Gigaliner, die Kapitäne der Landstraße, oder monströse Verkehrspolitik?

Selbst dem blödesten Konsumenten könnte man im direkten Verkaufsgespräch nicht verklickern, dass er für – sagen wir, ein Amazon-Paket mit Luft gefüllt, bezahlen soll. Aber genau das macht er und nicht nur der Blöde, sondern auch der Professor für Logistik. Zwar nicht freiwillig, aber unwidersprochen.

Redaktion: Peter Baumgartner.

Warum das so ist, ist der Barriere im Kopf geschuldet die sagt, „des woa scho immer so“. Aber Luft zu transportieren, insbesondere wenn die Verkehrs-Infrastruktur knapp wird, hat Folgen, die niemand will. Ein Viertel der Treibhausgasemissionen in der EU entfällt auf den Verkehrssektor, sagt die EU. Der Straßenverkehr verursacht rund 72 Prozent der verkehrsbedingten Emissionen, wobei 26 Prozent von schweren Nutzfahrzeugen, wie z. B. Lastkraftwagen, stammen. Der Bahntransport wächst schwach, stagniert teilweise und geht in manchen Ländern sogar zurück. Und auf Nebenbahnen wächst das Gänseblümchen, weil der LKW-Verkehr für Verlader ja viel einfacher und billiger ist. Gleichzeitig wird der Bahntransport dort wo er wächst, immer langsamer, weil einfach die Kapazitäten fehlen. Die Binnenschifffahrt, die noch viel freie Kapazitäten hat, löst bei den meisten Logistikern phobische Störungen aus, die ähnlich wie bei Spinnen, die Flucht (in den Straßenverkehr) zur Folge haben.

Alle diese Probleme hindern die Wirtschaft aber (noch) nicht daran, den Transport von Luft und Leerfahrten zu beenden. Im Gegenteil. Die Verteidigungslinie lautet, das muss so sein, ist produktionsbedingt, dem Marketing geschuldet, oder weil man mit großen Mogelpackungen das Konsumverhalten wunderbar beeinflussen kann. Und was macht der Gesetzgeber? Nichts! Der schaut dem böswilligen Treiben zu und versucht die Folgen dieser dummdreisten Logistik mit Maßnahmen zu reduzieren, die neue Probleme schaffen.

Aktuell lautet die Devise nicht weniger und besser, aber das dafür elektrisch. Manchmal hat man schon den Eindruck, zwischen den Ohren von Verkehrspolitikerinnen befindet sich auch nur Luft. Aber manche politischen Reaktionen und (Un)Tätigkeiten werden bereits gefährlich und provozieren Widerstand.

Die Kommission hat 2022 eine Konsultation auf den Weg gebracht, die zusammenfassend das Ziel hat, 2023 die Gewichte und Abmessungen von Nutzfahrzeugen neu zu bewerten. In Wahrheit ist das die Wiederbelebung der Diskussion um den „Gigaliner“, „Megaliner“ oder „Monster-Truck“. In unverfänglicher Schreibweise läuft der Vorstoß unter „EuroCombi“. 60 Tonner, die mehr als 25 Meter lang sind, sollen alle Probleme lösen. Eigentlich gibt es die „Langen“, in vielen Ländern unterschiedlich stark verbreitet, schon längst. Nur mit der grenzüberschreitenden Verkehrsbewilligung hapert es noch.

„Wir bekennen uns zur Erhöhung des Modal Splits auf der Schiene“, kalmiert die Wirtschaftskammer – aber, „wir sprechen uns grundsätzlich für eine Erhöhung bzw. Anpassung der zulässigen Gewichte und Abmessungen (von LKW) aus.“ Auch das European Shippers‘ Council unter der österreichischen Leitung von Roman Stiftner ist der Meinung, „der Straßenverkehr kann durch den Einsatz längerer und schwererer Fahrzeuge seine Effizienz erheblich verbessern.“ Was er nicht dazu sagt ist, dass neben Zypern, Österreich den höchsten Anteil an LKW-Leerfahrten auf der Straße zu verzeichnen hat.

