Europaweites Novum im Güterverkehr: SBB Cargo startet mit automatischer Kupplung
Seit Anfang Mai verkehren Züge von SBB Cargo mit automatischen Kupplungen. Rund 100 Güterwagen und 25 Loks für den kombinierten Binnenverkehr sind zu diesem Zweck im letzten Jahr umgerüstet worden. Dies ist ein erster, wichtiger Schritt Richtung Teilautomatisierung auf der letzten Meile des Bahnbetriebs. SBB Cargo ist damit Pionierin in Europa. Der Bund unterstützt das Pilotprojekt mit einem Investitionsbeitrag und erhofft sich davon Impulse für die nötige Modernisierung des Schienengüterverkehrs.
Automatische Kupplungen sind ein erstes, wichtiges Element, um den Schienengüterverkehr effizienter, pünktlicher und damit konkurrenzfähiger zu machen. Dank der neuen Kupplungen wird der Rangiervorgang beschleunigt und sicherer. Wagen untereinander und Lokomotiven werden automatisch zusammengehängt – ohne Verletzungsgefahr für den Rangierarbeiter. Zum Trennen der Wagen ist nur ein Handgriff nötig. Heute erfolgen noch sehr viele Arbeiten manuell, was zeit-, personal- und kostenintensiv ist.
Rationalisierungsschritte sind im Schienengüterverkehr dringend nötig. Der Nachholbedarf hinsichtlich technischer Neuerungen ist erheblich. Dazu kommt, dass sich der Logistikmarkt in einem fundamentalen Wandel befindet. Der Trend zu kleineren Sendungsgrössen und der Technologiefortschritt der Strasse fordern den Schienengüterverkehr stark. Umgekehrt bieten die Veränderungen am Markt und die neuen technologischen Möglichkeiten viele Chancen: SBB Cargo will die zwingend notwendige Modernisierung als Pionierin aktiv gestalten, um gegenüber der Strasse ihre Konkurrenzfähigkeit zu erhöhen und für Kunden ein verlässlicher Partner zu sein.
Der Bund unterstützt die von SBB Cargo vorangetriebene Automatisierung. Gestützt auf das Gütertransportgesetz kann er technische Neuerungen im Schienengüterverkehr finanziell fördern, um eine effiziente und nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Die Kosten der Umrüstung des Rollmaterials betragen insgesamt rund 15 Millionen Franken, der Bund steuert davon rund 9 Millionen Franken bei. Peter Füglistaler, Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV), lobte an der heutigen Medienkonferenz den Pioniergeist von SBB Cargo. Er wies aber auch darauf hin, dass der Innovationsschub nur dann seine volle Wirkung entfalten kann, wenn andere Akteure, wie beispielsweise die privaten Wagenhalter, mitziehen und in ihre Wagen investieren. Nur so können die technischen Neuerungen flächendeckend umgesetzt und die Produktionsabläufe koordiniert werden. «Das ist eine Voraussetzung dafür, dass der Schienengüterverkehr den steigenden Anforderungen der verladenden Wirtschaft und der Logistik gerecht werden kann», sagte Füglistaler.
SBB Cargo sucht Lösungen mit europäischen Partnerbahnen.
Nicolas Perrin, CEO von SBB Cargo hebt hervor, dass das Unternehmen keinen Schweizer Alleingang, sondern Lösungen für europäische Standards anstrebe. «Das gemeinsame Vorgehen ermöglicht es uns, den Güterverkehrssektor gemeinsam weiterzuentwickeln und von den Vorteilen gleichermassen zu profitieren.» In vielen Projekten, wie bei der Entwicklung der automatischen Kupplung und der automatischen Bremsprobe, arbeitet SBB Cargo mit europäischen Partnern zusammen. So beispielsweise mit Unternehmen wie Voith, PJM, VTG oder den Güterbahnen Rail Cargo Austria und Mercitalia.
Seit Sommer 2018 hat SBB Cargo rund 100 Wagen und 25 Loks mit automatischen Kupplungen ausgerüstet; am 6. Mai wurde der Regelbetrieb aufgenommen. Die Güter im kombinierten Verkehr, also Containerverkehre, werden seither zwischen dem Hub in Dottikon und den Terminals in Dietikon, Oensingen, Renens, Cadenazzo und Lugano Vedeggio transportiert wie auch zu den Standorten Biasca und Mendrisio. «Für das Vorhaben wurden vorgängig rund 200 Mitarbeitende eingehend geschult», erklärt Jasmin Bigdon, Leiterin Asset Management von SBB Cargo, und ergänzt: «Der Betrieb läuft seit Einführung der automatischen Kupplung stabil.»
Zustellung auf letzter Meile mit einem statt zwei Mitarbeitenden.
Beim Rangierpersonal ist ein erheblicher Fachkräftemangel absehbar. Schon jetzt sind freie Stellen nur schwer zu besetzen. Angesichts der zu erwartenden Pensionierungen wird sich die Situation in den nächsten Jahren erheblich verschärfen. Die automatische Kupplung ist ein erster, wichtiger Schritt Richtung Teilautomatisierung auf der letzten Meile des Bahnbetriebs. Nebst der automatischen Kupplung gehören die automatische Bremsprobe sowie ein Kollisionswarnsystem dazu. Diese drei Elemente ermöglichen zusammen den Ein-Personen-Betrieb, also eine Zustellung mit nur einem Mitarbeitenden statt bisher mindestens zwei Mitarbeitenden.
Ein-Personen-Betrieb: Die drei wichtigen Komponenten.
Auf allen Wagen, die mit der automatischen Kupplung (Komponente 1) ausgerüstet sind, wurde zudem das System für die automatische Bremsprobe (Komponente 2) installiert. Dieses wird 2019 intensiv getestet und voraussichtlich im Frühjahr 2020 mit allen Sicherheitsfunktionen in Betrieb genommen. Heute dauert die manuelle Bremsprobe bei einem 500 Meter langen Zug bis zu 40 Minuten; automatisiert noch 10 Minuten.
Das Kollisionswarnsystem (Komponente 3) auf der Rangierlok besteht aus einer mit visuellen und akustischen Signalen weiterentwickelten Funkfernsteuerung. Erste Tests laufen bereits.
Dies sind die Schritte der automatischen Zugvorbereitung, mit welcher die gesamte Zugvorbereitungszeit massiv verkürzt wird. Der Einsatz dieser drei neuen Techniken verändert den Rangierberuf und macht ihn insgesamt effizienter, vielfältiger und sicherer. SBB Cargo nutzt die Automatisierung zudem, um anstehende Pensionierungen kompensieren zu können.
Quelle: SBB Cargo, Bild: © Foto SBB CFF FFS / Joachim Bertsch