Freihandelsabkommen mit Asien – eine Standortbestimmung

Aufgrund der Bedeutung des Asienhandels für Europa hat die EU in den letzten Jahren bei den Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit den Ländern in dieser Region Gas gegeben. Bei den Konsultationen mit dem wichtigsten Partner, China, harzt es allerdings.

Redaktion: Arne Mielken.

Der Coronavirus hat Asien und die Lieferketten von und nach Fernost weiterhin fest im Griff. Die wirtschaftlichen Auswirkungen werden sich in Deutschland noch bemerkbar machen, wenn die Epidemie längst abgeklungen ist. Selbst, wenn die Globalisierung nach dieser Erfahrung ein Stück zurückgedreht wird, bleiben Präferenzabkommen wichtig. Insbesondere für Unternehmen, bei denen die Nachfrage drastisch eingebrochen ist und die aufgrund der Cornavirusepidemie finanziell unter Druck sind, bieten umfassende Freihandelsabkommen (FHA), die weit über Zollsenkungen und den Warenverkehr hinausgehen, einen Mehrwert. Das erste dieser neuen Generation FHA wurde 2011 mit Südkorea abgeschlossen. Es folgten Abkommen mit Japan, Vietnam und Singapur. Die EU hat außerdem Verhandlungen über FHA mit Indonesien und den Philippinen sowie Malaysia, Thailand und Indien aufgenommen. Diese liegen jedoch aus politischen Gründen auf Eis. Darüber hinaus gibt es Gespräche über bilaterale Investitionsabkommen mit China und Myanmar. Die EU prüft zudem, ob ähnliche Verhandlungen mit Taiwan und Hongkong aufgenommen werden können.

Singapur und Vietnam.
Nachdem die EU 2014 ein erstes Freihandelsabkommen (FHA) mit Singapur unterzeichnet hatte, stimmte das EU-Parlament am 13.02.2019 für drei umfassendere Abkommen: ´EU-Singapore trade and investment agreements´ (EUSFTA), ´EU-Singapore investment protection agreement´ (EUSIPA) und ´EU-Singapore Partnership and Cooperation Agreement (ESPCA). Diese müssen allerdings noch ratifiziert werden. Das EUSFTA soll binnen fünf Jahren zum Abbau praktisch aller Zölle zwischen der EU und Singapur führen. Die Anerkennung von geografischen Herkunftsbezeichnungen eröffnet zudem viele neue Exportchancen.

Der Stadtstaat Singapur ist zwar klein, aber der fünfzehntgrößte Handelspartner der EU. Mehr als 10.000 europäische Unternehmen sind hier aktiv. Der Warenverkehr in beide Richtungen hat einen Wert von insgesamt über 53 Milliarden Euro. Bei Dienstleistungen beträgt das Handelsvolumen rund 51 Milliarden Euro. Singapur ist eine Drehscheibe des globalen Warenaustauschs, wichtiger Finanzstandort, Forschungszentrum und beliebte Destination für Investitionen aus dem europäischen Wirtschaftsraum.

Das Freihandelsabkommen der EU mit Vietnam ist das umfassendste Handelsabkommen, das die EU je mit einem wirtschaftlich aufstrebenden Land abgeschlossen hat. Durch das Abkommen werden fast alle Zölle (über 99%) zwischen der EU und Vietnam beseitigt. Für einige sensible landwirtschaftliche Produkte der EU wurden Zollkontingente vereinbart: Reis, Mais, Knoblauch, Pilze und Zucker. Vietnam hat sich verpflichtet, fast alle seine Exportzölle abzuschaffen und den Marktzugang für EU-Unternehmen im Dienstleistungssektor, insbesondere bei Post- und Kurierdiensten, Umweltdienstleistungen, Banken und Versicherungen und Seeverkehr, zu verbessern. Das Abkommen wird es EU-Unternehmen ermöglichen bei öffentlichen Ausschreibungen der vietnamesischen Zentralverwaltung, einschließlich Infrastrukturprojekte, der wichtigsten staatlichen Unternehmen sowie der beiden größten vietnamesischen Städten Hanoi und Ho-Chi-Min-Stadt mitzubieten. Durch das Handelsabkommen werden auch anerkannte geographische Angaben von europäischen Lebensmitteln in Vietnam geschützt.

Südkorea, Japan.
Im Dezember 2015 trat das FHA mit Südkorea formell in Kraft, nachdem es seit Juli 2011 bereits vorläufig angewendet worden war. Seit der Ratifizierung sind rund 98,7% aller Zölle entfallen. Dadurch konnten Exporteure und Importeure erhebliche Zollzahlungen einsparen und den Handel weiter ausbauen Mit dem Abkommen wurden außerdem Sektor übergreifend nichttarifäre Hemmnisse u.a. in der Automobil- und Arzneimittelindustrie sowie der Unterhaltungselektronik beseitigt. Viele europäische Normen und europäische Bescheinigungen wurden in Südkorea als gleichwertig anerkannt, und geografischen Angaben der EU sind jetzt geschützt. Die Ursprungsregeln wurden vereinfacht.

