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Wirtschaftsminister Mitterlehner übt Kniefall vor EU-Industrielobby

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace übt scharfe Kritik am Vorstoß des österreichischen Wirtschaftsministeriums zur Einrichtung einer zusätzlichen Paralleljustiz für ausländische Investoren auf EU-Ebene. Das „Seattle to Brussels Network“ veröffentlichte am Mittwochabend ein sogenanntes „Non-Paper“ vom 7. April, in dem Österreich gemeinsam mit Deutschland, Frankreich, Finnland und den Niederlanden die Ausweitung von Konzern-Sonderklagerechten in der EU vorschlägt. Demnach sollen bestehende bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten durch ein EU-weites Abkommen ersetzt werden. Das würde in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten Sonderklagerechte für Konzerne einrichten. Der Vorstoß hat starke Ähnlichkeit mit einem Vorschlag des größten europäischen Industrielobbyverbandes BusinessEurope, den dieser in einem Brief an die EU-Kommission im Februar vorgebracht hatte. Gleichzeitig widerspricht die Forderung der Politik der EU-Kommission, die bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Staaten – und damit auch die darin verankerten Regelungen zu ISDS – abschaffen möchte.

„Es ist unfassbar, dass sich Wirtschaftsminister Mitterlehner aktiv für die Schaffung einer zusätzlichen Konzern-Paralleljustiz auch zwischen EU-Ländern stark macht. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass er im Rahmen von TTIP und CETA die Schaffung von Konzern-Sonderklagerechten mitträgt. Zudem sind ausländische Investitionen in Europa ohnehin durch funktionierende Rechtssysteme geschützt“, so Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace in Österreich, „Offenbar übt Minister Mitterlehner lieber den Kniefall vor der Industrielobby als auf die Menschen in Österreich zu hören, die Sonderklagerechte für Konzerne entschieden ablehnen. Wir fordern Bundeskanzler Kern auf, dem eine Absage zu erteilen und sich dafür einzusetzen, dass sämtliche Konzern-Sonderklagerechte zwischen EU-Staaten ersatzlos gestrichen werden.“

Der Vorschlag der fünf EU-Länder würde zu einer massiven Ausweitung von Konzern-Sonderklagerechten (ISDS) in Europa führen und könnte einen starken Anstieg von Konzernklagen gegen Staaten zur Folge haben. Bisher ist ISDS in 190 bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen einzelnen EU-Mitgliedstaaten verankert – überwiegend zwischen westeuropäischen und osteuropäischen Ländern. Das im Non-Paper vorgeschlagene Abkommen würde aber die Anwendbarkeit von ISDS auf sämtliche Investitionsströme zwischen allen EU-Mitgliedstaaten ausweiten. Für Österreich würde das beispielsweise bedeuten: Sämtliche Unternehmen aus dem EU-Ausland, die im Land investiert haben, könnten prinzipiell die Republik vor einem Schiedsgericht auf Schadenersatz klagen, wenn sie ihre Investitionen durch staatliche Maßnahmen beeinträchtigt sehen. Das könnte in weiterer Folge dazu führen, dass wichtige staatliche Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt, aus Angst, verklagt zu werden, gar nicht umgesetzt werden.

„Vizekanzler Mitterlehner muss aufhören, die Bestrebungen der EU-Kommission zur Abschaffung von Konzernklagerechten zwischen EU-Mitgliedstaaten zu torpedieren. Er muss seine Unterstützung für den Vorschlag zur Einrichtung einer EU-weiten Paralleljustiz sofort zurückziehen“, so Egit, „Auch den neuen Bundeskanzler Kern nimmt der Greenpeace-Geschäftsführer in die Pflicht: „Kern muss der ablehnenden Haltung der SPÖ zu Sonderklagerechten für Konzerne treu bleiben und klarmachen, dass Österreich deren Ausweitung auf Investitionen zwischen allen EU-Mitgliedstaaten nicht unterstützt.“

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