Weltweit zweitgrößter e-Commerce-Markt entsteht in Indien

Zwischen 2016 und 2020 wird der Online-Markt gemäß Prognose um 28 Prozent jährlich wachsen und soll einen Wert von rund 60 Milliarden Euro erreichen. Nicht zuletzt dank einer jungen  und konsumfreudigen Mittelschicht in Südasien. Amazon und Alibaba sind daher Vorreiter für weitere Online-Händler. Laut Amazon-Gründer Jeff Bezos soll Indien nach den USA der zweitgrößte Markt für das Unternehmen werden. Allerdings gibt es viele Herausforderungen zu meistern. Dazu gehören Lieferschwierigkeiten aufgrund der schlechten Infrastruktur insbesondere in ruralen Gebieten.

Laut einer Prognose des Zahlungsdienstleisters Worldpay (Global Payments Report 2016) wird sich Indien aufgrund der zunehmenden Verbreitung von Internet und billigen Smartphones sowie der anwachsenden Mittelschicht bis 2034 zum weltweit zweitgrößten e-Commerce-Markt entwickeln. Zwischen 2016 und 2020 wird der Markt gemäß Prognose um 28 Prozent jährlich wachsen und in 2020 werden rund 600 Millionen Inder online sein (Stand 2016: 300 Millionen). Dabei sind 70 Prozent der Bevölkerung unter 35 Jahre alt. Der stellvertretende Vorsitzende von Worldpay Ron Kalifa sagte, dass die Untersuchung eine Reihe von Trends aufdeckt, die Indiens  Potenzial für ein erstaunliches Wachstum im e-Commerce-Bereich in den nächsten zwei Jahrzehnten belegen. „Der Markt soll bis 2020 einen Wert von 63,7 Milliarden US-Dollar (rund 60 Milliarden Euro) erreichen. Nach 2034 wird er die USA überholen.

„Dadurch entstehen enorme Chancen für Online-Verkaufsplattformen“, sagte Kalifa und fügte an: „Allerdings sollten diese Unternehmen schon jetzt ihren Markt abstecken, um die konsumfreudige Bevölkerung Indiens  zugewinnen und auch vom künftigen e-Commerce-Wachstum zu profitieren.“ Kalifa wies darauf hin, dass Amazon und Alibaba bereits in Indien aktiv sind und damit ein klares Zeichen für Online-Verkäufer setzen, jetzt aktiv zu werden. Worldpay analysierte 30 Märkte weltweit – darunter Indien, China, Hong Kong, Südkorea, Singapur sowie Australien in der Asien-Pazifik-Region. Im südasiatischen Land gibt es viele kleine Einzelhändler („mom and pop shops“), deren Produktangebot sehr begrenzt ist. Hier bietet die Bestellung via Internet große Chancen. Amazon bindet diese mom and pop shops in sein Netzwerk ein.

e-Commerce-Markt beflügelt Investoren und Start-ups
Neben den populären indischen Online-Verkaufsplattformen Flipkart, Snapdeal, Yebhi, Jabong (Eigentümer Flipkart) und Cbazaar  drängen nun internationale Plattformen wie Shopclues, Amazon sowie die chinesische Alibaba auf den Markt. Auch die Bertelsmann AG will in die indische Onlinehändler-Plattform KartRocket investieren. Der Wettbewerb hat nicht zuletzt durch die massive Investition von Risikokapital in die Verkaufsplattformen deutlich zugenommen und führt nun zu Unternehmenskonsolidierungen. Im Mai 2015 übernahm Snapdeal z. B. das Mobiltechnologie Start-up-Unternehmen MartMobi. Auch die Regierung fördert den e-Commerce. Im Januar 2016 wurde die „Start-up Policy“ für junge Unternehmen eingeführt, die als Regelwerk für Neugründungen fungiert. Start-ups schaffen immer mehr dringend benötigte Arbeitsplätze in der Republik.

