Freihandelsabkommen in der praktischen Anwendung

Viele Unternehmen tun sich schwer, die bestehenden Freihandelsabkommen effektiv zu nutzen. Mit IT Unterstützung lassen sich Lieferantenerklärungen, komplexe Ursprungsregeln und allfällige Risiken jedoch relativ einfach managen und Vorteile ausschöpfen.

Freihandelsabkommen (FHA) sollen Firmen den Zugang zu ausländischen Märkten erleichtern, ihnen Zollabgaben sparen und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Die Schweiz hat neben der EFTA-Konvention und dem Freihandelsabkommen mit der EU zwei bilaterale Abkommen (Japan, China) und darüber hinaus 28 Freihandelsabkommen mit 38 Partnern im Rahmen der EFTA rechtsgültig abgeschlossen.

Freihandelsabkommen bringen keine komplette Zollfreiheit. Meist sind gewisse Warengruppen (z.B. Agrarprodukte) vom Freihandel ausgenommen. Die übrigen Zolltarife sinken gemeinhin nur stufenweise über mehrere Jahre. Jedes Abkommen sieht unterschiedliche, zum Teil sehr komplexe Verfahren und Ursprungsregelungen vor, die eingehalten werden müssen. Das mit der VR China abgeschlossene FHA ist besonders anspruchsvoll in der Umsetzung.

Prozesse abstimmen und kontrollieren
Ausgangspunkt für eine effektive und risikofreie Nutzung von Präferenzabkommen ist eine sorgfältige Evaluierung der Supply Chain und der eigenen Prozesse. Dabei sollten folgende Fragen beantwortet werden:

  • Welche FHA sind für meine Im- und Exporte relevant?
  • Welche Vorgaben betreffen mein Unternehmen? Wie sehen die Vorschriften konkret aus?
  • Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen? Dazu gehört die Abklärung der Ursprungseigenschaft von Zulieferteilen und Herstellungserzeugnissen, eine korrekte Produktklassifizierung aller Vorprodukte und des Exportprodukts, die Zuordnung der Zolltarif-Nummern, eine korrekte Pflege der Stammdaten und nachvollziehbare Präferenzkalkulationen unter Berücksichtigung der Exportkalkulationen sowie der Bedingungen der jeweiligen Freihandelsabkommen.
  • Welche Software kann mich beim Sammeln und Weiterleiten der notwendigen Daten und Dokumente unterstützen? Bei der Produktklassifizierung, Zuordnung der Exportkontroll- und Zolltarif-Nummern, Einholen/Erneuern/Validieren/Archivieren der Lieferantenerklärungen, Kalkulation des Ursprungs, Management der Präferenzursprungszeugnisse. Welche Probleme sind zu vermeiden?
  • Wer kontrolliert wann wo wie die korrekte Ausführung in meinem Unternehmen? Hierfür ist es unerlässlich, dass sich die am Prozess beteiligten Unternehmensbereiche von der Beschaffung über die Produktion und den Vertrieb, bis hin zur Logistik und IT abstimmen und effektive Kontrollprozesse installieren.
  • Wie wird die Umsetzung dokumentiert?
  • Wer überwacht Veränderungen im Welthandel (Gesetze, Währungskurse usw.) und im eigenen Unternehmen, die Einfluss auf Lieferketten und Präferenzkalkulationen haben könnten (Monitoring)?
  • Wer veranlasst welche Massnahmen bei Gesetz-, Zolltarif- (bei stufenweisem Abbau), Produktionsänderungen, Lieferantenwechseln etc.?
  • Wer kontrolliert die Umsetzung der Korrekturen? Welche Softwarelösung kann bei Kontrollen und Korrekturen helfen?

