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Fraunhofer Austria hat ein Leuchtturm-Logistik-Projekt aufgesetzt, das den Weg in die Zukunft aufzeigt. Logistik express sprach mit Martin Riester, Center Direktor für nachhaltige Produktion und Logistik bei Fraunhofer in Österreich.
Was kommt auf den Logistiker zu? „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“. Dieses vor mehr als 200 Jahren von Friedrich Schiller ausgesprochene Zitat hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Gerade die Logistik-Branche ist immer wieder aufs Neue gefordert sich Veränderungen anzupassen, gefordert mit der Zeit zu gehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Zukunft im Blick zu haben. Was die bestimmenden Faktoren in der Zukunft sein werden fasst Fraunhofer Austria in einem aktuellen Leuchtturm-Konzept mit dem Titel „shared logistics“ konkret zusammen. Dieses beschreibt die synergetische und effektive Nutzung alle Elemente logistischer Wertschöpfungsketten zur Steigerung von Kollaboration, Transparenz, Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit. Martin Riester, Center Direktor für nachhaltige Produktion und Logistik bei Fraunhofer in Österreich legt den Inhalt dieses Konzepts allen Logistikern als Lesefrüchte dringend ans Herz, weil es neue Denkansätze und Handlungsweisenfür die Zukunft in der Logistik in den Brenn-punkt rückt.
„Das Konzept haben wir bei Fraunhofer in Öster-reich entwickelt und es kombiniert Logistik, Mobilität und Transport und basiert auf einer klar nachvollziehbaren Struktur“, betont Riester im Gespräch mit Logistik express. An oberster Stelle rangieren digitale Werkzeuge und intelligente Steuerung für shared economy-Plattformen. Darunter vertikal angesiedelt sind kooperative Logistiknetzwerke und horizontale Kollaboration im Güterverkehr, integrierte Personen- und Gütermobilität, ressourcenschonende Logistik-infrastruktur mit optimaler Automatisierungs-technik sowie attraktive und zukunftsfeste Arbeitsgestaltung in Lagerwirtschaft und Lager-logistik. Das ist verbunden mit Datenökonomiesystemen und unternehmensübergreifender Datennutzung. Heute haben viele Logistik mitunter nachvollziehbar berechtigte Ängste sensible Daten aus dem eigenen Haus an Dritte entlang der Supply Chain weiterzugeben.
Riester: „Logistiker sollten ihre Ängste überwinden, denn ohne unternehmensübergrei-fende Datentransfers wird Logistik in Zukunft nicht optimal funktionieren“, plädiert der Experte. Die Mobilität von Personen und Gütern wird in Zukunft nahtlos ineinander übergehen, das ist ein klar erkennbarer Trend und dieser wird sich noch verstärken und führt zu einer ganzheitlichen Symbiose in Unternehmensnetzwerken. Die Basis dafür stellt eine kollaborative und unternehmensübergreifende Nutzung von Daten und Ressourcen wie Menschen, Maschinen und Transportmittel dar. Welche Daten benötigt man im Unternehmen, um Wettbewerbsvorteile generieren zu können und wie lassen sich diese Daten am besten beschaffen, das ist in Zukunft das zentrale Thema. Logistiker sollten sich diesen Fragen gegenüber offen zeigen. Es ist durchaus machbar, sensible Daten nicht direkt weiterzureichen, sondern beispielsweise über eine Plattform zu neutralisieren, um auf Nummer sicher zu gehen, wie Riester betont. Wie sich Personen- und Gütertransport kombinieren lassen zeigt ein Beispiel in Wien.
In einer Machbarkeitsstudie der Wiener Linien gemeinsam mit Fraunhofer Austria wurde abgefragt, wie sehr Fahrgäste der Wiener Linien bereit wären in den Öffis Pakete mitzunehmen. Dabei wurden 6.000 Personen befragt und das Fazit ist: Überwältigende 90 Prozent würden es vorteilhaft finden wenn an ihrer Zielhaltestelle ein Paket auf sie wartet. Denn auch wenn man selbst kein Paket transportiert, könnte man so von diesem Service profitieren. Rund 67 Prozent der Befragten würden auch selbst während einer Fahrt ein Paket mitnehmen. Mittels QR-Codes könnten Fahrgäste das Packerl in Paketboxen bei Öffi-Stationen abholen und ablegen. Um den dazugehörigen Liefer-Verkehr und damit auch Staus in der Stadt zu reduzieren, könnten die Fahrgäste der Wiener Linien Pakete emissionsarm ans Ziel bringen. Bis zu 20 Prozent der derzeit durch die Pakettransporte entstehenden Treibhausgase könnten durch Fahrgäste als Paketzusteller eingespart werden. Derzeit unterliegen Logistiknetzwerke in den meisten Fällen der direkten Planung und Steuerung eines einzelnen Akteurs beispielsweise Warenversender, Einzelhändler oder Logistiker. Die jeweiligen Wertschöpfungsketten werden ohne die Integration von Informationen über die Grenzen des eigenen Versorgungsnetzwerks hinaus geplant.
„Das bedeutet in der Praxis einen Wettbewerbsnachteil“, stellt Riester nüchtern fest. Besser wäre es Ressourcen entlang der Supply Chain integrierter zu planen. Das setzt Datentrans-parenz und Integration von Informationstechnologien voraus. Notwendig dabei ist allerdings die Bereitschaft von Wettbewerbern untereinander zur Kooperation aus Basis klarer rechtlicher und regulatorischer Rahmenbedingungen und Kreation neuer Geschäftsmodelle. Das Fraunhofer-Konzept versteht sich als Leuchtturm und enthält Lösungs- und Diskussionsansätze für Forschung und Entwicklung, mit denen künftige Entwicklungen gefördert werden sollen, fasst Riester zusammen. Es soll eine Plattform entstehen, in der Fraunhofer Austria mit Partnern und Interessierten in Österreich und Europa kooperiert und alle Interessierten seien eingeladen, auf diesen Leuchtturm zu kommen, um von dort aus neue Horizonte zu erschließen. (RED)
Quelle: LOGISTIK express Journal 2/2025: Intralogistik & E-Commerce