China dominiert den Markt
Die Postal Prosperity Zone (PPZ) Initiative der UPU – Digitale Transformation der Postdienste im grenzüberschreitenden E-Commerce.
Der internationale E-Commerce hat sich in den vergangenen Jahren rasant gewandelt. Mehrere Faktoren haben diese Entwicklung beschleunigt: der Brexit, die COVID-19-Pandemie, die darauf folgende Wirtschaftskrise und steigende Kosten durch die Anpassung der früher dominierenden UPU-Tarife.
Der wohl bedeutendste Wendepunkt war die Einführung des EU-E-Commerce-Mehrwertsteuerpakets im Jahr 2021. Mit IOSS (Import One-Stop Shop) wurde die Verzollung von Kleinpaketen (bis 150 EUR Warenwert) vereinfacht und weitgehend digitalisiert, zudemn wurde die konsolidierte Einfuhr über zentrale Gateway-Standorte wie Flughäfen in den BENELUX-Staaten ermöglicht (Verzollung in einem Land, Zustellung in die ganze EU).
Dynamisches Wachstum der Importe
Im Jahr 2024 wurden 4,6 Milliarden Kleinpakete in die EU importiert – eine Verdoppelung gegenüber 2023 und eine Vervierfachung im Vergleich zu 2022. Davon stammten 91 % aus China, und etwa 90 % wurden über nur sechs EU-Mitgliedsstaaten eingeführt, darunter die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Ungarn. Diese dramatische Zunahme zeigt, dass das Wachstum des E-Commerce in der EU mittlerweile nahezu vollständig von Importen abhängt. Die Kontrolle über diese Warenströme liegt dabei in den Händen weniger Akteure – insbesondere chinesischer Marktplätze und deren Logistikdienstleister.
Massiver Druck auf Post- und Expressdienste
Diese Entwicklung stellt traditionelle Zustelldienste vor erhebliche Herausforderungen. Jahrzehntelang dominierten Expressdienste mit umfassenden regionalen und globalen End-to-End-Logistikketten den Markt. Doch nun geraten sie zunehmend ins Hintertreffen. Große Marktplätze – zunächst Amazon, inzwischen noch übertroffen von chinesischen Plattformen – kontrollieren die gesamte Wertschöpfungskette bis ins Zielland, einschließlich Transport und Verzollung. Sie nutzen ihre digitale Infrastruktur, um Sendungsmengen und Dienstleister effizient zu steuern. Für lokale Zustelldienste bleibt meist nur die Last-Mile-Zustellung, die sie in eine Position der Abhängigkeit bringt und Margendruck verursacht.
Postdienste im Umbruch – vom Monopol zum Existenzkampf
Am stärksten betroffen sind die nationalen Postdienste. Das klassische Modell, bei dem jeder Postdienst für sein Land verantwortlich ist und Sendungen von internationalen Partnern übernimmt, gehört der Vergangenheit an. Viele Postdienste haben die Kontrolle über Sendungsmengen verloren. Während einige wenige, wie die Deutsche Post oder La Poste, sich durch Express-Töchter global neu positioniert haben, kämpfen viele – insbesondere europäische Postdienste – mit existenziellen Problemen.
Die früheren Monopolisten werden zunehmend von den Geschäftsmodellen der Marktplätze abhängig, verlieren Marktanteile im Heimatmarkt an Expressdienste und drohen technologisch abgehängt zu werden. Dabei haben Postdienste einen entscheidenden Vorteil: Sie verfügen über das einzige weltweite, autonome und standardisierte IT-System für den Austausch grenzüberschreitender Zoll- und Logistikdaten.
Dieses System erfüllt bereits die Anforderungen der EU und anderer Behörden und wird von der UPU (Weltpostverein), einer UN-Sonderorganisation in Bern betrieben, deren Mitgliederstaaten und benannte Postdienste (darunter die Deutsche Post) es nutzen. Doch es gibt eine entscheidende Einschränkung: Das System ist ein geschlossenes Netzwerk, das kommerziellen Akteuren – die mittlerweile über 90 % des Marktes kontrollieren – nicht offensteht.
Die Postal Prosperity Zone (PPZ) – Eine Antwort auf die Herausforderungen
Angesichts dieser Herausforderungen hat sich die UPU zunehmend für kommerzielle Akteure geöffnet. Neben den traditionellen Postdiensten sind nun auch Marktplätze, Expressdienste sowie Technologie- und Infrastrukturanbieter Teil des neuen UPU Consultative Committee (UPU CC), das inzwischen mehr als 80 % des globalen E-Commerce-Sektors repräsentiert. Im Jahr 2024 initiierte das UPU CC die Postal Prosperity Zone (PPZ), eine strukturierte Implementierungsstrategie, die Postdienste mit einer wettbewerbsfähigen, standardisierten Infrastruktur ausstattet.
PPZ basiert auf einer engen Partnerschaft zwischen Postdiensten, dem UPU Postal Technology Center (betreibt das UPU-IT das IT-System), UPU CC-Mitgliedern wie Marktplätzen und Technologieanbietern sowie nationalen Behörden – insbesondere den Zollbehörden. Ziel ist es, die Postwelt technologisch und logistisch so weiterzuentwickeln, dass sie wieder eine zentrale Rolle im internationalen Versand einnimmt.
