eCommerce Logistik-Day lieferte Antworten auf Zukunftsfragen

Der 2. eCommerce Logistik-Day des Instituts des Interaktiven Handels (IDIH) in Kooperation mit LOGISTIK express zeichnete ein exzellentes Bild von den Wachstumschancen durch gut organisierte Prozesse entlang der Supply-Chain der E-Commerce-Branche. Neben Fakten, Tipps und Anregungen bot die Veranstaltung vor allem Eines: Die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen – auch über den eigenen Tellerrand hinaus. 

Konzepte, die unsere Einkaufsgewohnheiten von morgen bestimmen, werden tagtäglich irgendwo auf der Welt neu hervorgebracht. Einige völlig neue Shopping-Ideen kommen aus Asien, wie zum Beispiel die selbstfahrenden, mobilen Supermärkte, die zurzeit den Online-Shoppern in Shanghai den Einkauf direkt vor die Haustür bringen. Oder der Autokauf aus dem Automaten in fünf Minuten – eine Idee, von der sich der chinesische E-Commerce-Riese alibaba auf weite Sicht Erfolg verspricht. Shopping-Apps und Internet-Marktplätze bringen für den Kunden teilweise völlig neue Formen des Einkaufserlebnisses hervor, auf die auch der stationäre Handel laut Bernd Kratz, Inhaber der E-Commerce-Beratung EMA GmbH und Co-Founder des Instituts des Interaktiven Handels GmbH (IDIH), schnellstmöglich eine Antwort liefern muss.

Jammern, mahnte der E-Commerce-Experte und Moderator des 2. eCommerce Logistik-Day, sei keine unternehmerische Aktivität. „Online ist mittlerweile der Showroom des stationären Handels. Wenn der stationäre Handel zum Beispiel statt der vielen Prospekte in Papierform mehr in gute Webauftritte investieren würde, wäre schon viel gewonnen.“

Beim 2.eCommerce Logistik-Day am 28. September 2017 in Wien wurde deutlich: Jährliche Wachstumssteigerungen um 10 Prozent und mehr bringen für Shopbetreiber und Online-Marktplätze zwar immense Chancen mit sich – gleichzeitig sind damit aber auch erhebliche logistische und gesellschaftliche Herausforderungen verbunden. Wer als Online-Händler mit der starken Entwicklung der Branche mitwachsen will, muss auf die unberechenbare Dynamik des Marktes, den sich immer weiter zuspitzenden Fachkräftemangel in den Verteilzentren, dem drohenden Verkehrsinfarkt in den Städten sowie auf die permanent steigenden Ansprüche der Online-Käufer die richtige Antwort finden.

„Die Kunden erwarten, dass ihnen das Paket folgt und nicht der Kunde dem Paket“, brachte Günther Birnstingl, Managing Director DHL (Paket) Austria GmbH und Mitinitiator des eCommerce Logistik-Day die für die Logistik auf der letzten Meile herausragende und zugleich herausfordernde Zukunftsanforderung auf den Punkt.

„Wir werden das Paketvolumen bereits in drei Jahren verdoppelt haben. Der Pro-Kopf-Konsum an Paketen steigt langfristig gesehen überdimensional zur  Bevölkerungsentwicklung.“

Mehr Flexibilität durch Automatisierung
Die Konsequenzen daraus sind in allen Bereichen entlang der Wertschöpfungskette des digitalen Handels zu finden. So wächst auch in den Logistikzentren der Online-Versender – den Orten, wo die Pakete ihren Ursprung haben – zunehmend die Not, das steigende Versandvolumen mit den zur Verfügung stehenden personellen Kapazitäten zu bewältigen. Täglich lange Wegstrecken zurückzulegen und schwere Kisten zu schleppen – das Aufgabenspektrum der Beschäftigten im Logistikbereich fordert seinen Tribut. Zusehends nehmen die Probleme zu, qualifiziertes Fachpersonal für die teilweise recht beschwerliche Arbeit zu finden. Samay Kohli, CEO des erfolgreichen indischen Robotik-Start-ups GreyOrange stellte beim eCommerce Logistik-Day 2017 die These in den Raum, dass vor dem Hintergrund der dynamischen Entwicklung  von Markt und Technik schon im Zeitraum der nächsten zehn Jahre kaum mehr Menschen mit der Abwicklung der Versandvolumina in den Paketfabriken beschäftigt sein werden.

Robotik-Lösungen wie der von GreyOrange entwickelte „Butler“ sind in der Lage, die durch den Fachkräftemangel entstandene Personallücke in den Logistikzentren zu schließen. Das Konzept: Kleine Roboter bringen die Regale mit den von den Kunden bestellten Artikeln flink und flexibel zur Pickstation. Batch und Order Picking erledigen sich zeitsparend in einem Prozess. Noch während gepickt wird, besteht die Möglichkeit, die Regale erneut aufzufüllen. „Wir leben in einer sehr dynamischen Welt“, so die Kernaussage von Samay Kohli, der extra für die Veranstaltung aus Singapur eingeflogen kam. „Kaufentscheidungen ändern sich täglich. Was Unternehmen brauchen, sind intelligente, skalierbare und flexible Automatisierungslösungen sowie effiziente Abläufe in den Lagern durch Softwaresteuerung und Machine-Learning.“

