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Mut zum produktiven Scheitern

Kleine und mittelständische Unternehmen tun sich mit der Umsetzung von Industrie 4.0 noch schwer. Dabei könnten sich diese mit etwas mehr Mut wichtige Wettbewerbsvorteile sichern.

banner-standardWie kann die vierte industrielle Revolution gelingen? Wie viel Digitalisierung braucht mein Unternehmen? Wie kann ich heute schon von Industrie 4.0 und damit der Selbststeuerung von Maschinen und Anlagen profitieren?

Diese und ähnliche Fragen standen im Mittelpunkt der vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML und dem Effizienzcluster Logistik-Ruhr veranstaltete „Zukunftskongress Logistik – 34. Dortmunder Gespräche“ Mitte September 2016. Unter dem Motto „How to do the Revolution“ diskutierten rund 500 Teilnehmer aus Wissenschaft und Wirtschaft Fragestellungen, die uns heute und in Zukunft beschäftigen.

Einfach machen lautet die Devise
„Die Software wird zu einem ‚Werkstoff‘ hybrider Logistikdienstleistungen werden müssen“, sagte Prof. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IML. „Dazu müssen Logistiker die Software produzieren, die sie auch tatsächlich benötigen.“ Inwieweit dabei die von ihm propagierte „Social Networked Industry“, in der Mensch und Maschine als gleichberechtigte Partner zusammenarbeiten oder Industrie 4.0-Konzepte eine Rolle spielen, bleibt jedoch abzuwarten. In einer Branche, in der der weit überwiegende Teil der Läger nach wie vor manuell betrieben wird und sich der Barcode auch im Verlauf von Jahrzehnten noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat, stellt das gerade für kleine und mittelständische Unternehmen eine enorme Herausforderung dar. Nicht selten fühlen diese sich von den oft theoretischen Diskussionen überfordert und verharren deshalb in Passivität. Doch genau das sollten sie nicht tun: „Einfach machen“ – diese Devise gab Prof. ten Hompel aus. „Letztlich kann es der Logistik nur dann gelingen, an der Spitze der vierten industriellen Revolution zu stehen und für die Social Networked Industry gerüstet zu sein, wenn Lösungen schnell umgesetzt und ausgetestet werden“, so ten Hompel. „Denn nur so lassen sich Fehler schnellstmöglich erkennen und korrigieren.“ Und ohne eine solche Fast-Failure-Kultur, ohne den Mut zum produktiven Scheitern, lasse sich das Innovationspotenzial der Branche nicht voll ausschöpfen.

Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0
‚Unternehmen diesen Weg in die Industrie 4.0 zu ebnen und Einstiegsmöglichkeiten aufzuzeigen, das ist das Ziel des Ende vergangenen Jahres gegründeten Kompetenzzentrums Mittelstand 4.0. Getragen vom Fraunhofer IML, der Effizienzcluster Management GmbH in Mülheim sowie wissenschaftlichen Einrichtungen aus dem Raum Ostwestfalen-Lippe und Aachen, sollen hier speziell kleine und mittlere Unternehmen bei der digitalen Transformation gezielt unterstützt werden. Die Initiative soll Mittelstandsunternehmen helfen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und neue Geschäftsfelder im Kontext von Digitalisierung und Industrie 4.0 zu erschließen.

Lila Welt
Seinen ganz eigenen Weg in die digitale Zukunft geht der mittelständische Logistikdienstleister Müller – Die lila Logistik AG. Das Unternehmen hat sich vor kurzem eine eigene Verfassung gegeben, die als Handlungsgrundlage dient und Rahmenbedingungen im Wirken nach innen und außen vorgibt. „Bereits heute beschäftigen wir uns sehr intensiv damit, wie sich das Unternehmen IT-seitig nach vorn bringen lässt, um das Wissensmanagement und die damit einhergehende Vernetzung unter den Mitarbeitern zu verstärken“, sagte der Vorstandsvorsitzende Michael Müller in Dortmund. „Nur wenn die Veränderungsbereitschaft bei jedem Einzelnen hochgehalten wird, können wir unsere lila Welt selbst gestalten.“ In Zeiten, in denen sich Prognosen zufolge mehr als die Hälfte der Berufsbilder dramatisch verändern und mehr als die Hälfte aller Unternehmen künftig durch neue ersetzt werden, sei der Spagat zwischen Tagesgeschäft und einer gleichzeitigen Weichenstellung für die Zukunftsfähigkeit wichtiger denn je. Die Angst vor Geschäftsmodellen, die aus dem Nichts sprießen und abrupt die Spielregeln des Wettbewerbs ändern, sei so groß wie nie zuvor.

Industrie 4.0 und Mensch 1.0
Den Bogen zur Social Networked Industry schlug anschließend noch einmal Philipp Hahn-Woernle, CEO beim Intralogistikanbieter Viastore, der in seinem Vortrag die Frage stellte, wie Industrie 4.0 und Mensch 1.0 zusammenpassen. „Grundsätzlich ist Automatisierung wichtig für Unternehmen und eine Chance, dem demografischen Wandel in europäischen Industrienationen zu begegnen“, so Hahn-Woernle. „In Lager und Kommissionierung gibt es neben den automatisierbaren Routinearbeiten aber immer noch sehr viele Tätigkeiten, die nur der Mensch ausführen kann.“

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