Vier Säulen der PPZ-Initiative – Die PPZ-Projekte beruhen auf vier zentralen Säulen:
- Standardisierte IT-Integration zwischen Versendern und Postdiensten:
Das UPU-IT-System wird für kommerzielle Akteure geöffnet. Eine effiziente API-Anbindung ermöglicht den nahtlosen Datenaustausch zwischen Versandhändlern, Postdiensten, Zoll- und Logistikbehörden. Bestehende IT-Systeme bleiben dabei erhalten – Postdienste müssen keine kostspieligen Neuentwicklungen vornehmen. Der größte Vorteil: Mit einer einzigen Integration und einer einheitlicher, standardisierten ID/Barcode-Technologie (gemäß UPU Standard S26) wird der Zugang zu allen Postdiensten weltweit möglich. Das PPZ-Interface ist bereits fertiggestellt und wird derzeit getestet. - Modernisierung der postalischen Verzollung:
PPZ optimiert und digitalisiert den postalischen Verzollungsprozess vollständig. Die Initiative setzt auf automatisierte Pre-Arrival-Risk-Assessments, eine durchgängige Datenintegration mit den Zollbehörden und die vollständige Digitalisierung relevanter Dokumente. Die Konformität mit neuen EU-Anforderungen zur Datenqualität und Compliance ist dabei gewährleistet. Durch engere Zusammenarbeit mit nationalen Zollbehörden können regulatorische Anpassungen umgesetzt werden, um Prozesse effizienter zu gestalten. - Aufbau wettbewerbsfähiger Zoll-und Logistikinfrastrukturen (PPZ eHub):
PPZ-Projekte umfassen die Entwicklung hochmoderner Zoll- und Logistikzentren, die durch Automatisierung und den Einsatz von KI/ML-Technologien effizientere Durchlaufzeiten, höhere Qualität und niedrigere Kosten ermöglichen. Diese Hubs werden in enger Abstimmung mit den Zollbehörden und den kommerziellen Partnern konzipiert und umgesetzt. - Digitale Transformation und operative Erweiterung der Postdienste:
Abhängig von den lokalen Gegebenheiten beinhaltet PPZ verschiedene Technologie- und Automatisierungslösungen, darunter moderne Retourenprozesse, digitale Payment-Modelle (z.B. für DDU) und ein Upgrade (Retrofit) von bestehenden Logistik- und Zustellsystem.
PPZ in der Praxis – das PPZ eHub am neuen Flughafen Oradea in Rumänien
Ein anschauliches Beispiel für die Umsetzung der PPZ-Strategie ist das Projekt der Rumänischen Post in Oradea. Hier entsteht in einer Freihandelszone am neuen Frachtflughafen ein modernes Post-Logistikzentrum, das in Zusammenarbeit mit den Zollbehörden und kommerziellen Partnern realisiert wird. Zu den zentralen Elementen gehören automatisierte Zollabfertigung, Pre-Arrival-Risk-Assessments, digitale Inspektionsverfahren und vollständige Transparenz über Sendungsdaten und Inhalte.
Dieses Modell zeigt, wie Postdienste ihre Rolle als wichtige Akteure im grenzüberschreitenden Handel zurückgewinnen können – mit staatlicher Unterstützung und in enger Kooperation mit dem Zoll, der zunehmend als Partner der Wirtschaft unter Aufrechterhaltung höchster Qualitäts- und Sicherheitsstandards basierend auf neuesten Technologien agiert. Die Rumänische Post etabliert sich dadurch als leistungsfähiger Daten- und Service-Hub für den E-Commerce nach Rumänien und in die gesamte EU.
Effiziente Projektkoordination durch das PPZ-Project Management Office (PMO)
Zur Unterstützung dieser komplexen Projekte wurde eine zentrale Koordinationsstelle geschaffen: das PPZ-Project Management Office (PMO). Diese von Logistic Natives Service UG entwickelte Infrastruktur bietet für die lokalen Postdienste umfassende und straffe Projektplanung und -steuerung, unterstützt Postdienste bei ihrer digitalen Transformation und sorgt für eine enge Abstimmung zwischen den diversen Stakeholdern – von nationalen und internationalen Behörden über die UPU bis hin zu Marktplätzen, Expressdiensten und Technologieprovidern – und den verschiedenen PPZ-Projekten. Derzeit laufen PPZ-Projekte in Marokko, Nigeria, Botswana und Rumänien, Oman wird im April 2025 initiiert. Weitere Projekte auf vier Kontinenten sind in Vorbereitung und werden 2025 starten.
Fazit: PPZ als ein Zukunftsmodell für den globalen E-Commerce
Die Postal Prosperity Zone (PPZ) ist ein digitales Transformationsprojekt, das den grenzüberschreitenden E-Commerce stärkt und für Postdienste eine Zukunftsperspektive bietet. Es bietet kommerziellen Akteuren und Postdiensten gleichermaßen neue Lösungen. Durch standardisierte IT-Anbindungen, modernisierte Verzollungsprozesse und hochleistungsfähige Logistikzentren wird PPZ zu einem Modell, das den globalen Handel effizienter, transparenter und wettbewerbsfähiger macht. (RED)
Quelle: LOGISTIK express Journal Handel & Distanzhandel LE-1/2025