Kompakte Materialflusstechnik für effiziente Prozesse

Mit einer flexiblen Intralogistiklösung hat SSI Schäfer im neuen Fulfilment-Logistik-Center der Etivera Verpackungstechnik GmbH eine Logistikanlage realisiert, die mit einem intelligent automatisierten Materialflusskonzept, einem vollautomatisierten Hochregallager und kompakter Fördertechnik exakt auf die aktuellen Anforderungen der Auftragsfertigung zur Just-in-Time-Belieferung des B2B- wie des B2C-Segments mit Großaufträgen und Kleinstmengen ausgelegt ist und zugleich künftige Wachstumsoptionen des Marktführers abdeckt.

Beitrag: Redaktion.

Der Inhalt ist das Eine, die Verpackung das Andere, weiß der Volksmund. Attraktive, nutzwertige Verpackungen schützen, wirken und animieren – und bieten Mehrwert auf unterschiedlichsten Ebenen. Flaschen, Gläser, Tragetaschen aus Papier, Geschenkkartons und Etiketten tragen zu einer Wertsteigerung bei, die das Produkt mit seiner Hülle zu einer Einheit verschmelzen lässt. Mit individueller Form grenzen sie ab, steigern den Wiedererkennungswert, tragen zum Markenaufbau bei oder machen das Präsent einfach nur hübsch. Das gilt für Nahrungsmittelunternehmen, Direktvermarkter und Nebenerwerbler ebenso wie für Geschenkartikelanbieter und private Verbraucher. Peter Kulmer erkannte den Bedarf dieses breiten Nutzerkreises aus dem B2B- und dem B2C-Segment. 2003 begann er damit, für dieses „Nischensegment“ ein Angebot flexibler, individualisierbarer Verpackungslösungen aufzulegen. Heute hält sein Unternehmen, die Etivera Verpackungstechnik GmbH mit Sitz St. Margarethen/Raab, Oststeiermark, mehr als 1.500 verschiedene Verpackungslösungen aus Glas, Metall, Papier, Karton oder Holz vorrätig und zählt zu Österreichs führenden Anbietern innovativer Lebensmittelverpackungen und Etiketten.

Effiziente Prozesse für Just-in-time Lieferung.
Mehrere tausend Kunden aus ganz Europa bestellen ihre Produkt- und Geschenkhüllen inzwischen bei Etivera. Eine Erfolgsgeschichte.
Allein: Mit dem rasanten Wachstum durch die kontinuierliche Nachfrage konnten Produktion und Lager am Firmensitz nicht mehr Schritt halten. Ein weiterer Ausbau war auf der Fläche des Standortes allerdings nicht möglich. 2016 begann Unternehmensgründer und Geschäftsführer Peter Kulmer die Suche nach einer geeigneten Standortalternative, die einerseits die Realisierung modernster Produktions- und Warehousing-Prozesse, andererseits ausreichend Fläche für Erweiterungsoptionen bei künftigem Wachstum bot. Mit Unterstützung seiner Heimatgemeinde konnte nur 400 Meter vom Stammsitz entfernt ein Areal erschlossen werden, das die Voraussetzungen erfüllte.

Im Juli 2017 begann die erste Baustufe, im August 2018 ging das neue HighTech-Center von Etivera in Betrieb. Auf 700 m² informiert ein Showroom die Besucher und Kunden über das Produktspektrum des Lösungsanbieters. Angebunden sind eine High-End-Etiketten- und Verpackungsdruckerei und ein automatisches Fulfillment-Logistik-Center. Den Auftrag für Konzeption und Ausstattung des auf weiteres Wachstum ausgelegten Distributionszentrums erhielt, nach einer Ausschreibung, SSI Schäfer als Generalunternehmer.

Neben aussagekräftigen Referenzen sowie der bewährten Produkt- und Lösungsqualität überzeugte SSI Schäfer mit einem Materialfluss- und Ausstattungskonzept, das „eine Vielzahl projektspezifischer Anforderungen erfüllt“, erläutert Jörg Kappel, Projektleiter SSI Schäfer. „Bei der Lösung ging es zunächst weniger um hohe Durchsatzleistung als um Kapazitätssteigerung, die eine große Menge verschiedener Produkte im direkten Zugriff verfügbar macht. Gleichwohl müssen – von Großaufträgen bis zu Kleinstmengen – schlanke
Intralogistikprozesse und eine effiziente Prozesssteuerung die Just-in-Time-Versorgung der Kunden sicherstellen. Daraus ergeben sich ein kompakter Materialfluss und ein Anlagenlayout, das sich bei weiterem Bedarf mühelos erweitern lässt. Und schließlich war eine Anlage gefordert, die die Aspekte von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz erfüllt.“

Ergänzend wurde die Anlage mit einer Stahlbühne ausgestattet, die eine Fläche von ca. 150 m² umfasst. Hier werden Kartons automatisch aufgerichtet und der von SSI Schäfer entwickelten Entpackstation zugeführt, worin die vollen Glaspaletten, halbautomatisch in Kartons vereinzelt werden und auf zwei ca. 20 m langen Staustrecken für den weiteren Ablauf gepuffert werden.

