9. eCommerce Logistik-Day 2024
Am 9. eCommerce Logistik Day 2024 traf sich die Creme de la Creme der österreichischen Logistik-Szene in Wien. Veranstalter Markus Jaklitsch, Herausgeber des LOGISTIK express sorgte für den Auftritt zahlreicher Experten von Handel und Logistik. Die Themenvielfalt war groß. – Ein Rückblick.
Bereits zum 9. Mal haben wir den eCommerce Logistik Day ausgerufen. Dem Ruf nach Fachvorträgen sind Experten vom Handel und der Logistikszene in Österreich gefolgt. So eröffnete Rainer Will, Geschäftsführer vom Handelsverband Österreich den spannenden Reigen der Fachvorträge. Ihm folgten:
- Norbert W. Scheele, Vizepräsident – Handelsverband / C&A Head of European Expansion
- Miriam Enzi, Regionalleiterin Amazon – Logistics Österreich
- Clemens Nießner, Head of Operational – Excellence, Logistics Solutions, Österreichische Post AG
- Clarissa Lehner Geschäftsführerin ACL – advanced commerce labs
- Joachim Kieninger, Director Strategic – Business Development, ELEMENT LOGIC
- Christian Puchwein, Senior Key Account – Manager, KNAPP AG
- Wolfgang Kubesch, Geschäftsführer – BVL Bundesvereinigung Logistik Österreich
Am Nachmittag standen insbesondere die beiden hochkarätig besetzten Podiumsdiskussionen im Vordergrund. Die erste Runde gestalteten:
- Miriam Enzi, Regionalleiterin Amazon Logistics Österreich
- Clarissa Lehner Geschäftsführerin, ACL advanced commerce labs
- Clemens Nießner, Head of Operational Excellence, Logistics Solutions, Österreichische Post AG
- Christian Puchwein, Senior Key Account Manager, KNAPP AG
- Joachim Kieninger, Director Strategic Business Development, ELEMENT LOGIC
Die 2. Podiumsdiskussion wurde bestritten von …
- Sebastian Kummer, Head of the Institute of Transport and Logistics, Wirtschaftsuniversität Wien
- Wolfgang Kubesch, Geschäftsführer, BVL Bundesvereinigung Logistik Österreich
- Walter Trezek, Geschäftsführer, CLS – Commerce Logistics Specialist
Die Fragen für die Diskussionsrunden warf Peter Nestler, Herausgeber & Chefredakteur, Umwelt Journal & Logistik express in die jeweilige Runde und agierte zugleich als Moderator.
Rainer Will: Wie immer mit wichtigen Inhalten gespickt und pointiert eröffnete Rainer Will vom Handelsverband den Tag von eCommerce, Handel und Logistik. Sein Thema: THE STATE OF RETAIL – Innovation und Wachstum in Zeiten der Stagflation. Will umriss die aktuelle Situation des Handels im Zwiespalt zwischen eCommerce und stationärem Betrieb. Dabei verwies er darauf, dass der stationäre Handel in Österreich als wichtigster und größter Arbeitgeber des Landes heute bereits eine Brückenfunktion für eCommerce innehat. „Wir haben gehört: Schwierige Situation für den stationären Handel. Zugleich wächst der eCommerce Handel weiter mit den entsprechenden Herausforderungen. Was könnte man dem stationären Handel – es sind tausende Arbeitsplätze damit verbunden – Gutes tun, damit nicht alles in den E-Commerce fließt?“ überlegte Will. „Zum einen ist es wichtig, dass der heimische Handel auch die eCommerce-Chance nutzen kann. Denn wir haben derzeit schon fast dreiviertel aller online Ausgaben, die ins Drittstaaten-Ausland abwandern. Das ist aus volkswirtschaftlicher Sicht besorgniserregend, obwohl schon 37 Prozent künstliche Intelligenz und alle Möglichkeiten der Innovation nutzen“, so Will. Und daher brauche es in Österreich in erster Linie weniger Bürokratie.
Rainer Will dazu: „Wir haben sehr viele indexbasierte Kostenbausteine, die die Händler massiv in Bedrängnis bringen und die Wettbewerbsfähigkeit verändern. Die Lohnzuschläge haben im letzten Jahr das Doppelte im Vergleich zu Deutschland ausgemacht und das muss man einfach mit einbeziehen, dass man hier wirklich sehr, sehr gute Löhne und hohe Arbeitszufriedenheit hat, aber dennoch
weiterhin die Produkte preisgünstig und damit wettbewerbsfähig auch an den Markt bringen muss“.
