Mehr als 1000 Experten beraten in Wien über die Zukunft der Mobilität

Die neuesten Entwicklungen auf dem Sektor der Motorenentwicklung und die aktuellen Trends im Automobilbau stehen beim 37. Internationalen Wiener Motorensymposium, das Donnerstag im Kongresszentrum der Wiener Hofburg eröffnet wurde, auf der Tagesordnung. Mehr als 1000 Motorenexperten, darunter Spitzenmanager der Automobilindustrie, Techniker und Wissenschaftler aus der ganzen Welt, nehmen daran teil. Veranstaltet wird der zweitägige Kongress vom Österreichischen Verein für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK) und der Technischen Universität Wien (Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik).

„Die Basis des Antriebs im Automobil bleibt noch für lange Zeit, sicher für weitere 20 bis 25 Jahre, der Verbrennungsmotor. Dabei ist klar: Ohne Elektrifizierung des Verbrennungsmotors geht in Zukunft nichts mehr“, betonte Univ.-Prof. Dr. Hans Peter Lenz, Vorsitzender des ÖVK sowie Gründer und Leiter des weltweit renommierten Internationalen Wiener Motorensymposiums, in seiner Eröffnungsansprache. „Wir werden auf dieser Tagung eine Fülle großartiger Entwicklungen kennenlernen und Fortschritte, die wir vor einigen Jahren nicht für möglich gehalten haben: Cirka zehn Prozent Verbrauchssenkung gegenüber dem Vorläufermotor bringen fast alle Motorenentwicklungen.“

In der folgenden Plenar-Eröffnungssektion erörterten vier Spitzenmanager der Automobil- und Zulieferindustrie grundlegende Fragen der Mobilität und nahmen dabei auch eine Standortbestimmung dieses bedeutenden Wirtschaftsbereichs aus globaler Sicht vor.

Ford: Mobilitäts- und Nachhaltigkeitsstrategien eines global agierenden Fahrzeugherstellers
Vier Megatrends, auf die sich Fahrzeughersteller einzustellen hätten, zitierte Dr. Ken Washington, Vizepräsident für Forschung und Vorentwicklung bei der Ford Motor Company, in seinem Eröffnungsvortrag: die Zahl von Megacities mit mehr als zehn Millionen Einwohnern wächst weltweit beständig (von derzeit 28 auf mindestens 41 in 2030); das schnelle globale Wachstum des Mittelstandes, der sich bis 2030 von zwei auf vier Milliarden Menschen verdoppeln wird, vorwiegend in Asien; der dritte Megatrend sind Luftverschmutzung und damit verbundene Gesundheitsrisiken aufgrund zunehmenden Verkehrs; vierter Megatrend ist eine Veränderung von Einstellungen und Prioritäten von Konsumenten rund um die Welt, vor allem die Einstellung zur Mobilität ändere sich im Vergleich zu früheren Generationen rapid.

Diese vier Megatrends hätten auch den Blick auf Innovation und Mobilität verändert, Ford wandle sich in ein Automobil- und Mobilitätsunternehmen, erklärte Dr. Washington. So entwickelte Ford den Ford Smart Mobility Plan, mit dem Themen wie Konnektivität, Mobilität, autonomes Fahren, Kundenzufriedenheit und Datenanalyse auf einen höheren Level gehoben wurden. Die Automobilindustrie verfüge über eine Fülle an Fachkompetenz, um gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen nachhaltiger Mobilität zu meistern, es bedürfe ein gemeinschaftliches Vorgehen der Industrie mit politischen Entscheidungsträgern, Infrastrukturbetreibern, lokalen Behörden und anderen Stakeholdern.

Bis 2020 werde Ford 4,5 Milliarden Dollar in die Elektromobilität investieren und in diesem Zeitraum 13 neue Elektrofahrzeuge einführen, erklärte der Manager.

