Ausstieg zum Lernen


Christina Holweg schmiss ihren Top-Marketing-Job, um wieder an die Uni zu gehen 

Entweder ist sie verrückt – oder ein Trendsetter: Christina Holweg verzichtet auf zwei Drittel ihres Gehaltes und setzt das Credo vom lebenslangen Lernen in die Tat um.

Der graue Hosenanzug passt perfekt, der dazu gehörende Lebenslauf auch: Schon während des Studiums der Betriebswirtschaft Praktika in Barcelona, New York und Caracas, dazu ein Auslandssemester in Amerika und ein Diplom in Wirtschaftsspanisch. Anschliessend eine tadellose Karriere beim Markenartikel-Konzern Procter & Gamble, die bis zum Marketing-Chef für Österreich und die Schweiz führt. Die Laufbahn von Christina Holweg entspricht dem Traum vieler Wirtschaftsstudenten und den Wünschen der meisten Headhunter.

Doch bei genauer Betrachtung offenbaren sich auch kleine Brüche, die eines zeigen: Der Hang zum Abenteuer ist grösser als der Drang nach einem Leben in vorgezeichneten Karrierebahnen. Diese Lust am Abenteuer hat sich jetzt ziemlich radikal entladen: Christina Holweg hat nach 13 Jahren bei Procter & Gamble gekündigt, um zurück an die Universität zu gehen und ihre Dissertation zu schreiben.

Bücher statt Events

Seit einigen Wochen sitzt sie jetzt als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Handel & Marketing von Prof. Peter Schnedlitz an der Wirtschaftsuniversität Wien in ihrem kleinen Büro. Seminare über Verpackungen statt Meetings in Frankfurt oder Paris, Betreuung von Diplomarbeiten statt rauschender Werbe-Events an den coolsten Plätzen der Stadt – ein ganz neuer Alltag. Christina Holweg widerspricht: „Das hört sich jetzt so sehr nach Verzicht an, in Wirklichkeit gewinne ich aber. Für mich ist diese Rückkehr an die Uni ein Investment in die Zukunft.“ Ein Investment, das mehr als die Hälfte des Gehalts kostet? „Lernen ist eine Investition in zukünftiges Denken“, kontert Christina Holweg. „Im Berufsalltag ist für Weiterbildung kaum Zeit, wer das Credo vom ,lebenslangen Lernen‘ ernst nimmt, muss sich privat darum kümmern. Das tue ich jetzt.“

New York statt Murau

Dem grossen Bruch in der Karriere sind viele kleine vorausgegangen, die zeigen, dass es Christina Holweg nicht an Selbstbewusstsein mangelt: Weil sie in ihrer Heimatstadt Murau immer nur „die Tochter des Baumeisters“ gewesen wäre, geht sie nach New York, ohne Kontakte, ohne Netzwerk. „Ich war völlig auf mich alleine gestellt, und gerade das hat mich angespornt.“ Als sie später bei Procter auf der Marketing-Leiter ganz oben steht, wechselt sie überraschend in den Verkauf, was bei manchen Kollegen nur Kopfschütteln auslöst. „Ich wollte zeigen, dass ich auch im Verkauf gut bin und noch einmal meine Grenzen ausloten.“

Ein bisschen Müdigkeit ist beim Wechsel Richtung Universität auch dabei: „In Österreich war ich mit der Karriere am Plafond, die nächste Station wäre die Europazentrale in Genf gewesen, danach vielleicht Amerika. Doch dieses internationale Nomadentum, alle zwei oder drei Jahre in eine andere Stadt zu ziehen, das wollte ich nicht.“ Dazu passt auch, dass sie die Mitgliedschaft im Fitnesscenter kündigt („Das war wie eine verlängerte Werkbank“) und stattdessen zum Afro Dance geht – anderer Rhythmus, andere Leute, keine Beschränkung durch Geräte.

Und wie geht es nach der Dissertation weiter? „Genau möchte ich mich noch nicht festlegen“, sagt Christina Holweg, „aber ich bin überzeugt, dass der Austausch zwischen Theorie und Praxis, zwischen Wirtschaft und Universität, in Zukunft viel stärker wird, viel stärker werden muss. Und dann ergeben sich wieder ganz neue Möglichkeiten.“

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