Des Weiteren konnte SSI Schäfer als Gesamtanbieter den Verwaltungstrakt sowohl mit Fachbodenregale für Archiv und Kleinteile als auch die Sozialräume mit Spinden ausstatten. Pro Tag werden gegenwärtig rund 200 Paletten im Wareneingang des neuen Distributionszentrums von Etivera erfasst und in die automatisierten Warenflüsse eingespeist. Dazu hat SSI Schäfer direkt hinter den Waren-
eingangstoren zwei staplerbediente Palettenaufgabestationen mit jeweils drei Rollenhubtischen und automatischer Palettenkontrolle eingerichtet.

Besonderheit: Mehrere Produzenten insbesondere von Glaswaren liefern folierte Paletten an. „Die Folien unterstützen die Stabilität der Paletten auch auf der Fördertechnik“, sagt Kappel. „Vielfach umschließen sie allerdings auch die Paletten, was Sensorik und Mechanik der automatisierten Transporte beeinträchtigen kann.“ Daher werden die foliert angelieferten Paletten an den Aufgabestationen auf eine Unterpalette gesetzt, um eine störungsfreie Transportfähigkeit der Paletten auf der Fördertechnik sicherzustellen. Dazu sind die Aufgabestationen mit einem Leerpalettenpuffer ausgestattet. Per Wahlschalter initiieren die Staplerfahrer bei Bedarf die Bereitstellung der Unterpalette, setzen die folierte Wareneingangspalette darauf ab und starten die Automationsprozesse. Eine weitere manuelle Aufgabestation als auch Abgabestation ist für die direkte Versorgung des Kommissionier- und Packbereichs eingerichtet.

Kundenindividuelle Lösung mit größter Effizienz.
Die Aufgabestationen im Wareneingang bieten eine kurze Staustrecke von bis zu 3 Paletten. Dabei ist die gesamte Fördertechnik sowohl auf das Handling von Euro- als auch den größeren Industriepaletten ausgelegt. Von der Staustrecke werden die Paletten an einen Querverschiebewagen übergeben. Er ist eines von zwei zentralen Verbindungselementen für den kompakten Materialfluss im Etivera-Distributionszentrum. Über ihn werden die Wareneingangspaletten an einen I-Punkt für Kommissionier- und Packbereich oder an einen Fördertechnikloop übergeben.

Zudem bedient er 3 Schwerkraftrollenbahnen, auf denen die Warenausgangspaletten für die Lkw-Verladung als auch Nachschub in die manuellen Regale mittels Stapler bereitgestellt werden. Im manuellen Teil das Lagers, das rund 5800 Lagerplätze bzw. Kommissionierplätze umfasst, wird ein vordefinierter Lagerbestand für die Kommissionierplätze bereitgehalten, um einen Palettenwechsel schnellstmöglich zu ermöglichen. Bei der Inbetriebnahme und Produktivbegleitung, war die größte Herausforderung, Direktabholer schnellstmöglich bedienen zu können.

Dies wurde mit der WAMAS Software so parametriert, dass bei Eintreffen eines Direktabholerauftrags im WAMAS, dieser mit hoher Priorität an den nächsten freien Kommissionierer zur Bearbeitung zugeteilt wurde. Im Selbstversuch hat dies hervorragend auch bei einer Kleinmenge funktioniert, und die beauftragten Artikel wurden binnen 7 Minuten mit einem Lächeln im Gesicht des Lagermitarbeiters übergeben, sagt Kappel. Die Flexibilität und Anpassungsmöglichkeiten der WAMAS Software können in einem System sowohl Funktionen im Hochregal, als auch Transportaufträge mittels Stapler und manuelle Kommissionierung steuern und auch koordinieren.

Gesteigerte Prozesseffizienz durch automatisches Hochregallager.
Paletten für den Kommissionier- und Packbereich, in dem Etivera Veredelungsprozesse wie etwa die Kartonierung von Flaschen für Abfüllbetriebe übernimmt, werden von dem Verschiebewagen auf einen kurzen Förderstich ausgeschleust und an dessen Abnahmeplatz von Hochhubwagen abgenommen. Parallel werden dort kommissionierte Auftragspaletten in die automatisierten Materialflüsse eingespeist.

