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Kann nicht schon endlich Weihnachten sein, bitte?

Das Jahr hat (meistens) 365 Tage. Aber im Gegensatz zu sonst zieht sich 2020 besonders in die Länge. Die Corona-Pandemie mit Lockdown, der qualvolle Brexit, das lange Warten auf das US-Wahlergebnis und ständige Vetos zur Verhinderung von EU-Beschlüssen… die Liste kann beliebig ergänzt werden. Geduld ist eine Tugend, aber meine ist langsam aufgebraucht. Also komm, Christkind, und beende das Drama.

REDAKTION: ANGELIKA GABOR.

Das US-Wahlergebnis ist weltweit mit Hochspannung erwartet worden – mit Betonung auf WARTEN. Es ist wirklich unglaublich, wie lange es offenbar dauert, Stimmen auszuzählen. Aber das passt wohl zu den langen Warteschlangen vor den Wahllokalen, wo die Stimmabgabe oft Stunden dauert. In den Sozialen Medien wurde gewitzelt, dass insbesondere Nevada besser Hofer-Kassiererinnen engagiert hätte, dann wären die Stimmzettel in zwei Stunden ausgezählt gewesen. Doch irgendwann war auch diese Aufgabe erledigt und das Ergebnis stand fest: der nächste US-Präsident heißt Joe Biden und ist ein Demokrat. Im Gegensatz zu seinem nun bald abgelösten Vorgänger Donald Trump hat er nicht nur die meisten Wahlmänner, sondern auch die meisten Stimmen (aktuelles Ergebnis: 79083767 zu 73.351.022).

Als Reaktion darauf kam es zu einem kräftigen Plus an den Börsen. Ein deutliches Aufatmen der US-Handelspartner, die sich nun Hoffnungen auf neue Freihandelsabkommen,
eine Reduktion der Strafzölle und einen generell gemäßigteren Umgangston machen, war die Folge. Aber auch Umweltschützer jubilieren, dass die USA – zweitgrößter CO2-Produzent der Welt – unter Joe Biden wieder dem Pariser Klimaabkommen beitreten werden, aus dem sich Trump zurückgezogen hatte. Denn auch wenn bei den Treffen der 195 Mitglieder mehr heiße Luft produziert als tatsächliche Fortschritte erzielt wird, so ist ein Bekenntnis zur Notwendigkeit des Klimaschutzes ein deutliches Signal. Doch des einen Freud, des anderen Leid: denn immerhin hat fast die Hälfte der Wahlberechtigten sich für eine zweite Amtszeit des POTUS mit der schicken Frisur ausgesprochen, und die Gräben zwischen Demokraten und Republikanern sind extrem tief, die Fronten verhärtet.

Warum halten so viele Menschen ihm die Treue? Für die einen ist Donald Trump ein lauter, undiplomatischer, sexistischer Idiot mit dem Benehmen eines trotzigen Kleinkindes, das seine Wutausbrüche über Twitter kommuniziert. Die anderen profitierten von einem Wirtschaftsaufschwung, der niedrigsten je gemessenen Arbeitslosenrate und Steuerentlastungen. Es ging vielen im Land wirtschaftlich gerade so richtig gut – bis Corona kam.

