Die Hoffnung stirbt zuletzt

120 bis 160 nm (Nanometer). So groß ist das Ding, das die Welt gerade im Würgegriff hält. Aber hey, es hat stets Freunde dabei, und gemeinsam ist man bekanntlich stark. Also tun wir gerade alles, damit wir keinen dieser Freunde mit nach Hause bringen… koste es, was es wolle. Doch es gibt durchaus Grund zu Hoffnung. Nicht nur hat die Menschheit hat schon so manche Krise überstanden – auch für unseren Planeten ist diese kurze Atempause sicher kein Nachteil.

Redaktion: Angelika Gabor.

Egal, welche Zeitung man aufschlägt oder welches Nachrichtenportal man besucht, Meldungen über den Coronavirus beherrschen die Schlagzeilen. Dabei gibt es „den Coronavirus“ in der Form gar nicht – und neu ist er auch nicht. Die Familie der Coronaviren ist seit den 60er Jahren bekannt und sorgt für allerlei Atemwegserkrankungen.

Wer erinnert sich noch an SARS-CoV (Pandemie 2002/2003), oder MERS-CoV (Ausbruch 2012)? Insgesamt sind aktuell sieben „Familienmitglieder“ bekannt, die beim Menschen zu Krankheiten führen, aber wie das in Familien so üblich ist, werden früher oder später noch andere Mitglieder auftauchen. Genau diese zahlreiche Verwandtschaft ist es auch, die zur Eindämmung des Problems beitragen wird: denn die Forschung muss nicht bei Null beginnen, um wirksame Medikamente zu finden, fast täglich gibt es neue Berichte über Fortschritte und Behandlungserfolge. Und natürlich jede Menge Scharlatane, die Profit aus der Unsicherheit der Bevölkerung schlagen wollen. Wer sich nun an den knapp 10 Jahre alten US-Spielfilm Contagion von Steven Soderbergh erinnert fühlt, hat damit nicht so Unrecht. Nur dass es bis zur Marktreife eines Impfstoffes noch länger dauern wird. Selbst die darin vorkommende Idee mit der Lotterie scheint angesichts der aktuellen US-Präsidentschaft gar nicht so abwegig… aber wie dem auch sei, es wird ein Medikament geben und die derzeitige Misere wird ein Ende haben.

Kommen wir zu den positiven Aspekten (ja, auch die gibt es). Wer hätte vor ein paar Monaten gedacht, dass Verkäuferinnen und Erntehelfer systemrelevant sind? Niedrige  Löhne und niedriges Ansehen, aber plötzlich die Helden des Alltags… So manch ein Elternteil wird sich gerade bewusst, dass die schlechten Leistungen des Kindes doch nicht am Lehrpersonal liegen. Und manch Andere erkennen, dass ihr pflegeleichter Sonnenschein durchaus auch ein missratener Satansbraten sein kann. Die Wertschätzung für die Arbeit der Erzieherinnen und Pädagogen ist eindeutig gestiegen.

Viele Menschen rücken in Krisenzeiten näher zusammen, davon zeugen beispielsweise freiwillige Einkaufsdienste für jene Nachbarn, die als Teil der Risikogruppen das Einkaufen meiden sollen. Unternehmer finden kreative neue Wege, ihre Produkte zu vermarkten oder sich breiter aufzustellen. Endlich finden auch mehr KMU die Zeit, eine längst überfällige Digitalisierung vorzunehmen und Webshops einzurichten. Durch erzwungene räumliche Trennung wird vielen erst bewusst, wie wertvoll gemeinsame Zeit ist (ja, auch wir haben unsere erweiterte Familie nicht wie üblich zu Ostern besucht, aber das wird definitiv nachgeholt). Aber abgesehen von all diesen menschlichen Aspekten, die auch viel persönliches Leid beinhalten, vermag doch die Natur am meisten zu faszinieren. Klares Wasser in Venedigs Kanälen, mehr Vögel in geschlossenen Parkanlagen, freie Sicht auf Bergpanoramen ohne Smog. Der Stillstand von Fabrikanlagen und der Wegfall des Individualverkehrs bei gleichzeitiger Reduktion des gewerblichen Verkehrs haben zu einer deutlichen Verbesserung der Luftqualität in allen betroffenen Ländern geführt.

