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„Wir gehen unseren Weg und verhelfen den Kunden zu Mehrwerten“

Was wurde in letzter Zeit nicht alles über die „Eiserne Seidenstraße“ berichtet. Die Vielzahl an Zeitungsartikeln, Radio- und Fernsehberichten geht an niemandem in der globalen Containerlogistikbranche unbemerkt vorüber. Aber man muss die Kirche im Dorf lassen, indem man sich die aktuellen Größenverhältnisse vor Augen führt.

Demnach können die Transportlösungen auf der Schiene entlang der eurasischen Landachse derzeit maximal 500.000 TEU im Jahr bewegen. Dem gegenüber stehen geschätzte 10 Mio. TEU auf dem Seeweg. Gesetzt den Fall, letztgenanntes Volumen wächst um zwei Prozent im Jahr, so wäre das gleichbedeutend mit einer Zusatzmenge von 200.000 TEU, was die Möglichkeiten der interkontinentalen Bahnlogistik um ein Vielfaches übersteigt.

Wenn wir schon beim Rechnen sind. Die Menge von 500.000 TEU entspricht der Kapazität von 21 Großcontainerschiffen wie der „MSC Gülsün“. Das jüngste Mitglied im Flottenverband der MSC Mediterranean Shipping Company pendelt im Fahrtgebiet zwischen Asien und Nordeuropa, wo die global tätige Linienreederei mit Hauptsitz in Genf jede Woche sechs Direktdienste betreibt. Dazu kommen noch vier Loops pro Woche von Asien in den Mittelmeerraum und retour. Fasst man das alles zusammen, so bewältigt die MSC das für die „Eiserne Seidenstraße“ ausgewiesene Volumen in gerade einmal drei Wochen. Und das ist nur eine von mehreren leistungsfähigen Containerreedereien.

Insofern verfolgt man in der Österreich-Agentur der MSC die Entwicklungen auf der „Eisernen Seidenstraße“ zwar aufmerksam und mit Interesse. Es wäre jedoch übertrieben zu behaupten, dass die Verantwortlichen deshalb beunruhigt wären. Für sie hat der Verkehrsträger Schiene auf den Verbindungen von China nach Europa und retour bei gewissen Produktgruppen durchaus seine Berechtigung. Jedoch sind das ihres Erachtens nach in erster Linie Erzeugnisse, die bisher entweder per Luftfracht oder per Sea/Air-Abwicklung transportiert wurden. Hingegen bestünden eher weniger Überschneidungen mit den klassischen Seefrachten, lautet die Einschätzung am Firmensitz der MSC Austria im Rivergate-Gebäude am Wiener Handelskai.

Wobei das auch mit dem Kerngeschäft der Containerreedereien so eine Sache ist. Wer sein Wirken in dieser Branche auf die Verschiffung von einem Seehafen in Asien, Nord-/Südamerika oder Afrika nach Europa v.v. beschränkt, der ist heutzutage jederzeit austauschbar und kann sich nur über den Preis definieren. Das mindert selbst bei den ganz großen Anbietern die Chancen auf einträgliche Einkünfte, weshalb sich diese Protagonisten verstärkt über Zusatzleistungen wie die Durchführung der Umschlagtätigkeiten an eigenen Hafenterminals oder von Hinterlandverkehren auf der Schiene definieren. Nicht zu vergessen das Leercontainermanagement, wo optimierte Abläufe deutliche Kosteneinsparungen bewirken können.

Nicola Lelli fasst das neue Selbstverständnis bei MSC Austria in einem Satz zusammen. „Wir wollen uns mit effizienten und durchgängigen Lösungen vom Markt abheben“, sagt der neue Director der Reedereiagentur. Der ausgewiesene Intermodal-Spezialist hat soeben die Nachfolge von Frederik Wexel angetreten, der nach sieben Jahren Tätigkeit in der Alpenrepublik im Oktober die Funktion als Commercial Director in Deutschland übernimmt. In seiner Ära ist die Österreich-Organisation zum führenden Anbieter am Markt aufgestiegen, dessen aktuell knapp 70-köpfiges Team alle Facetten der Containerlogistik betreut. Dazu zählen neben den Seefrachten insbesondere die intermodalen Vor- und Nachläufe im Hinterlandverkehr.

„Ein Binnenland wie Österreich braucht gute Bahnanschlüsse zu den Seehäfen“, betont Nicola Lelli ausdrücklich. Das ist zunächst keine allzu neue Erkenntnis. Geändert hat sich in den letzten Jahren allerdings der Zugang der Containerreedereien zu diesem Thema. Ihre Manager vertreten heute den klaren Standpunkt, die Herausforderungen der gesteigerten Mengen von und zu den Häfen schon aus Eigeninteresse effizienter lösen zu müssen. Es macht schon einen Unterschied aus, ob man das Containeraufkommen eines ganzen Schiffes disponiert oder nur einen Teil davon. Außerdem eröffnet das weltweite Streckennetz der „Carrier“ ganz andere Kombinationsmöglichkeiten. Darüber hinaus besteht ein großes Interesse an optimierten Systematiken im Bereich des Leercontainermanagements.

Dafür ergreifen die Containerreedereien jede Chance zur Abfederung der bestehenden Unpaarigkeiten. Vor allem im Fahrtgebiet Asien-Europa besteht nach wie vor ein Ungleichgewicht zugunsten der Verkehre „westbound“. Hier einen guten Ausgleich zu schaffen, zählt zu den vorrangigen Zielen von Nicola Lelli. Dabei spielen die in den letzten Jahren erfolgreich aufgebauten Zugsysteme eine wichtige Rolle. Mit dem „Wien-Jumper“ sowie dem „Linz-Jumper“ bestehen regelmäßige Bahnverbindungen von/nach Hamburg sowie Bremerhaven. Die Gegenstücke auf den Südhafen-Relationen von/nach Triest tragen die Namen „Wolfurt Runner“, „Salzburg Runner“, „Linz Runner“, „Graz Runner“ und „Wien Runner“. Dazu kommt ab Oktober der zunächst im wöchentlichen Intervall verkehrende „Enns-Jumper“ von/nach Bremerhaven. Sämtliche Zugprodukte sind auf die Schiffsankünfte oder –abfahrten abgestimmt und stehen allen Interessenten offen.

Mehr als 50 Prozent der MSC-Importcontainer für Empfänger in Österreich kommen aus China, gefolgt von der Türkei und Griechenland. Vor allem das Asien-Volumen läuft schwerpunktmäßig über die Nordhäfen. Hingegen beobachten Nicola Lelli und der Leiter Intermodal MSC Austria, Thomas Przybilovszki, bei den Exporten ab Österreich eine Verlagerung der Ladungsströme in Richtung der Südhäfen. Hier besitzt für ihren Arbeitgeber Triest einen hohen Stellenwert. „Das ist einer von fünf Häfen in Europa, den Schiffe mit bis zu 18 Meter Tiefgang anlaufen können“, betont das Duo. Noch dazu werde das Molo VII, an dem die MSC Group eine Beteiligung hält, demnächst erweitert und stehe ein Investitionsprogramm für den Ausbau der Bahninfrastruktur vor der Umsetzung. Grundsätzlich gebe es keinen Seehafen, der näher zu Österreich liege, was einen maßgeblichen ökologischen Aspekt darstelle.

JOACHIM HORVATH

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