Via Bremen: Projektlogistik zwischen Wirtschaft und Handelspolitik

Via Bremen: Fachforum ProjektlogistikWas hat der Mohammed-Karikaturenstreit mit der Königsdisziplin Projektlogistik zu tun? Und warum kann er für Logistiker hohe Strafen nach sich ziehen? Dies war nur eins von vielen Themen des Via Bremen-Fachforums Projektlogistik, das am 16. Januar 2017 bereits zum dritten Mal in der Hansestadt stattfand. Über 100 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung versammelten sich in der lichtdurchfluteten Bremer Bürgerschaft, um sich über aktuelle Trends im XXL-Segment der Logistik auszutauschen. Unter dem Motto „Erfolgreiche Projektlogistik – Herausforderungen gemeinsam begegnen“ diskutierten Industrievertreter, Logistiker und Schifffahrtsleute aus ganz Deutschland wirtschaftliche Entwicklungen, handelspolitische Rahmenbedingungen sowie Zukunftsszenarien beim Verladen von Großanlagen.

Bei seiner Begrüßung vor der Kulisse des Bremer Marktplatzes hob Wirtschafts- und Hafensenator Martin Günthner die Bedeutung der Projektlogistik für den Standort Bremen hervor. Dank des engen Zusammenspiels zwischen Politik, Wirtschaft und Verwaltung hätte man schon vielen Problemen erfolgreich begegnen können. Für das Ausräumen weiterer Hindernisse werde kontinuierlich am runden Tisch kritisches Feedback eingefordert. „Eine gute Zusammenarbeit aller relevanten Stellen ist für ein so kompliziertes Thema wie die Projektlogistik unabdingbar“, betonte Günthner.

Just-in-Time Lieferungen
Immer komplexere Rahmenbedingungen führen beim Transport großer Anlagen zu fortwährend höheren Bedarfen. „Wir brauchen einen verlässlichen Partner, der dafür sorgt, dass die Dinge rechtzeitig und sicher auf der Baustelle ankommen“, so Dr. Tobias Keitel von Voith Hydro Holding, Ausrüster von Wasserkraftwerken. Die Just-in-Time-Lieferung erfordert eine Logistikkette mit weniger Puffer, die somit noch zuverlässiger sein muss. Gleichzeitig geht der Trend dahin, Anlagenteile vorzufabrizieren, um die kostenintensive Zeit auf der Baustelle so gering wie möglich zu halten. Dadurch werden die Teile größer und schwerer und z.T. auch empfindlicher. Gerade bei Lieferungen in Länder wie Kongo oder Pakistan sei zudem aufgrund umfassender Zollvorgänge eine gewissenhafte Planung essentiell.

Handelspolitische Regularien
Welche Herausforderungen das Zoll- und Außenwirtschaftsrecht mit sich bringen kann, beleuchtete Sandro Kopidura von Thyssenkrupp Industrial Solutions. So dürfe z.B. bei Lieferungen nach Saudi-Arabien aufgrund des Karikaturenstreits keine Ware aus Dänemark eingeführt werden. Schließt man aber für einen Auftragsabschluss dänische Ursprungsware vertraglich aus, kommt dieser Ausschluss einem Boykott Dänemarks gleich. Dies verstößt gegen deutsches Recht und kann mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 € geahndet werden. Ein ähnlich hohes Bußgeld fällt an, wenn das Einholen von Ausfuhrgenehmigungen für genehmigungspflichtige Ware versäumt wird. Generell gilt die Faustregel: Alles was verbaut ist, erleichtert die Exportkontrolle, da für verbaute Teile keine Genehmigungen notwendig sind. Um Exportkontrolle ging es auch bei der Betrachtung des Projektmarktes Iran, der seit den Sanktionslockerungen aufgrund eines beträchtlichen Modernisierungstaus im Land attraktive Chancen bietet. Dennoch sind die Unwägbarkeiten von der Genehmigungseinholung bis hin zur Lieferantenauswahl groß. Beispielsweise darf ein Unternehmen mit US-Verbindungen nicht in den Auftrag involviert sein.

Multipurpose-Schifffahrt
Gegenstand des Fachforums war außerdem die bereits acht Jahre andauernde Schifffahrtskrise. „Es ist ein schwieriger Spagat, die hohen Anforderungen der Endkunden wie Just-in-Time und Zuverlässigkeit mit immer geringer werdenden Frachtraten zu bestreiten“, erklärte Lucius Bunk von Briese Schiffahrt. Zudem wurde die Tendenz offenkundig, dass Projektladung nicht mehr ausschließlich mit Multipurpose-Schiffen verladen wird, wo viele Ausnahmegenehmigungen erforderlich sind, sondern zunehmend auch Container für den Transport genutzt werden.

Zukunftsperspektiven
Auch der Blick in die Zukunft kam nicht zu kurz. So wurde beispielsweise eine Augmented-Reality-Brille vorgestellt. Die digitale Brille projiziert weiterführende Informationen von z.B. verpackter Ware ins Sichtfeld und soll eine effizientere Prozessabwicklung ermöglichen. Ebenfalls um Zukunftsentwicklungen ging es bei der Chancen- und Risikenbetrachtung im globalen Markt. „Die Bedeutung von politischen Entscheidungen, wie Protektionismus, dürfen nicht unterschätzt werden und müssen in Wachstumseinschätzungen der Projektlogistikbranche mit einbezogen werden“, ist Dr. Jürgen Sorgenfrei von IHS Markit und ehemaliger Chef von Hafen Hamburg Marketing überzeugt.

Abschließend wies Dr. Patric Drewes, Via Bremen-Vorstand und Geschäftsführender Gesellschafter bei Carl Polzin auf die Chancen der Digitalisierung hin, mahnte aber auch, die Möglichkeit einer daraus resultierenden neuen Konkurrenz im Blick zu haben. Umso wichtiger sei der regelmäßige Austausch im Expertenkreis, um aus Fehlern zu lernen und sich für die Industrie gut aufzustellen. Das anschließende Abendessen und die am Folgetag in Kooperation mit der BIS Bremerhaven durchgeführte Fachexkursion nach Bremerhaven boten hierfür eine weitere willkommene Plattform.

Quelle + Bildquelle: Via Bremen

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