Einen Ausweg sieht Will auch bei Import von Waren aus dem Ausland: „ Also wir wünschen uns Fairplay vor allem mit den aggressiv nach Europa drängenden asiatischen Plattformen: die Zollfreigrenze auf null Euro Warenwert senken und eine Entbürokratisierung mit Strukturreformen einhergehend durch die neue Regierung“.
Norbert Scheele: Norbert Scheele, Vizepräsident Handelsverband und bei C&A Head of European Expansion überblickt im eigenen Unternehmen recht gut das Nebeneinander von eCommerce und
stationärem Handel. Im Zuge der Pandemie ab 2020 hatte es gerade im eCommerce große
Zuwächse gegeben und man hatte zunächst angenommen, dass es sich dabei um ein Sockelwachstum gehandelt habe, das es sich beim Online-Handel wieder einbremsen werde. Aber nach einer kurzen Deckelung geht es nun mit den Zuwächsen bei eCommerce munter weiter. Wie lange hält das der stationäre Handel noch aus an ihrem Beispiel, lautete daher die Frage an Scheele. „Ja, das ist natürlich eine gute Frage. Wir haben gerade eben das auch diskutiert, dass die ganzen Kosten hochgegangen sind – Mitarbeiter, Energiekosten, Mieten, einfach alles. Es geht darum: Der Handel ist wichtig, insbesondere der stationäre Handel ist wichtig, auch für die Innenstädte und wir müssen an unseren Konzepten arbeiten. Ich glaube, der Handel vor Ort bleibt sehr wichtig. Dabei ist die Verzahnung bedeutend, das Konzept Omnichannel: Dass man sich wirklich die Artikel zuerst anschauen kann auf der Homepage, danach vorbeikommen kann und mittel klick und collect die Ware in der Filiale abholen“, meint Scheele. Und dann habe der Handel noch eine Berechtigung, auch im stationären Bereich.
Miriam Enzi: Im Anschluss stellte Miriam Enzi, Regionalleiterin Amazon Logistics Österreich die Rolle des Online-Handelsriesen hierzulande dar. Die Rolle von Amazon in Österreich oder überhaupt global in allen Ländern ist eine sehr komplexe. Man ist ja nicht nur Händler, man ist ja auch Logistikdienstleister. Welche Rolle spielt Amazon da in Österreich, lautete die Frage an Enzi: „Wir leisten unseren Beitrag vor allem durch Investitionen. Wir haben seit 2016, also seitdem wir auch wirklich vor Ort sind, 715 Millionen Euro investiert in den Wirtschaftsstandort Österreich und allein letztes Jahr waren es mehr als 200 Millionen Euro. Wir schauen, dass wir durch das Netzwerk weiter Kapazitäten schaffen beziehungsweise auch näher an unsere Kunden und Kundinnen herankommen. Zudem beschäftigen wir auch hunderte Mitarbeiter an unseren sieben Standorten und auch durch unsere Partner, vor allem Lieferpartner, haben wir weitere mehr als 1.000 Stellen, die die Fahrerinnen besetzen. Auf die Frage, ob in Österreich die Rolle von Amazon so wie sie derzeit sei, eine abgeschlossene ist, oder ob es noch weitere Vorhaben gebe, sagte Enzi: „Ja, wir investieren jedes Jahr mehr und wir schauen, dass wir durch das Netzwerk noch näher an den Kunden herankommen. Wir haben allein dieses Jahr wieder einen neuen Logistikstandort eröffnet in Premstätten, bei Graz. Österreich spielt weiterhin eine wichtige Rolle auch bei uns im Netzwerk. Wir sind hier vor allem ein Exportland“, so Enzi, denn es gebe rund 2.500 kleine und mittlere Unternehmen, die über den Onlinemarktplatz bei Amazon ihre Waren vertreiben. Diese Betriebe haben allein im letzten Jahr bereits ein Exportvolumen von mehr als 610 Millionen Euro erwirtschaftet. Enzi kennt dabei die richtigen Fähigkeiten für alle Arten von logistischen Herausforderungen: „Wir sind extrem flexibel. Ich glaube, alle, die in der Logistik arbeiten sind in der Logistik, weil sie flexibel sein können, weil sie sich anpassen können, weil sie Entscheidungen treffen können und weil sie eben auch Angelegenheiten nicht als Probleme sehen, sondern weil sie direkt in die Lösungsorientierung gehen können. Und ich glaube, viele dieser Herausforderungen haben auch zahlreiche Innovationen hervorgebracht.