Die Wareneingangspaletten zur Bestandslagerung übergibt der Verschiebewagen an den Fördertechnikloop. Über ihn laufen alle Materialflüsse, in die das Herzstück des neuen Distributionszentrums, das vollautomatisierte Hochregallager (HRL), eingebunden ist. In 2 Gassen hält der mehr als 30 m hohe, 16m breite und nahezu 170m lange Lagerkomplex auf einer Grundfläche von 2.500 m2 rund 13.400 Stellplätze für doppeltiefe Lagerung von Europaletten vor. Zwei moderne, energieeffiziente Exyz-Regalbediengeräte (RBG) von SSI Schäfer sorgen darin mit dynamischen Ein- und Auslagerungsprozessen für direkten Zugriff auf das gelagerte Artikelspektrum. „Mit der Entscheidung für ein automatisiertes HRL hat Etivera die Prozesseffizienz gesteigert und enormen Flächenbedarf eingespart“, erläutert SSI-Projektleiter Kappel. „Bei einem herkömmlichen, staplerbedienten Lager mit dieser Kapazität und Betriebsleistung hätten etwa 10.000 m2 versiegelt werden müssen.“ Für eine harmonische Einbindung des HRL in die oststeirische Hügellandschaft sorgt überdies die spektakuläre künstlerische Fassadengestaltung des Komplexes.

Neuerlicher Erweiterung steht nichts im Wege.
Generell hat SSI Schäfer durch das bidirektionale Materialflusskonzept mit Querverschiebewagen und Fördertechnikloop als zentrale Fördertechnikkomponenten für Etivera eine gleichermaßen kompakte wie effiziente Anlagenautomatisierung realisiert. Insgesamt wurden nicht mehr als 250 m Palettenfördertechnik installiert. „Grundsätzlich wurde das Anlagenlayout dabei so angepasst, dass perspektivische Ausbaustufen bereits eingeplant sind, der Warenfluss in der Vorzone jedoch nicht massiv verändert werden muss“, unterstreicht Kappel. Tatsächlich hat Etivera am neuen Unternehmensstandort gegenwärtig lediglich ein Drittel der verfügbaren Fläche ausgebaut. Für das HRL sind zwei potenzielle Ausbaustufen um 12.500 und 11.500 Stellplätze in den Planungen berücksichtigt.

Für die Versandbereitstellung werden die Warenausgangspaletten aus dem HRL oder direkt aus dem Kommissionier- und Packbereich über Loop und Querverschiebewagen auf die drei Versandbahnen ausgeschleust. Beide Elemente würden bei Bedarf eine in die Prozesse integrierte, sequenzierte Bereitstellung ermöglichen. Diese Option nutzt Etivera gegenwärtig allerdings noch nicht und nutzt diese Bahnen hauptsächlich für die Nachbestückung der manuellen Regale in der Kommissionierzone Der Querverschiebewagen bedient die 3 Schwerkraft-Palettenrollenbahnen an den Warenausgangstoren gleichwohl nach spezifischen Verlademuster der jeweiligen Destination. Jeweils 12 Paletten fasst eine Bahn. Die 3 Bahnen insgesamt decken eine Lkw-Ladung oder bieten die Möglichkeit, parallel 3 Touren vorzulagern beziehungsweise bereitzustellen. Die Paletten werden mit Elektro-Deichselhubgeräten von der Entnahmestelle abgenommen und verladen. Unterpaletten verbleiben im Distributionszentrum, werden manuell von den Warenausgangsstichen abgenommen, gestapelt und via Fördertechnik in das Hochregal eingelagert und anschließend an die Palettenmagazine im Wareneingangsbereich verbracht.

Wenn eine Palette zur Verladung von der Rollenbahn abgenommen ist, wird automatisch die nächste Auslagerung aus dem HRL angestoßen. Für die Lagerverwaltung sowie die koordinierte Anlagen- und Prozessteuerung sorgt das Warehouse Management System WAMAS von SSI Schäfer. Es kommuniziert direkt mit der Steuerungstechnik der automatisierten Anlagenkomponenten – und ermöglicht, bei Bedarf, auch eine sequenzierte Reihenfolgesteuerung bei den Auslagerungen.

Pro Tag können im neuen Distributionszentrum von Etivera auf diese Weise gegenwärtig rund 20.000 Paletten vollautomatisch gesteuert und 500 Aufträge pro Tag abgewickelt werden. Durchschnittlich verlassen 5 Lkw mit Auftragsposten auf etwa 150 Paletten das Fulfillment-Logistik-Center in St. Margarethen. „Mit dem realisierten Materialfluss- und Ausstattungskonzept ist die Intralogistik in St. Margarethen exakt auf die aktuellen Anforderungen bei der Auftragsfertigung zur Just-in-Time-Belieferung des B2B- wie des B2C-Segments zugeschnitten und bietet zugleich maximale Flexibilität bei künftigem Wachstum von Etivera“, resümiert SSI-Projektleiter Kappel. „Damit hat SSI Schäfer in einem anspruchsvollen Projekt die Erwartungen eines in seiner Branche führenden und prosperierenden Kunden erfüllt – und einmal mehr die Kompetenz für intelligente Intralogistiklösungen aus einer Hand untermauert. Ein rundum gelungenes, repräsentatives Projekt.“ (RED)

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 3/2019

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