| |

„Der Handel muss heute selbst ,Marke’ machen“

Was der Mensch zum täglichen Leben braucht, findet und ordert er zunehmend im Internet. In der realen Welt will er dagegen inspiriert, verführt und unterhalten werden. Diplom-Psychologe Jens Lönneker, Gründer und Geschäftsführer des Marktforschungs-Instituts Rheingold Salon in Köln, über die veränderte Rolle des Einzelhandels.

Autor: Bijan Peymani

Logistik Express: Herr Lönneker, das Einkaufen gewinnt zunehmend eine neue Dimension, weg von der reinen Bedarfsdeckung. Wodurch ist dieses „Shoppen“ charakterisiert?

Jens Lönneker: Preis und Nähe alleine reichen heute nicht mehr aus, um im Handel überleben zu können, wie der Fall Schlecker in Deutschland gezeigt hat. Vielmehr ist es für die Händler immer wichtiger, eine eigene „Shopping-Philosophie“ zu entwickeln. Der Kunde hat dann etwa die Wahl, ob er Drogerieartikel in anthroposophisch geprägter Atmosphäre erwirbt oder ob er beim Erhalt der Ware vor Glück schreien möchte.

Logistik Express: Wenn Preisnähe und Convenience zur Differenzierung nicht mehr ausreichen, wie schafft der Einzelhandel ein eigenständiges Profil?

Jens Lönneker: Für ein eigenes Profil ist es wichtig, sich sehr intensiv mit den eigenen Wurzeln zu beschäftigen sowie damit, was man erreichen möchte. Es ist ein bisschen wie ein Selbstfindungsprozess. Wird er gut betrieben, entwickelt sich das eigenständige Profil zwangsläufig.

Logistik Express: Was bedeutet das für den stationären Einzelhandel, wie kann er sich konkret auf diesen „Sozialcharakter“ des Einkaufens und die Zielgruppen einstellen?

Jens Lönneker: Viele Händler sind bereits in dieser Richtung unterwegs, wollen jeden Tag ein bisschen besser werden oder aber mit ihrer Liebe zu Lebensmitteln punkten. Dennoch kommt dies vor Ort im Markt nicht immer auch so rüber. Und es gibt immer noch Händler, die sich darüber noch nicht wirklich Gedanken machen.

Logistik Express: Wer übernimmt an Stelle des Handels die profane Einkaufsfunktion, mit wem steht der stationäre Einzelhandel in seiner neuen Rolle im Wettbewerb?

Jens Lönneker: Die Einkaufsfunktion geht auch in der neuen Aufstellung nicht zwangsläufig verloren. Man kann ja in den Märkten mit Erlebnisfaktor auch ganz profan einkaufen, selbst wenn der Händler den Markt gut gestaltet. Es macht dann eben nur mehr Spaß oder ist einfach angenehmer.

Logistik Express: In seiner veränderten Rolle könnte der Einzelhandel seine wahren Stärken endlich ausspielen. Braucht es dafür aber nicht doch einen Kulturwandel?

Jens Lönneker: Es geht um Mehrwert, Erleben und Sinn beim Einkauf – das sind eigentlich klassische Fragen der Markenführung. Der Handel ist paradoxerweise dort angekommen, wo die von ihm oft kritisierten Markenartikler herkommen. Er muss heute selbst „Marke“ machen. Das ist für viele im Handel ein nicht wirklich geliebter Kulturwandel. Es sind spannende Zeiten. (BP)

E-Paper: E-Paper
E-Paper: PDF Download

Ähnliche Beiträge