Clarissa Lehner: „Unsere Kunden sind üblicherweise stationäre Händler, die eCommerce zusätzlich zu ihrem Filialgeschäft aufgebaut haben“, beschrieb Clarissa Lehner, Geschäftsführerin bei ACL – advanced commerce labs, die mit der Österreichischen Post AG arbeiten. „Gerade die sind unter großem Druck, denn da gibt es die verschiedensten Faktoren, die für diese Ausweitung des Geschäfts sprechen. Aber deswegen würde ich das so einordnen, dass jetzt gerade die Stimmung wegen der Rahmenbedingungen rundherum sehr zurückhaltend und sehr besorgt ist. Gerade ein Unternehmen wie ACL sei bemüht, für jede Art von Geschäft die passende Logistiklösung anzubieten: „Deswegen müssen wir, glaube ich, auf diesen Veranstaltungen immer versuchen, wieder eine gewisse Motivation reinzubringen, darauf zu drängen, dass auch diese nächsten Schritte gemacht werden, denn sonst wird die Situation noch schwieriger sein“. Nicht immer liegt dabei die richtige Lösung klar auf der Hand, so Lehner. „Wir haben sehr viel ausprobiert im Bereich der Kommissionierautomatisierung. Es geht aber jetzt vor allem darum, die gesamte Wertschöpfungskette auch Stück für Stück zu automatisieren. Das heißt, auch im Bereich des Wareneingangs, der Verpackung, der Be- und Entladung hier entsprechende
Automatisierungslösungen auszuprobieren. Wir haben da jetzt eine größere Lösung im Einsatz, aber schauen uns gerade auch andere Anbieter an. Stück für Stück gehen wir dann auch in die Umsetzung, da wird sich noch einiges tun“, weiß Lehner.
Clemens Nießner: Die IT dahinter sei das zentrale Element, die müsse einwandfrei funktionieren, unterstrich Clemens Nießner, Head of Operational Excellence, Logistics Solutions, Österreichische Post AG. „Die Robotik ist gerade jetzt im Bereich der Flurförderer, der HEVs, oder horizontal und vertikal MNRs eine ganz wichtige Technologie, die wir in Einsatz bringen wollen“, erzählte Nießner. In den vergangenen Jahren hat die Österreichische Post viel Geld für den Neubau und den Ausbau ihrer Logistikzentren ausgegeben. Im Zuge der Automatisierung werde es da im Inneren zu Umbauten kommen. Fläche oder Raum werde dabei nicht frei, denn die umgeschlagenen Mengen an Paketen
steigen weiter an. „Deswegen wird das Netz auch ausgebaut, denn durch die neu in den Markt kommenden Technologien könne man diese bestehenden Flächen noch einmal effizienter und effektiver nutzen. Es werde jedenfalls an allen Ecken gearbeitet – also einerseits an der effizienteren Raumnutzung, aber dann auch schon noch am Ausbau der Flächen, betonte Lehner.
Joachim Kieninger: Sehr spannend fand Joachim Kieninger, Director Strategic Business Development,
ELEMENT LOGIC, die Entwicklungen bei eCommerce und Filialhandel. “Vor rund fünf Jahren haben viele der großen Händler die Filialbelieferung und die Online-Belieferung getrennt. Sie haben damit im Prinzip dieses kleine Pflänzchen eCommerce, das es damals war, weiter gepusht. Da sehen wir immer mehr, dass die Belieferung nun integriert wird und dann wird immer wieder noch nach guten Lösungen gesucht, die sowohl die Filialbelieferung als auch B2C, also das klassische eCommerce-Geschäft mit der gleichen Technologie abdecken können“, skizzierte Kieninger die laufenden Entwicklungen im Markt.
Christian Puchwein: Christian Puchwein, Senior Key Account Manager bei der KNAPP AG, eröffnete seine Keynote mit der Frage: „Welche Logistik-Herausforderungen haben uns denn unsere Kunden uns mitgegeben, wo drückt denn der Schuh? Fast könnte man den Eindruck erhalten, dass alle Player im Mark den Eindruck vermitteln wollen, dass es fast nur Probleme gibt“, wunderte sich Puchwein. „In diesem Sektor muss man natürlich zuversichtlich sein, sonst wird das nichts. Die key findings, wenn man die jetzt einmal beleuchtet, was kann man Positives mitnehmen? Ich glaube, dass wir als Wirtschaftsstandort Österreich viel Wissen und eine unheimliche Kompetenz haben, auf die wir zurückgreifen können und ich bin da eigentlich sehr zuversichtlich, dass auch in schwierigen Zeiten, wo es sehr turbulent ist und wo es vielleicht nicht so gewiss ist, wie die Zukunft sich entwickeln wird, wir trotzdem Lösungen und Antworten finden werden finden müssen“, sagte Puchwein. Denn der Mitbewerb auch außerhalb Europas schlafe nicht. „Im Zuge der Globalisierung wird es aber natürlich schwierig mit der Zeit. Da kann man nicht nur regional verhaftet sein. Was braucht es, dass sich so ein Unternehmen wie die KNAPP so lange als globaler Player etablieren kann: Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man auch überregional Niederlassungen gründet, das Know-how von den Leuten, die dort vor Ort sind, die die Kultur kennen, die die Menschen kennen, da einfach auch deren Wissen zu nutzen. Gerade die Integration von anderen Kulturen in anderen Länder sei bedeutend. „Wir müssen die von uns als KNAPP zu überzeugen versuchen und dann Anknüpfungspunkte finden. Und das kann man am besten bei Social Events machen. Wir sind sehr darauf bedacht, auch Übersee diverse Kundenevents zu organisieren, auch zum Beispiel bei Messen in den Vereinigten Staaten regelmäßig teilzunehmen, um auch dort das Bewusstsein zu schaffen, dass es da jemanden gibt aus dem Großraum Graz, der global durchaus in der Logistik unterstützen kann“, so Puchwein.