Unwort des Jahres?
Bis zum 1. Dezember 2020 kann noch über das Unwort des Jahres 2020 abgestimmt werden, und natürlich befindet sich „Corona“ unter den Vorschlägen. Völlig zu Recht, denn die Viruserkrankung hält nicht nur Österreich, sondern die ganze Welt im Würgegriff. Während sich Pharmakonzerne einen Wettlauf um wirksame Impfstoffe und damit ein riesiges Geschäft liefern – hier bleibt nur zu hoffen, dass nicht aus monetären Gründen suboptimale Testergebnisse und Nebenwirkungen unter den Teppich gekehrt werden – greifen mehr und mehr Staaten zu harten Maßnahmen. Denn pünktlich zum Start der Grippesaison sind die Krankenhäuser teilweise schon voll. Dumm gelaufen… Auf Empfehlung des Rechnungshofes wurden in den letzten Jahren Akut- und Intensivbettenkapazitäten reduziert, um Kosten zu senken und bei der Akutbettendichte auf EU-Niveau zu kommen. Unser Glück: in Österreich regiert die Gemütlichkeit, weswegen die Kürzungen nur zögerlich umgesetzt wurden, unabhängig von der Urgenz durch den Rechnungshof. Wären alle Empfehlungen umgesetzt worden, dann wäre die gefürchtete Triage (der Arzt bewertet, wer vorrangig behandelt wird und entscheidet so ggf. über Leben und Tod – das wäre auch ein toller Kandidat für das Unwort des Jahres) bereits Realität.

Liest man dann von überfüllten Einkaufszentren und dicht gedrängten Menschen im Shoppingwahn, nachdem manche Händler vor dem angekündigten Lockdown noch schnell Lockangebote und Abverkaufsaktionen gestartet haben, muss man zwangsläufig am Verstand unserer Mitmenschen zweifeln. Wie dumm kann man sein? Wie kann man seine Gesundheit und die seiner Lieben riskieren, nur um ein Paar Schuhe zum halben Preis zu ergattern? Das ist Egoismus par excellence und führt den zweiwöchigen Lockdown ad absurdum, denn das Ende der Ausgangssperre fällt dann mit dem Ende der Inkubationszeit dieser Wochenendshopper zusammen. Zählen Sie 1 und 1 zusammen…

Unabhängig von den Krankenhäusern liegt ein Patient auf jeden Fall schon im Koma: die österreichische Wirtschaft. Woher kommt das ganze Geld für diese Rettungspakete? Geschlossene Branchen sollen entschädigt werden – und das sind im Lockdown verdammt viele. Im kommenden Frühjahr, wenn gestundeten Beiträge für Steuern und die Sozialversicherung fällig sind, erwartet uns eine Pleitewelle, wie es sie wohl noch nie gegeben hat. Die neuen Kurzarbeitsregelungen sind zwar für manche eine Hilfe, führen aber nur zu einer Verschiebung des teils Unvermeidlichen. Mehr Arbeitslose und weniger Beitragszahler im System, keine Mehrwertsteuereinnahmen bei geschlossenen Branchen und gleichzeitig enorme Hilfspakete. Im Lockdown werden Unternehmen, ja, ganze Wirtschaftszweige mit Anlauf gegen die Wand gefahren. Die Folgen daraus werden die nächsten Generationen bezahlen. Mit der Abschaffung der Hacklerregelung kann man schon erkennen, von wem sich der Finanzminister das Loch in seinem Börserl stopfen lassen will. Das Problem ist nur: wir können so schimpfen, wie wir wollen, was ist die Alternative? Ich möchte nicht in der Haut eines Entscheidungsträgers in der Regierung stecken, denn für irgendjemanden ist man immer der Buhmann. Und aktuell gilt wohl vor allem ein Motto: better safe than sorry.

In circa einem Monat ist Weihnachten. Die stillste Zeit im Jahr… wie wahr! Keine Christkindlmärkte, keine ausgelassenen Firmenfeiern, ein Feiern im engsten Kreis, um niemanden zu gefährden. Wahrlich keine schönen Aussichten, die sich uns hier bieten. Doch dann denke ich daran, was Weihnachten bedeutet. Es ist ein Fest der Liebe und der Hoffnung, der geschmückte Baum ein Symbol für Licht und Leben. Also, liebes Christkind: ich wünsche mir, dass diese im wahrsten Sinne des Wortes dunklen Zeiten schnell vorbei gehen, dass uns ein Licht aufgeht und das kommende Jahr besser wird als dieses. Weil viel schlimmer geht nimmer. (RED)

Quelle: LOGISTIK express Journal 6/2020

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