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Industriestandort Wien: Womit er punktet, wo es hakt

Infrastruktur und Lebensqualität als Vorteile, hohe Kosten als Schwäche des Industriestandorts Wien: Das ist das Ergebnis einer im Zweijahres-Rhythmus durchgeführten Standortumfrage der Sparte Industrie. Das Gallup-Institut hat dafür Ende des Vorjahres 172 Wiener Industriebetriebe befragt – knapp ein Drittel des Sektors.

Nähe zu Ostmärkten sinkt in der Bedeutung.
Wie 2018 führt bei den Standortvorteilen Wiens internationale Erreichbarkeit über den Flughafen, gefolgt von der allgemein guten Verkehrsinfrastruktur und der Wiener Lebensqualität, die jeder zweite Industrie-Manager als Standortvorteil sieht (2018: 38 %). „Immer mehr unserer Betriebe sehen auch in der Nähe zu Forschungs- und Ausbildungszentren und im breiten Angebot an industrienahen Dienstleistungen in Wien wesentliche Standortvorteile“, so Stefan Ehrlich-Adàm, Obmann der Sparte Industrie.

Dagegen verliert die Hauptstadtfunktion Wiens an Bedeutung, und auch die Wertigkeit der Funktion als „Tor zum Osten“ nimmt weiter ab: Nur noch vier von zehn Industriebetrieben sehen Wiens Nähe zu den östlichen EU-Ländern als Vorteil, nur zwei von zehn die Nähe zu anderen Ostmärkten (2018: 52 und 28 %). Stadt und Wirtschaft müssen die historisch gewachsenen Beziehungen zu den Ostmärkten weiter pflegen, meint Ehrlich-Adàm, „etwa über gemeinsame Wirtschaftsmissionen“. Mit dazu gehöre auch der Ausbau der Verkehrsverbindungen mit besonderem Augenmerk auf die verfügbaren Flugverbindungen.

Forderung zeigt Wirkung: Verbesserungen beim Punkt Bürokratie.
Bei den Standortnachteilen stehen hohe Lohnkosten sowie hohen Grundstücks- und Mietpreisen ganz oben, gefolgt von mangelndem Verständnis der Behörden für Industrie-Anliegen, das vier von zehn Betrieben beklagen. Der Punkt „Anrainerproble­me“ legte in der Umfrage um zehn Prozentpunkte auf 29 Prozent zu – „ein Zeichen, dass das Nebeneinander von Leben und Wirtschaften in einer Großstadt eine beständige Herausforderung ist“, so Ehrlich-Adàm.

Verbesserungen gab es dagegen beim Punkt „Bürokratie“. Sie wird von 39 Prozent der Industriebetriebe als Standortnachteil genannt – ein deutlicher Rückgang zu 2018 (48 %). Auch die Abwanderungstendenzen gehen zurück: Ein Achtel der Industriebetriebe denkt laut Umfrage über die Verlagerung von Firmenteilen nach – weniger als in den letzten Jahren. „Unsere Forderungen haben hier Wirkung gezeigt“, so Ehrlich-Adàm. Das gemeinsame Bemühen von Wirtschaft und Stadt Wien, die Verwaltung unternehmerfreundlicher zu machen und der produzierenden Wirtschaft Betriebsflächen zu sichern, mache sich bezahlt. „Man darf sich aber darauf nicht ausruhen. Die Standortumfrage zeigt auf, an welchen Schrauben wir drehen müssen, damit der Industriestandort Wien weiter gestärkt wird“, so der Spartenobmann.

Investitionen bleiben stabil, Lehrlinge werden gesucht.
Trotz Corona und wirtschaftlicher Unsicherheit gab ein Viertel der Industriebetriebe zum Befragungszeitpunkt an, seine Investitionen gegenüber dem Vorjahr steigern zu wollen. Weitere 47 Prozent wollen gleich viel investieren. „Das zeigt, dass unsere Betriebe gut aufgestellt sind und mit Umsicht und Optimismus ihre Zukunft planen“, sagt Ehrlich-Adàm. Investitionspläne gibt es vor allem für technische Anlagen und Maschinen.

Auch das Thema Fachkräfte bleibt im Fokus: Zwei Drittel der Industriebetriebe wollen die Lehrlingsausbildung verstärken. Und dabei handelt es sich nicht nur um ein Lippenbekenntnis: Mit Ende März gab es in der Wiener Industrie um 7,7 Prozent mehr Lehrlinge als im März 2020, auch die Zahl der Lehranfänger ist gestiegen. „Eine Lehrausbildung in einem Industriebetrieb ist die beste berufliche Basis: eine fundierte Ausbildung von Anfang an und Türöffner für eine Top-Karriere danach“, betont der Spartenobmann. Aktuell läuft eine Lehrlingskampagne der Sparte, mit der Nachwuchs für Herbst gesucht wird: www.erfolgslehre.at.

Industrie kritisiert Kommunalsteuer für Lehrlinge und Valorisierungsgesetz.
Als kontraproduktiv bezeichnet Ehrlich-Adàm die Kommunalsteuer für Lehrlinge. Er fordert die Stadt Wien auf, auf deren Einhebung zu verzichten. „Ausbildungsbetriebe brauchen gerade jetzt Unterstützung und Anerkennung. Dieser Schritt wäre ein positives Signal.“

Kritik übt der Spartenobmann auch am Wiener Valorisierungesetz: Dieses mache weite Bereiche des Gebühren- und Abgabenwesens intransparent. Er fordert stattdessen eine nachvollziehbare und transparente Kostenrechnung in allen Bereichen: „Damit könnten Gebühren und Abgaben künftig realistisch und nachvollziehbar bemessen werden.“

Über die Wiener Industrie.
Die 600 Wiener Industriebetriebe sind in 16 Bereichen tätig – von der Elektro- über die Lebensmittel- und Bauindustrie bis zu Metalltechnik, Fahrzeug- und Chemischen Industrie. Sie beschäftigen rund 55.000 Mitarbeiter und bilden mehr als 900 Lehrlinge aus. Insgesamt sichert die Industrie – direkt und indirekt – 120.000 Arbeitsplätze in der Stadt und produziert jährlich Waren im Wert von 22 Milliarden Euro.

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