Delphi Powertrain Systems: Lösungen müssen clever sein, aber nicht komplex
Die grundlegende Transformation der Automobilbranche und der so genannte Digitalisierungstrend betreffe nicht nur bekannte Automobiltechnik, vielmehr gehe es um neue Wege, das Fahrzeug komplett in das Leben der Menschen zu integrieren; neue Mobilitätskonzepte, völlig neuartige Kundenanforderungen, eine neue Art von Kundenbindung. Es sei nicht mehr nur der traditionellen Automobilindustrie vorbehalten, dem Konsumenten Mobilität zu liefern. Neue Akteure erschienen auf dem Markt. John Fuerst, Vice President Engineering Delphi Powertrain, betrachtete in seinem Vortrag Compliance, also die Konformität mit Gegebenheiten, aus zwei verschiedenen Blickwinkeln. Zum einen die konkreten Faktoren wie technische Vorschriften und Standards, die verpflichtend eingehalten werden müssen. Zum anderen die weniger leicht fassbaren Faktoren, die sich indirekt aus Kundenerwartungen ergeben. Anhand mehrerer technischer Neuenwicklungen erläuterte John Fuerst, dass technische Lösungen zwar clever, aber nicht komplex sein müssen, wie zum Beispiel die Kompressionszündung für Benzindirekteinspritzungs-Systeme, die ohne Zündfunken eine effizientere Verbrennung ermöglicht, ein 48V System der zweiten Generation sowie ein radikal neues Zylinder-Deaktivierungskonzept, das mit geringem Aufwand eine Kraftstoffersparnis von bis zu zehn Prozent erreicht.

PSA Peugeot Citroën: So wird der Flottenverbrauch nach unten gedrückt
Die PSA-Gruppe mit den Marken Peugeot und Citroën werde mit dem selbst gesetzten Flottenziel von 91 Gramm pro Kilometer bis zum Jahr 2020 den für Europa angesetzten Wert von 95 g/km signifikant unterschreiten, bekräftigte Gilles Le Borgne, PSA-Vorstandsmitglied Forschung und Entwicklung. Um den Flottenverbrauch, mit dem PSA weltweit zu den drei besten Konzernen zähle, weiter zu drosseln, werde die Gruppe deutliche effizientere Verbrennungsmotoren, aber auch neue batterieelektrische Fahrzeuge und Plug-in-Hybride in den Markt einführen, sagte Le Borgne.

Bei den Verbrennungsmotoren werden Maßnahmen wie verbesserte variable Ventilsteuerungen, Direkteinspritzung, Turboaufladung, Downsizing und reduzierte Reibungsverluste eingesetzt, bei Motoren bis 1.2 l Hubraum sind nur noch Dreizylinder für höheren Wirkungsgrad vorgesehen.  Für den Elektroantrieb komme 2019 eine neue Modulplattform im B-Segment, die neben Benzin- und Dieselaggregaten auch den Einsatz von E-Motoren erlaube. Plug-in-Hybride seien für das C- und für das D-Segment geplant. Lithium-Ionen-Zellen der jüngsten Generation, so Le Borgne, würden herausragende Effizienz und robuste Reichweiten im reinen E-Betrieb erwarten lassen.

Im Internet der Ringe: Wie Audi das Auto vernetzt
Im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung stehe die Automobilbranche vor den größten Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte. Die komplette Fahrzeugarchitektur werde sich verändern – dies betreffe Antrieb und Fahrwerk, Automobilelektronik und digitale Dienste. Diesen Ausblick gab Dr.-Ing. Stefan Knirsch, Audi-Vorstand für Technische Entwicklung, als Eröffnungsredner des Motorensymposiums. Das Auto werde in Zukunft mehr sein als ein Fortbewegungsmittel: es werde über künstliche Intelligenz verfügen und mit Sensoren und Kameras Informationen aus seinem Umfeld sammeln, in einer Daten-Cloud abspeichern und online sein Wissen mit anderen Autos in Echtzeit austauschen.

Als Audis strategische Innovationsfelder nannte Dr. Knirsch Effizienz und Nachhaltigkeit, Konnektivität und Digitalisierung. Er verwies auf Audis Plug-in Hybride und Erdgas-Modelle, auf die Forschung nach alternativen, CO2-neutralen Kraftstoffen und die Versuche mit Brennstoffzellen-Autos. Und er bestätigte die Absicht, 2018 das erste batterieelektrisch angetriebene Audi-Serienmodell auf den Markt zu bringen – mit einer Reichweite von 500 Kilometern und drei Elektromotoren, die gemeinsam auf 320 kW für sehr sportliche Fahrleistungen kommen. Auch das digitale Innovationstempo halte unvermindert an, so würden im neuen Audi A8 Kunden schon ab 2017 pilotiertes Fahren bis 60 Stundenkilometer und die Funktionen „Staupilot“ und „pilotiertes Parken“ nutzen können. Der Audi-Technikvorstand verwies weiters auf strategische Partnerschaften „mit den Besten der IT- und Elektronikindustrie“, wie Google, Apple, Samsung und LG.

Für die Zukunft zeigte sich Dr. Knirsch optimistisch: Das Auto ist auf dem besten Weg, über sich hinauszuwachsen, es ist und bleibt ein Zukunftsmodell, sagte er.

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