Handelsabkommen als einziger Ausweg
Die österreichische Wirtschaft leidet unter verschiedenen Faktoren, die Zollsituation verschärft die vorherrschende Verunsicherung sehr. Dr. Roman Stiftner, unter anderem BVLÖ-Präsident, Präsident des ESC (European Shippers‘ Council) und Geschäftsführer der Fachverbände Bergbau-Stahl und Nichteisenmetall-Industrie (NE-Metall) der WKO, sieht die Lösung des Problems in der raschen Umsetzung von Mercosur, TTIP & Co.
Redaktion: Angelika Gabor
Das eigentliche Problem sieht Stiftner in der aktuellen Unklarheit und Verunsicherung, den momentan wisse man nicht, wie sich die Lage entwickeln wird: „Die Logistik ist die Zollabwicklungsstelle, im Gegensatz zu früher ist es sehr aufwändig, hier tagesaktuell zu sein.“ Durch diese Verunsicherung leide der Handel und in weiterer Folge die Logistik, denn Bestellungen würden zurückgehalten. Das Resultat ist eine Schwächung der Wirtschaft, wie wir sie im Moment erleben. „Man muss klar artikulieren, dass alle Länder handeln müssen, um diese Schwächung der wirtschaftlichen Säule der westlichen Welt zu beenden.
Die von den USA gewünschte Verlagerung der Produktion wird nicht stattfinden, denn das ist ein sehr langer Prozess, man benötigt Genehmigungen, Anlagen müssen erst gebaut und kompetentes Personal gefunden werden“, stellt Stiftner fest. Daher sei es nötig, schnellstmöglich in Verhandlungen zu treten und dabei ehrlich zu sein, denn „manche Kritik ist durchaus berechtigt. Das Ziel muss der Abbau von Handelsbarrieren und Zöllen sein.“ Das Interesse an guter Zusammenarbeit sei jedenfalls hoch, gerade weil Österreich überproportional betroffen sei: „Nach Deutschland sind die USA unser wichtigster Außenhandelspartner.
Eine Auge-um-Auge-Mentalität hilft niemandem. In der Geschichte hat bisher nur die Abschaffung von Zöllen Wohlstand geschaffen, nie deren Einführung.“ Er gibt zu bedenken, dass auch die Europäische Union ihren Markt bislang gut geschützt hat, beispielsweise im Bereich der Landwirtschaft. „Handelsabkommen schützen vor plötzlichen Zöllen, darum ist es notwendig, die bereits fertig ausverhandelten Abkommen wie Mercosur und TTIP endlich umzusetzen“, ist Stiftner überzeugt.
Investition in Infrastruktur
Handelsabkommen seien wichtig, aber nicht das Einzige. Dringenden Handlungsbedarf sieht Stiftner auch im Ausbau der europäischen Infrastruktur sowie in der Investition in die Sicherheit der europäischen Außengrenzen. „Auch Europa hat Fehler gemacht und einige Dinge schleifen lassen, nun müssen wir daraus lernen. In Österreich waren die großen Handelsabkommen in der Vergangenheit nicht mehrheitsfähig, wir sollten darüber nachdenken, ob das weiterhin so ist. Bilaterale Abkommen auf einer fairen Basis würden solch chaotische Zustände nämlich verhindern.“
Stagnation droht
Durch die Inflation kommt es zu Unsicherheit in der Preisgestaltung, wodurch Anschaffungen hinausgezögert werden. Rezession wiederum führt ohne Gegenmaßnahmen zu fataler Stagnation. Stiftner: „Die Konjunkturschwäche in Europa ist hausgemacht. Durch die hohen Energiepreise sind wir im Vergleich zu anderen Kontinenten nicht wettbewerbsfähig. Wir haben ein hohes Maß an Überregulation, insbesondere im Logistikbereich. Österreich ist erstmals Schlusslicht, das sollte allen ein Weckruf sein.“
Ein günstigeres Preisniveau würde für Wachstum sorgen, insbesondere die Energiekosten sind Stiftner ein Dorn im Auge: „Warum zahlen wir drei- bis viermal so viel für eine Megawattstunde wie die USA oder China?“
Eine weitere Transformation hin zu erneuerbarer Energie sei so jedenfalls nicht möglich. „Strom wird 24/7 benötigt, dazu sind mehr Infrastruktur, insbesondere Pufferkapazitäten nötig. Leider scheitern diesbezügliche Bauvorhaben zu oft an Anrainerprotesten“, bedauert er.
Seiner Meinung nach wäre eine Begrenzung des Gaspreises ein wichtiger Markteingriff, durch den nationalen Preisfestsetzungsmechanismus würde sich das sofort auf den Strompreis auswirken. „Zudem bräuchten wir eine Strompreiskompensation wie in Deutschland, denn diese stellt einen extremen Wettbewerbsnachteil für die österreichische Industrie dar.“ (Die deutsche Strompreiskompensation entlastet das produzierende Gewerbe, insbesondere die energieintensive Industrie, indem die Kosten des CO2-Emissionshandels für die Stromproduktion kompensiert werden, Anm.)
Entbürokratisierung nötig
Langwierige Genehmigungsverfahren für Infrastruktur und strenge Auflagen hemmen die wirtschaftliche Entwicklung. Ein weiteres Problem sieht Stiftner in der derzeitigen Form des Lieferkettengesetzes: „Das führt zu noch mehr Bürokratie. Man sollte hinterfragen, ob das wirklich die gewünschten Effekte erzielt.“ Als weiteres Damoklesschwert der europäischen Wettbewerbsfähigkeit sieht Stiftner das CO2-Grenzausgleichssystem CBAM (EU Carbon Border Adjustment Mechanism), das eine Bepreisung von Treibhausgasemissionen für bestimmte importierte Waren ab 2026 vorsieht. „CBAM wird zu Mehrkosten bei Unternehmen führen. Diese Stellschrauben muss man korrigieren, denn der Transportbranche geht es immer nur so gut wie der Konjunktur“, meint Stiftner.
Digitalisierung unumgänglich
„Die Digitalisierung muss einfach umgesetzt werden, auch in Richtung künstliche Intelligenz, um die Effizienz zu steigern. Leider hat die EU schon Regelungen vorbereitet, bevor die Technologie überhaupt fertig war“, befürchtet Stiftner keine gute Treffsicherheit bei diesen Regularien. Seiner Meinung nach sei KI insbesondere für das Supply-Chain-Management von großem Vorteil, weshalb er die Einrichtung regulatorischer Sandboxes sehr begrüßt (2023 stellte die EU die erste regulatorische Sandbox für KI vor. Das ist ein von Regulierungsbehörden geschaffener Rahmen zum Test und zur Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen oder digitaler Geschäftsmodelle in einem kontrollierten und überwachten Umfeld, Anm.).
Stiftner: „Innovation war immer schon Treiber erfolgreicher Volkswirtschaften. Wir müssen innovieren, statt stets nur zu regulieren und die Chancen sehen statt der Gefahren. Es stellt sich immer die Frage, was man mit einer Technologie macht, und bei Missbrauch sollte es selbstverständlich Sanktionen geben. Aber die EU und auch Österreich müssen wieder führend werden.“ (RED)
Quelle: LOGISTIK express Journal 2/2025: Transport & Logistik