Bei den FHA und Investitionsschutzabkommen mit Japan (JEFTA) standen ebenfalls tarifäre wie nicht-tarifäre Handelshemmnisse und Sonderregelungen für bestimmte Wirtschaftszweige im Vordergrund. Im Gegenzug zu Konzessionen im Agrarbereich – so können künftig verarbeitetes Schweinefleisch, aber auch bestimmte Käsesorten und Wein aus der EU zollfrei nach Japan eingeführt werden – profitiert Japan unter anderem von Zollsenkungen für Industriegüter – insbesondere Kraftfahrzeuge (KFZ). Für japanische Personenfahrzeuge liegt der Zolltarif in der EU derzeit bei zehn Prozent, bei Nutzfahrzeugen gibt es Zölle zwischen 10 und 22 Prozent. Nach einer Übergangsfrist von sieben Jahren werden diese Abgaben auf null reduziert. Allerdings sollen auch die Importschranken für europäische Autohersteller in Japan fallen. Der Abbau sogenannter nicht-tarifärer Handelsschranken, unterschiedlicher Normen und Vorschriften, speziell im Kraftfahrzeug- und Lebensmittelsektor, sowie ein besserer Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen in Japan werden Exporte in beide Richtungen zusätzlich vereinfachen. Darüber hinaus enthält das Abkommen Verpflichtungen zu Sozial- und Umweltstandards und zum Schutz europäischer Herkunftsbezeichnungen für regionale Lebensmittel.

Philippinen, Indonesien, Thailand und Malaysia.
Mit den Philippinen und Indonesien sind seit 2016 Konsultationen im Gang. Im Februar 2017 wurden erste Texte für ein FHA mit den Philippinen online gestellt. Die Verhandlungen mit Indonesien haben sich u.a. im Streit um Palmölexporte festgefahren. Das trifft auch auf die EU-Verhandlungen mit Malaysia (seit 2010) zu. Die Konsultationen mit Thailand wurden 2013 aus politischen Gründen ausgesetzt. Es gibt aber nun Bestrebungen in Thailand, die Beziehungen wieder zu verbessern.

Indien, Pakistan, Sri Lanka.
Die seit 2007 geführten Verhandlungen über ein Präferenz- und Investitionsabkommen zwischen Indien und der EU wurden 2013 von der indischen Regierung abgebrochen, aber Ende 2017 wieder aufgenommen. Es wurden bisher aber keine Fortschritte erzielt. Besser sieht es bei den Verhandlungen mit Pakistan aus. Das EU-Parlament hat kürzlich den GSP (Generalized System of Preferences) plus Status für Pakistan um zwei Jahre verlängert. Dieser räumt zahlreichen pakistanischen Exporten, vor allem Textilien, Zollfreiheit ein. Pakistan hofft, dass damit Verhandlungen über ein FHA in greifbare Nähe rücken. Mit Sri Lanka besteht seit 1995 ein Kooperationsabkommen.

China – Pièce de résistance.
Mit dem wichtigsten Absatzmarkt für europäische Hersteller innerhalb Asiens, der VR China, gibt es allerdings noch kein FHA. 1985 wurde zwar ein Abkommen über die handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und der EU unterzeichnet, aber es bestehen weiterhin zum Teil hohe Hürden für ausländische Firmen im Reich der Mitte in den Bereichen Dienstleistungen, Investitionen, Patentschutz, Finanzgeschäfte sowie Forschung und Entwicklung. Im November 2013 wurden lediglich Verhandlungen über ein umfassendes Investitionsabkommen aufgenommen, das Regelungen zum Investitionsschutz enthalten und Firmen einen besseren Marktzugang sichern soll. Nach Vertragsabschluss könnte dann der Weg für Verhandlungen über ein FHA frei sein.

Digitalisierungsopportunitäten.
Zollfreiheit bietet Chancen. Es gibt sie jedoch nicht gratis. Jedes FHA ist das Ergebnis komplizierter Verhandlungen und unterscheidet sich von anderen im Detail. Viele KMU scheuen den Aufwand, der mit dem Ausschöpfen von Präferenzabkommen und der Bestimmung des Warenursprungs von Exportprodukten einhergeht. Im Rahmen der digitalen Transformation haben sie aber nun die Möglichkeit, die Ausfuhr- und Zollabwicklung zu automatisieren und den administrativen Aufwand beim Einholen und Pflegen von Ursprungserklärungen zu verringern. Innovative Cloud-basierte Global-Trade-Management (GTM)-Anwendungen ermöglichen signifikante Produktivitäts-, Compliance- und Einnahmesteigerungen sowie Kostensenkungen.

Fazit:
Um die Wirtschaftsbeziehungen zu anderen Ländern weiter zu vertiefen, bemüht sich die EU, bestehende Kooperationsabkommen zu modernisieren sowie Partnerschafts-, Kooperations- und Freihandelsabkommen mit den übrigen Ländern abzuschließen. Ein starker Fokus liegt auf Asien. Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen sind FHA eine wichtige Hilfe bei der Erschließung neuer Absatzmärkte und kostengünstiger Lieferquellen für Rohstoffe und Komponenten. Allerdings schenken KMU dem Thema Freihandelsabkommen und Ursprungsdeklarationen häufig noch zu wenig Aufmerksamkeit.  (AM)

Quelle: LOGISTIK express Journal 2/2020

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