Angebote hätten eine längere Stilllegung der zu modernisierenden Gassen bis hin zum zeitweisen Ausfall des kompletten Tablarlagers erfordert. Das Besondere am Dematic- Konzept ist, dass alles im laufenden Betrieb passiert. Der Kunde nutzt die Anlage bis auf eine halbe Gasse, die Dematic zu Vorinbetriebnahme der RBG benötigen, komplett weiter. Für die Demontage des Altgeräts sowie der Montage, Elektroinstallation und anschließenden Inbetriebnahme der neuen Regalbediengeräte veranschlagte Dematic zudem pro Gasse nur drei Arbeitstage zuzüglich Wochenende. In den restlichen Gassen konnte der Betrieb normal weiter laufen. Zudem kannten sich beide Unternehmen bereits, da Dematic vor zehn Jahren an der Implementierung der umfangreichen SAP-LES Einführung beteiligt war und den Materialflussrechner inklusive Schnittstelle zum SAP-System von Rüggeberg installiert hatte.

Lager-Re-Engineering in drei Schritten
Der Austausch des Materialflussrechners gegen die Dematic Subsuite inklusive der Installation des Dematic Subdriver zur direkten Steuerung der Logistikanlagen mit dem bereits bei Rüggeberg implementierten SAP-Logistikmodul WM war damit auch das erste Teilprojekt des Lager-Re-Engineerings. Der Dematic Subdriver, der als Controller im Schaltschrank des Automatiklagers eingebaut wurde, übersetzt die SAP XMII- und RFC-Kommunikation in die für speicherprogrammierbare Steuerungen verständliche TCP/IP Socket Kommunikation. Damit ist die Funktionalität des Materialflussrechners nun komplett in SAP abgebildet. Der Vorteil der Lösung besteht darin, dass die Middleware komplett entfällt und ein technologischer Bruch, der durch den Einsatz unterschiedlicher Softwaresysteme entsteht, vermieden wird.

Im nächsten Schritt richtete Dematic die Testgasse für die neuen RBG vom Typ RapidStore ML 14 mit Energierückspeisung und Lastaufnahmemittel für die bis 135 kg schweren Tablare ein. Dafür musste eine Produktivgasse zur Einrichtung der Testgasse teilweise eingekürzt werden. Nachdem die Testgasse fertiggestellt war, wurde das erste Neugerät in Betrieb genommen und getestet Anschließend begann Dematic mit dem Umbau in der Gassenreihenfolge 4, 3, 2, 1 (Testgasse). Für die Einbringung der neuen RBG kam eine eigens von Dematic entwickelte Umsetzbrücke zum Einsatz. Auf diese Weise hat Dematic nacheinander alle neuen RBG nach Inbetriebnahme in der Testgasse in die jeweilige Umbaugasse eingebracht. So war nur die Umbaugasse von Donnerstag bis Montag gesperrt. Am Dienstagmorgen lief die Gasse, pünktlich zum Schichtbeginn um sechs Uhr, wieder in der Produktion im Vollbetrieb. Die Einschränkungen in Bezug auf die Testgasse und die Umbautage waren für Rüggeberg gut planbar und dementsprechend konnten wichtige Artikel vorher in andere Gassen umlagert werden, so dass die Lieferfähigkeit nicht gefährdet wurde.

Und in puncto Leistungs- und Durchsatzsteigerung war das Projekt ebenso erfolgreich. Die Spielzeiten der installierten RapidStore ML14 erreichen nicht nur die im Angebot berechneten 91 sondern nach kürzester Zeit sogar die gewünschten 100 Doppelspiele pro Stunde. Mit den abgelösten Altgeräten waren nur 60 Doppelspiele pro Stunde möglich. Die Leistungssteigerung der Gesamtanlage nach dem Retrofit beträgt rund 35 Prozent.

Im dritten und letzten Projektabschnitt installierte Dematic die neue Behälter- und Paketfördertechnik, die das Tablarlager mit der Kommissionierung und den Packstationen sowie schließlich dem Versand verbindet. Dabei wurde die Streckenführung über einen Spiralförderer optimiert. Insgesamt hat Dematic damit das komplette Retrofit-Projekt genau nach Plan und in Bestzeit abgeschlossen.

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