China-Reise der Regierung: Cross Border eCommerce als Chance, Produktpiraterie und Sicherheitsrisiken als Herausforderungen

Chinesische Marktplätze missachten EU-Verbraucherschutz- und Wettbewerbsbestimmungen – Produktfälschungen bescheren Österreich Verluste in Milliardenhöhe.

Produktpiraterie beschert der österreichischen Volkswirtschaft jedes Jahr Verluste in Milliardenhöhe. Bundeskanzler Kurz hat sich hierzu im Rahmen des Handelskolloquiums 2019 bereits mit den CEOs des heimischen Handels ausgetauscht. Für das angekündigte Treffen mit Alibaba-Chef Jack Ma ersucht der Handelsverband den Bundeskanzler im Vorfeld seiner China-Reise, konkrete Maßnahmen für mehr Fairness im Cross Border Handel auf Schiene zu bringen.

Allein im Vorjahr hat der österreichische Zoll pro Tag mehr als 100 gefälschte Markenprodukte aus dem Verkehr gezogen. Heimische Zollbeamte beschlagnahmten 38.513 Artikel im Gesamtwert von 2,6 Millionen Euro, so der aktuelle Produktpirateriebericht 2018 des Finanzministeriums.

Der gesamte Schaden für die österreichische Volkswirtschaft ist beträchtlich: „Mehr als eine Milliarde Euro und knapp 8.000 Arbeitsplätze jährlich kosten uns die Fälschungen, und dabei ist der Handel nur in den Kategorien Kosmetik, Körperpflege, Bekleidung und Schuhe mit eingerechnet. Der tatsächliche Schaden ist noch weit höher“, bestätigt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

„Notice and Take-Down”-Verfahren in der Praxis schwierig.

Der Handelsverband konnte das kriminelle Vorgehen der Fälscher durch zahlreiche Testbestellungen auf populären chinesischen Online-Marktplätzen wie AliExpress nachweisen: „Wir haben Sneakers, T-Shirts und Pullover von namhaften Marken bestellt und auf ihre Echtheit geprüft. Das Ergebnis war eindeutig: fast alle Produkte waren gefälscht, wie uns von Herstellerseite bestätigt wurde“, erklärt Will.

Bei AliExpress werden jedes Jahr hunderte von Beschwerden – sogenannte „Notice and Take-Down”-Verfahren – wegen der Verletzung von Geschmacksmustern und Marken eingereicht. Eigentlich müsste die Plattform schnell und gezielt gegen Rechtsverletzer vorgehen, indem sie einzelne Angebote blockiert oder ganze Accounts sperrt.

In der Praxis jedoch werden rechtswidrige Produkte häufig aufgrund fadenscheiniger Argumente entweder gar nicht gelöscht, oder sie erscheinen nach der Löschung innerhalb von 48 Stunden wieder unter demselben oder einem neuen Profil. Überdies werden die Daten der Rechtsverletzer in der Regel nicht herausgegeben, die für die Einleitung rechtlicher Schritte unentbehrlich sind.

Fälschungen sind aber nur ein Aspekt des im Cross Border Handel schwierigen Verhältnisses zu China. Vielfach entsprechen chinesische Produkte nicht europäischen Sicherheitsbestimmungen, außerdem betreiben asiatische Händler durch die Umgehung der Einfuhrumsatzsteuer-Freigrenze von 22 Euro pro Paket illegalen Steuerbetrug im Ausmaß von mindestens 200 Millionen Euro jährlich allein in Österreich.

„Die von uns aufgedeckten Marktverzerrungen und Verbraucherschutzverstöße verschaffen chinesischen Onlinehändlern einen massiven Wettbewerbsvorteil gegenüber dem europäischen Handel. Markenpiraterie ist ein internationales Problem, das nur gemeinsam mit Beteiligung der betroffenen Akteure, Rechteinhaber und Behörden erfolgreich bekämpft werden kann. Daher erwarten wir uns vom Bundeskanzler, gesetzeswidrige eCommerce-Praktiken im Gespräch mit Präsident Xi Jinping und Alibaba-Gründer Jack Ma aktiv anzusprechen und gemeinsame Lösungen zu finden“, so Will.

Megaprojekt „Neue Seidenstraße“ darf keine Einbahnstraße werden.

Ungeachtet aller Herausforderungen ist China für ganz Europa ein entscheidender Zukunftsmarkt. Aktuell liegt das Reich der Mitte in der österreichischen Importstatistik mit rund 8 Milliarden Euro auf Platz drei. In der heimischen Exportwirtschaft belegt China mit einem Volumen von 3,3 Milliarden Euro den zehnten Rang – mit viel Luft nach oben. Der bilaterale Außenhandel Chinas mit der EU soll sich im nächsten Jahrzehnt mit +80 Prozent dynamisch entwickeln.

Sowohl chinesische Online-Händler als auch die führenden Plattformen müssen jedoch stärker in die Pflicht genommen werden. Nur so können die Chancen etwa aus dem Ausbau des Logistiknetzes über die neue Seidenstraße auch volkswirtschaftlich genutzt werden. „Österreich sollte hier analog zu Deutschland und Schweden vor einzelstaatlichen Schritten nicht zurückschrecken, um für faire Spielregeln im eCommerce zu sorgen. Wir müssen sicherstellen, dass die neue Seidenstraße nicht zur Einbahnstraße wird“, sagt Rainer Will abschließend.

Der Handelsverband unterstützt Händler bei der Eroberung neuer Märkte in Fernost mit seiner Internationalisierungsplattform gateway2asia sowie der Mittelstandsinitiative KMU RETAIL, um Qualitätsprodukte „made in Austria“ noch professioneller platzieren zu können. In Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium und der Außenwirtschaft berät der Handelsverband österreichische Unternehmen etwa beim Markteintritt über die zweitgrößte chinesische eCommerce-Plattform JD.com.

Rückfragen & Kontakt:
Handelsverband
Mag. Gerald Kuehberger, MA
Communications Manager
Tel.: +43 (1) 406 22 36 – 77
gerald.kuehberger@handelsverband.at
www.handelsverband.at

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