Nur Leerfahrten!
Da sind die beladenen LKW mit „Luftfracht“ noch nicht berücksichtigt. Rund ein Fünftel des gesamten Straßengüterverkehrs sind Leerfahrten (ohne Berücksichtigung der Luft-Ladungen), beklagt die EU und in Österreich sind es deutlich mehr als 30 Prozent. Aus der Sicht der Unternehmen (und Verpackungsindustrie) ist es natürlich logisch, größere Abmessungen bei den Nutzfahrzeugen zu fordern, denn dann braucht man am kranken System nichts zu ändern und die Luft in den Köpfen kann auch bleiben, wo sie ist.

Natürlich ist das Leerfahrt-Problem nicht allein auf die Straße beschränkt. Über die Situation bei der Bahn gibt es allerdings keine belastbaren Zahlen. Man weiß aber, dass durch die Verlängerung der Züge ebenfalls an der Infrastrukturproblematik gearbeitet wird. In Indien hat man 2022 versucht, 295 leere Waggons in einem einzigen Zug zu bündeln. Der war dann 3,5 Kilometer lang, brauchte aber für 267 Kilometer mehr als 11 Stunden Fahrzeit. Für das Guinness Buch unternahmen die Schweizer einen Rekordversuch mit einem Personenzug – der wohl nicht mehr wiederholt werden wird. 1906 Meter lang war der Zug, der auf der 25 Kilometer langen Teststrecke mit 30 km/h unterwegs war. Das geht vielleicht als Ersatz für Fußgänger durch, oder für Leute mit viel Zeit.

Unwirtschaftliche und unökologische Leerfahrten kennt auch die Binnenschifffahrt, speziell im Containerverkehr. Allen gemeinsam ist, Künstliche Intelligenz hin oder her, niemand ist bereit, das Problem an der Wurzel zu bekämpfen. Der Grund ist einfach. Der Kunde und der Steuerzahler zahlt immer verlässlich. Kein Transport kann abnorm genug sein, dass jemand aufstehen und sagen würde, jetzt ist Schluss. Ohne Leerfahrten und halb leere Verpackungen zu reduzieren, wird es keinen ökologisch verträglichen Transport geben. Was es aber schon gibt, ist der Staats-preis für Verpackungen (Smart Packaging). Dabei wird – erraten – der Verpackungsindustrie gehuldigt. Die Jury setzt sich aus je einem Vertreter/-in der veranstaltenden Wirtschafts- und Umweltministerien und aus Fachleuten seitens des Österreichischen Instituts für Verpackungswesen (ÖIV), Wirtschaftskammerorganisation, Grafik / Design, Abfallberatung, Marktforschung, Verpackungsconsulting, Medien sowie dem letzten Staatspreisträger zusammen.

Für die Jury besteht keine Auskunftspflicht. Die Juryentscheidungen sind endgültig. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Den ARA Sonderpreis, der zum Beispiel auch Abfallvermeidung berücksichtigen sollte, erhielt 2022 eine Plastikverpackung für To-Go Speisen – aber immerhin mehrfach verwendbar, wenn sich jemand die Mühe macht, das Ding zu waschen. Als innovative Verpackung zeichnete die Jury eine PET-Flasche aus – weil sie so schön bunt war. Dem hohen Stellenwert der Verpackungsindustrie geschuldet, ist die Jury-Entscheidung nachvollziehbar. Der österreichische Verpackungs-Player zum Beispiel, macht einen Umsatz von fünf Milliarden Euro. Aber weil das Unternehmen in Südafrika, Angola, Indien und Thailand produziert, kann sich die Umweltministerin auf bunte Ergebnisse konzentrieren und braucht sich um ökologische Aspekte nicht zu kümmern. (PB)

Quelle: LOGISTIK express Journal 1/2023

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