Global beleuchteten am 9. eCommerce Logistik Day Wolfgang Kubesch, Geschäftsführer der BVL Bundesvereinigung Logistik Österreich sowie Sebastian Kummer, Head of Institute of Transport and Logistics an der Wirtschaftsuniversität Wien und Walter Trezek, Geschäftsführer bei CLS – Commerce Logistics Specialist die Lage der Logistik.
Sebastian Kummer: „Man darf nicht unterschätzen, dass die Chinesen mittlerweile sich vorgenommen haben, die ganzen Märkte aufzurollen, übrigens nun den Robotikmarkt auch. Das ist kein Zufall, dass sie dazu kaufen, und den Datenmarkt, auch künstliche Intelligenz. Der gesamte Datenmarkt ist zurzeit einer der Schwerpunkte in der Entwicklung der Logistik weltweit. Interessant dabei ist, dass die Chinesen das alle in die Regierungspläne reinschreiben und sogar veröffentlichen, und hinterher wundern wir uns. Das war bei der Automobilindustrie genauso, da ist dieses Vorhaben vor zehn, zwölf Jahren schon veröffentlicht worden, dass sie da Marktführer werden wollen. Und jetzt fragen wir uns alle, wieso? Und dann sagen wir ja, das ist ja alles von der Regierung“, so Kummer.
Walter Trezek: Ein wesentliches Hemmnis für den Handel in Österreich, sowohl stationär als auch online, ist der Import von Waren aus dem Ausland. „Da haben mittlerweile eines der besten und fortschrittlichsten Zoll- und Mehrwertsteuerrechte in Europa. Allerdings haben wir dieses Recht so aufgebaut, dass wir auch gleichzeitig unseren chinesischen Freunden klar gezeigt haben, wie Sie das am besten für sich selbst nutzen können“, weiß Walter Trezek. Chinesische Händler hätten das One-stop-shop System perfekt aufgebaut für eine Vereinzelung von Warensendungen. Wir haben also das Recht und die Regularien, was wir aber nicht tun, ist gleichzeitig die entsprechenden Instanzen aufzubauen, um das geltende Recht auch kontrollieren zu können, also das, was wir selbst vorgeschrieben haben. Das führt dann dazu, dass es durchaus große Logistikkonzerne gibt, oder große Plattformen, die mittlerweile ganz offen sagen, dass die Chinesen aufgrund ihrer Marktmacht und auch ihrer Datenmacht durchaus in der Lage sind, die entsprechenden Dokumente vorauseilend so zu optimieren, dass sie möglichst effizient die entsprechenden Zollregularien und Mehrwertsteuerregularien auch bedienen können. Die wissen ganz genau: Auf der anderen Seite ist nicht ein Stecker, wo man diese Daten hineinstecken könnte“, so Trezek. Klassiker dazu seien Lüttich oder Budapest, wo einfach so viele teils sehr kleine Pakete hereinkommen, dass sie einfach durchgewunken werden müssen, denn so viele Zöllner können gar nicht angestellt werden, um die anfallenden Mengen zu bearbeiten.
Wolfgang Kubesch: Dem pflichtete auch Wolfgang Kubesch bei. „Wir sind hier auch in unserer Gemengelage selbst gefangen. Aber dann gibt es natürlich auch noch andere Player so wie China, etwa die Amerikaner. Die sind sehr aktiv, was das Heranziehen, das Akquirieren von Produktionsstandorten betrifft, mit ihrer günstigeren Energie- und Kostenstruktur. Die nützen dieses Gefälle eben auch aus und das darf man denen nicht wirklich vorwerfen. Wir können uns nur selbst vorwerfen, dass wir halt selbst in der Lage sein müssen die Rahmenbedingungen zu schaffen, die man braucht, damit man da international mithalten kann. (RED)
Quelle: LOGISTIK express Journal Intralogistik & E-Commerce 4/2024