Erfolgsstory Amazon India: kreatives Buhlen um traditionelle Einzelhändler
Seit dem Einstieg in das schnell wachsende indische Onlinegeschäft im Jahr 2013 ist Amazon auf dem Subkontinent auf dem Vormarsch. Das Unternehmen hat Investitionen in Höhe von fünf Milliarden Dollar (4,7 Milliarden Euro) angekündigt. In 2016 investierte es allein 70 Milliarden Rupien (über 964 Millionen Euro) – nicht zuletzt um seinen indischen Rivalen Flipkart vom Tron zu stoßen. Snapdeal verliert schon seit einiger Zeit immer mehr Marktanteile an den amerikanischen Internetgiganten. Allerdings soll das Seattler Unternehmen laut dem holländischen Magazin Fashion United in Indien im Oktober 140 Millionen Euro bei einem Versuch verloren haben, Kunden mit Sonderangeboten und Rabatten zu locken. Amazon India  will die bevorzugte Wahl der Kunden in Indien werden. Dazu hatte das Unternehmen beim Markteintritt ein Programm mit dem Namen „Chai Cart“ entwickelt. Mobile „Tee-Wagen“ wurden entsandt, um Betreiber von kleinen Läden zu besuchen und ihnen die Vorteile des e-Commerce näherzubringen. Dabei wurden nach eigener Aussage 14.700 km zurückgelegt, 31 Städte und 10.000 Betreiber von Kleinläden besucht. Laut Amazon-Gründer Jeff Bezos soll Indien nach den USA der zweitgrößte Markt für das Unternehmen werden. Um dies zu erreichen, ist Amazon sehr kreativ und ermöglicht es gemäß Forbes Einzelpersonen mit seinem neuen Angebot „Sell as Individual“ gebrauchte Güter auf der hauseigenen Plattform zu verkaufen. Die Verpackung und die Lieferung wird ebenfalls gegen eine geringe Gebühr übernommen. Der Markt für gebrauchte Güter wächst mit rasanter Geschwindigkeit und sein Wert soll auf 25 Milliarden US-Dollar (23,5 Milliarden Euro) anwachsen. Weitere Player wie OLX, Quikr und eBay tummeln sich bereits ebenfalls im Markt. Doch Amazon besitzt aufgrund seiner ausgefeilten Logistik eine große Chance als Marktführer hervorzugehen. OLX operiert nur als Kleinanzeigen-Plattform, daher hat Amazon mit seinem Lieferservice gute Karten. In 2015 wurde bereits der Service „Amazon Prime“ eingeführt, zu dem auch der gratis Premiumversand und „Prime Video“ gehört.

Alibaba baut kräftig aus
Im May 2015 trat Alibaba offiziell durch seinen Einzelhändler-Plattform AliExpress in den indischen e-Commerce-Markt ein. Im August investierte das von Jack Ma gegründete Unternehmen 500 Millionen US-Dollar in Snapdeal (Anteil drei Prozent). Momentan besitzt es 40 Prozent Anteil an der größten indischen mobilen Zahlungsplattform Paytm. Ende letzten Jahres eröffnete Alibaba das erste Büro in Mumbai in der gleichen Gegend wie sein Rivale Amazon. Zudem wurde im September mit neuen Partnern (Kotak Mahindra Bank, IDFC Bank, Delhivery, DHL und Aditya Birla Finance) ein erweitertes Trade Facilitation Centre Program etabliert. KMU sollen dadurch von Spezialleistungen, engagierter Unterstützung und kundenspezifischen wertveredelnden Services neben neusten logistischen Einrichtungen profitieren. Das Unternehmen konnte Anfang 2016 auf rund sechs Millionen indische Käufer und Verkäufer verweisen.

Herausforderungen für Internethändler? Zustellung am Land, Gesetzeslage
Die Zulieferung der Waren stellt eine große Herausforderung dar, da die Infrastruktur besonders in ländlichen Gebieten schlecht entwickelt ist. Dort leben 67 Prozent der indischen Bevölkerung. Zudem decken viele Kurierdienste nicht alle Regionen ab. Die meisten Händler arbeiten mit kleinen Kurierdiensten zusammen, da die internationalen Dienste wie DHL zu teuer sind. Amazon hat daher seine Fulfillment-Platform auf Indien übertragen (Fulfillment by Amazon (FBA)) und über zehn Fulfillment Center (FC) gebaut, wobei sich das größte in Kothur in Telangana befindet. Mitte 2016 gab der stellvertretende Präsident für Kunden-Fulfillment in Indien Akhil Saxena den Bau sechs weiterer FC bekannt. Die Verkäufer senden ihre Waren an ein FC und nutzen die Pick-, Pack- und Shipping-Dienste des Internetriesen.  In sehr ländlichen Gebieten nutzt der Internetriese auf der „letzten Meile“ sogar Fahrrad- und Motorrad-Kuriere.

Laut Germany Trade & Invest gestaltet sich der Eintritt von ausländischen Unternehmen in den indischen e-Commerce-Markt oftmals problematisch, da komplizierte Gesetze die Geschäftstätigkeit erschweren. Direktinvestitionen in der e-Commerce-Branche im B2B-Geschäft sind bis zu 100 Prozent erlaubt, doch im Online-Einzelhandel untersagt. Internethändler wie Amazon operieren als „Marketplaces“ und bieten ausschließlich Produkte von anderen Herstellern an. Die indische Regierung will künftig ausländische Direktinvestitionen in die e-Commerce-Branche liberalisieren.

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