Ein weiterer faszinierender Aspekt der aktuellen Situation ist der Umfang der Hilfspakete, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Wird normalerweise bei Budgetverhandlungen um jede einzelne Million zäh gerungen – Gesundheitswesen, Bildungsressort und Bundesheer klagen seit Jahren über chronische Unterfinanzierung – konnte nun offenbar ein ganzer Stall voller Goldesel gefunden werden. Covid-19-Krisenbewältigungsfonds, Härtefallfonds, COVID-19 Start-up-Hilfsfonds, Kurzarbeits-Budget, Corona-Familienhärteausgleichsfonds… hier fließen nicht Millionen, sondern zig Milliarden. Ältere Semester erinnern sich vielleicht noch an den Song-Klassiker von Jupp Schmitz: Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Geld?

Wir eigentlich nicht, wenn man sich die am 23. April 2020 vorgestellte Prognose des WIFO zur „Wirtschaftlichen Entwicklung im Zeichen der COVID-19-Krise“ ansieht: Für das 2. Quartal 2020 wird mit einer globalen Rezession gerechnet, die selbst die große Depression 1929 in den Schatten stellen soll.

Das WIFO erwartet einen Rückgang der Österreichischen Wirtschaftsleistung um 5¼ % und der Beschäftigung um 1¾ % bei gleichzeitigem Anstieg der Arbeitslosenquote auf 8¾ %. Gemeinsam mit den massiven Steuerausfällen durch geschlossene Geschäfte und höhere Arbeitslosigkeit wird für 2020 ein Budgetdefizit von 7½ % des BIP prognostiziert. Bei noch schlechterer Konjunkturentwicklung könnten es auch 10 % BIP-Rückgang sein – immer abhängig von der weiteren Entwicklung der Pandemie. Diesmal ist Österreich also nicht die Insel der Seligen, sondern in guter Gesellschaft: Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit einem Rückgang der weltweiten Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 um 3 Prozent (ca 8 Billionen Euro), in der Eurozone sogar um 7,5 Prozent – begleitet von einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Aktuell betrifft es 170 Länder, für die der IWF ein schrumpfendes Pro-Kopf-Einkommen erwartet. Und weil Zahlenspiele so viel Spaß machen, hier noch eines des Österreichischen Fiskalrat-Büros: dessen Berechnungen zufolge wird sich die Coronakrise im laufenden Staatshaushalt mit einem Minus von 25,6 Milliarden Euro (6,6 % des BIP) niederschlagen. Damit sprengen wir mit Anlauf die im Rahmen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts erlaubte Defizitgrenze von drei Prozent des BIP.

Dank Aktivierung der „allgemeinen Ausgleichsklausel“ durch die Europäische Kommission dürften wir jedoch ohne Sanktionen davonkommen. Allerdings muss man an dieser Stelle auch erwähnen, dass Österreich sich auch einiges erspart: durch die bessere CO2-Bilanz müssen weniger Emissionszertifikate zugekauft werden, die Zinsen auf Staatsschulden sind gesunken und auch der Ölpreis befindet sich aufgrund von Förderüberschüssen und Nachfrageeinbruch im Sinkflug. Am 20. April lag der Marktpreis pro Barrel Öl erstmals in der Geschichte unter $ 0! (Schade dass das die Tankstelle ums Eck noch nicht weiß).

Schon heute sind Lockerungen fixiert, die den Wirtschaftsmotor wieder starten lassen werden und hinsichtlich der Pandemieopfer ist Österreich noch mit einem blauen Auge davongekommen. Es wäre schön, wenn der Zusammenhalt nach der Krise erhalten bleibt – und die Erkenntnis, dass Gewinn nicht alles ist. (AG)

Quelle: LOGISTIK express Journal 2/2020

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