Auch im Konzept des Münchener Robotik-Start-ups Magazino ist der Roboter der Dreh- und Angelpunkt. Anders als beim „Butler“ von GreyOrange erledigen die Roboter, die – abhängig von den jeweiligen Einsatzbereichen auf die Namen TORU, SATO und KADO hören, allerdings selbst den Pick. Die E-Commerce-Lösung TORU setzt sich aus einer mobilen Basis, einer ausfahr- und drehbaren Säule mit Greifsystem sowie einem herausnehmbaren Regal zusammen. Durch den Einsatz von kamera- und sensorbasierten Techniken ist der Magazino-Roboter in der Lage,  sich „sehenden Auges“ durch das Lager zu bewegen und Echtzeit-Entscheidungen zu treffen. Aufgenommen wird bislang noch alles, was quaderförmig ist. Laut Christian Zillner, Sales Manager der Magazino GmbH, solle sich das aber in absehbarer Zeit ändern. „Das wichtigste Ziel für uns ist der Griff in die Kiste“, so die Aussage des Robotic-Experten auf dem Podium des eCommerce Logistik-Day im Rainer‘s Hotel Vienna. Es sei anvisiert und möglich, dieses Ziel bis Ende 2019 umzusetzen.

Retouren und Verpackung – zwei essentielle Themen
Der Einsatz von Robotik und anderen Automatisierungstechniken spielt auch in Anbetracht des immer größer werdenden Aufkommens bei den Retouren eine wichtige Rolle. Im Vortrag von Risto Pfalz, Geschäftsführer des Instituts des Interaktiven Handels (IDIH) und Gesellschafter der Bernhard Unternehmensberatung aus Hamburg, wurde allerdings deutlich, dass die Kernaufgabe der Branche zuallererst in der Umsetzung eines qualifizierten Retourenmanagements besteht. „Es ist wichtig, sich gründlich mit den Kunden auseinanderzusetzen“, appellierte der Branchenexperte an die Teilnehmer des eCommerce Logistik-Day. „Sie müssen Kunden, die Retouren als Umkleidekabinen missbrauchen, identifizieren.“ Treten die Probleme mit gewissen Kunden häufiger auf, habe es  durchaus „heilende Effekte“, Bestellungen auch mal zu stornieren, oder sich mit dem Kunden über Nachnahmelieferungen auszutauschen.  Um die negativen Kosteneffekte hoher Retourenquoten abzuschwächen, gab Pfalz den Teilnehmern als Tipp auf den Weg, mit dem KEP-Dienstleister über die Qualität der Zustellung zu sprechen. Er empfiehlt aber auch zu überprüfen, ob die verwendeten Verpackungen den Anforderungen an Bestellung und Retournierung genügen.

Mit der Verpackung steht und fällt zwar das Brot- und Buttergeschäft der Branche. Doch der 2. eCommerce Logistik-Day brachte die einprägende Erkenntnis hervor, dass es noch immer zahlreiche Unternehmen gibt, die sich zu wenig mit der strategischen Bedeutung des Themas befassen. „Es werden noch immer 30 bis 50 Prozent Luft transportiert“, mahnte Harald Schönfeld, Generaldirektor des in Karlsruhe ansässigen Verpackungsgroßhändlers RAJAPACK. Angesichts des feststellbaren Trends zum Volumengewicht bei den Versandkostenberechnungen sei dringend zu empfehlen, sich in dieser Hinsicht mit geeigneten Gegensteuerungsmaßnahmen zu befassen.

Die von Michael Mäder, Produktmanager beim Verpackungsmaschinenhersteller XPROMA, vorgestellte, vollautomatische Verpackungs- und Versandlösung „CMC CartonWrap“ erfüllt die angesprochene Vorgabe. Die Maschine ist in der Lage, durch dreidimensionale Vermessung der einzelnen Versandartikel individuell und exakt auf den bestellten Warenkorb zugeschnittene Versandverpackungen zu kreieren.  Und sie arbeitet schnell: Laut Mäder ist es möglich, mit der vollautomatischen Versandlösung bis zu 1.000 Versandboxen in der Stunde herzustellen.

Wird sich Same-Day-Delivery durchsetzen?
Am Ende eines unterhaltsamen und lehrreichen Tages für Österreichs Logistiker im E-Commerce drehte sich alles um Fragestellungen wie: Hat der digitale Handel auch im Bereich der Frischwarensortimente das Potenzial, traditionelle Ladengeschäfte zu verdrängen? Und wächst mit der Begeisterung für das Shopping im Netz gleichzeitig auch die Bereitschaft der Kunden, für schnelle Same-Day-Lieferungen etwas mehr zu bezahlen? Stefan Grad, CEO & Managing Director der E-Commerce-Beratung A-COMMERCE sieht die Entwicklung eher skeptisch: „In den ländlichen Regionen ist es für Logistikdienstleister sowieso schwierig, flächendeckend Same-Day-Delivery anzubieten.“ Die hohe Filialdichte sei dagegen ein großer Hemmschuh für die Umsetzung taggleicher Services in den Städten. Umut Kivrak, Geschäftsführer und Mitbegründer des Lebensmittellieferdienstes Yipbee hielt dagegen: „Gerade ältere Menschen profitieren davon, wenn sie ihre Einkäufe nicht mehr nach Hause schleppen müssen, sondern stattdessen auf Lieferservices zurückgreifen können.“ So bleibt als Fazit unterm Strich: Das Einkaufsverhalten wird sich in den nächsten Jahren radikal ändern. Doch welche Trends sich wirklich durchsetzen werden, bleibt vorerst ungewiss. (WAL)

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