Insbesondere im Bereich der Beschaffung sind im Vorfeld von geplanten Veränderungen (Lieferantenwechsel, neue Transportrouten, Zwischenlager), die Auswirkungen auf die Ursprungskalkulation beim Import und auf die Herstellungsprozesse sowie ggfs. den Export zu überprüfen. Das erzielte Einsparpotential kann unter Umständen zu einem Ausschluss aus einer Präferenz für das Enderzeugnis führen. Dann könnte der Regelzollsatz anstatt der Zollbefreiung zur Anwendung kommen. Nicht immer führt ein niedrigerer Einkaufspreis zu niedrigeren Gesamteinstandskosten oder zu einer höheren Marge beim Endprodukt.

Im grenzüberschreitenden Warenverkehr mit der EU sind aufgrund des Freihandelsabkommens Schweiz-EU nur eine Warenbescheinigung EUR.1 oder eine Ursprungserklärung auf der Rechnung notwendig, die sich jeweils auf eine bestimmte Sendung bezieht. Es braucht keine Lieferantenerklärung.

Lieferantenerklärungen automatisiert einholen
Bei einer breiten Streuung von Lieferquellen für Vormaterialien und Erzeugnisse kann das Einholen von Lieferantenerklärungen zur Belegung des Produktursprungs sehr zeitaufwendig sein. Zudem werden je nach Handelsabkommen zum Teil unterschiedliche Informationen für einen Ursprungsnachweis verlangt. Auch die Gültigkeitsdauer solcher Nachweise kann variieren. In der Schweiz müssen Lieferantenerklärungen als Ursprungsnachweise mindestens drei Jahre aufbewahrt werden.

Zahlreiche Softwarehäuser bieten Module, die Massenanfragen wie auch individuelle Anfragen an Lieferanten erleichtern und gezielt Informationen erheben, die den Präferenzanspruch der Ursprungszertifikate gemäss der relevanten Handelsabkommen stützen. Anfragekampagnen können gezielt auf spezifische Handelsabkommen, Produktgruppen oder Artikel abgestellt werden. Die Ausführung erfolgt per E-Mail direkt an die Lieferanten. Die Module sollten skalierbar sein und ein Content-Plug-in für jedes genutzte FTA mit Lieferantenfragebögen, Hersteller- und Lieferantenunterlagen und Ursprungsregeln enthalten. Idealerweise antworten die Lieferanten nicht per E-Mail sondern geben ihre Informationen direkt über ein sicheres Portal in ihr IT-System ein. Sämtliche Eingaben sollten dann validiert werden, um Korrektheit und Vollständigkeit zu gewährleisten.

Die Zollverwaltung ist befugt, die Echtheit und Richtigkeit von Lieferantenerklärungen jederzeit zu überprüfen. Für firmeninterne oder Zoll-Audits ist es auch wichtig, dass die gesamte Korrespondenz zum Thema Lieferantenerklärungen, Fragen und Antworten und die Anforderung von Zusatzinformationen, automatisch archiviert wird. Das stützt den effizienten Informationsfluss zwischen Lieferant und Importeur auch bei wechselnden Sachbearbeitern.

IT-Kompetenz ist gefragt
Mit Management-Software für Freihandelsabkommen können Im- und Exporteure durch die Automatisierung ressourcenintensiver Schritte die Zeit für die Qualifizierung von Waren für ein Freihandelsabkommen deutlich reduzieren: Einholung von Lieferanteninformationen, Einhaltung der Ursprungsregeln und Analyse der Stücklisten (Bill of Material/BOM).

So können Verwaltungskosten gesenkt, Zölle und Transportkosten minimiert werden. Auch die Compliance wird verbessert. Falsche oder nicht gerechtfertigte Ursprungsangaben auf präferenziellen Ursprungsnachweisen können nämlich nicht nur wirtschaftliche Einbussen zur Folge haben, sondern auch strafrechtliche Zollverfahren für den Exporteur und den Empfänger auslösen. Firmen sollten daher alle Prozesse automatisch, auditierbar dokumentieren.

Autor:  Thomas Kofler
Geschäftsführer, Amber Road Switzerland AG, in Feusisberg SZ
http://de.amberroad.com

 

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