Logistik in Osteuropa ist auch eine Frage der Feinfühligkeit

In seinem Büro hängen zahlreiche Fotos, Zeichnungen und Graphiken. Sie zeigen Hermann Filz (60) bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Managing Director Eastern Europe bei DHL Global Forwarding. Selbst branchenfremde Betrachter können den Motiven entnehmen, dass in der Logistikbranche, abgesehen von der Digitalisierung und den damit verbundenen Effizienzsteigerungen, auch noch andere Dinge zählen. Es geht um die Wahrung und Vertiefung der persönlichen Kontakte mit Geschäftspartnern aus dem Kreis der Kunden und Lieferanten. Dafür gibt es zum einen Meetings mit mehr oder weniger harten Verhandlungen über Preise, Konditionen und Zuständigkeitsgebiete. Sie sind und bleiben unerlässlich. Jedoch werden die Geschäftsbeziehungen auch bei gemeinsamen sportlichen Aktivitäten gepflegt.

Hermann Filz besitzt mehr als drei Jahrzehnte Erfahrung in der Speditionsbranche in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Schon für seinen früheren Arbeitgeber lernte er die Region in allen Facetten kennen. „Man hat es hier mit 20 verschiedenen Kulturen und mehrheitlich mit kleineren Ländern zu tun. Das zu koordinieren, erfordert eine Mischung aus Geschichtsbewusstsein und Feinfühligkeit. Ich glaube, das ist ein Grund für den Erfolg von zahlreichen österreichischen Unternehmern und Managern“, sagt der gelernte Spediteur. Was ihn besonders beeindruckt, ist die Zielstrebigkeit vor allem der jungen Menschen in Osteuropa. Ihr Hunger nach Erfolg sei nach wie vor groß.

Wer offen denkt und handelt, kommt in den CEE/SEE-Ländern gut voran. Das dürfte abgesehen vom fortgesetzten Wirtschaftswachstum mit ein Grund sein, warum Hermann Filz die Arbeit hier noch immer großen Spaß macht. Sein Resümee zum Thema „30 Jahre Ostöffnung und 15 Jahre EU-Osterweiterung aus der Sicht der Logistikbranche“ fällt trotz der herausfordernden Anfangsphase positiv aus. So sind ihm noch die Tage und Wochen in Erinnerung, „in denen wir uns bei meinem früheren Arbeitgeber bei der Auswahl der Bürostandorte an der Anzahl der vorhandenen Telefonanschlüsse orientiert haben“. Den Schilderungen seiner Branchenkollegen über das Fehlen von vernünftigen Lagergebäuden und die teilweise abenteuerlichen Verhältnisse auf den internationalen Airports und in den Seehäfen schließt er sich vollinhaltlich an.

Aber seither hat sich vieles verändert. In Ungarn, Tschechien und Polen gibt es mittlerweile ein vernünftiges Autobahnnetz und große Güterverkehrszentren mit modernen Logistikanlagen. Wenn hier heute noch ein Engpass besteht, dann liegt der bei den gut ausgebildeten Fachkräften. In Budapest, Bratislava, Prag, Warschau und Bukarest herrscht quasi Vollbeschäftigung. Wer gut geschulte Nachwuchskräfte sucht, muss sich anstrengen. Hermann Filz: „Natürlich spielen da monetäre Fragen eine Rolle. Aber mittlerweile schauen die Menschen mit einer fertigen Ausbildung auch auf die Entwicklungschancen in den Unternehmen.“ Diesbezüglich befinde sich DHL Global Forwarding als weltweit tätiger Anbieter von Dienstleistungen in der Luft- und Seefracht sowie in der Projektlogistik im Vorteil.

Vorbei sind laut Hermann Filz die Zeiten, in denen sich ganze Teams blitzartig von ihrem Dienstgeber losgesagt haben. Das ist ihm in seiner Berufslaufbahn vor dem Eintritt bei DHL Global Forwarding einmal in der Ukraine passiert. „Da habe ich einmal an einem Freitag um 17 Uhr die Nachricht erhalten, dass 16 von 17 Kollegen mit sofortiger Wirkung das Unternehmen verlassen. Uns blieb keine andere Wahl, als in wenigen Tagen ein neues Team aufzubauen“, erzählt er. In Polen seien einmal auf einen Schlag 20 Personen von Bord gegangen. Seit diesen Erlebnissen misst er dem Personalmanagement in den Ländern in Mittel-, Ost- und Südosteuropa einen besonderen Stellenwert bei.

Bei DHL Global Forwarding umfasst die Region Eastern Europe aktuell 27 Länder. „Davon sind wir in 14 Staaten mit 41 eigenen Standorten vertreten. Dazu kommen Kooperationen mit 13 exklusiven Agenturpartnern wie zum Beispiel in Albanien, Moldawien oder Usbekistan“, präzisiert Hermann Filz. Damit zählt das Unternehmen zum Kreis der Top-3-Anbieter im Segment der Überseespeditionen im Wirtschaftsraum östlich von Österreich. Diese Position wollen die Verantwortlichen festigen, wobei sie insbesondere in der Seefracht und in der Projektlogistik noch Entwicklungspotenzial vermuten. Die Etablierung von weiteren eigenen Landesgesellschaften steht vorläufig nicht zur Diskussion.

Als Maßnahme zur Einhaltung der weltweit streng gefassten Verhaltensmaßregeln gegenüber den Kunden, Geschäftspartnern und Lieferanten hat DHL Global Forwarding in allen Ländern in der Region Eastern Europe eigene Compliance Manager ernannt. Sie werden laufend geschult und werfen ein strenges Auge auf die Prozesse. Das sei bis vor ein paar Jahren eine absolute Notwendigkeit gewesen, an der man weiter festhalten werde, „obwohl sich die allgemeine Situation zusehends an die Verhältnisse in Österreich und Westeuropa anpasst“, wie Hermann Filz hervorhebt. Unabhängig davon hält er eine Vereinfachung der Zollverfahren in Russland und Kasachstan für begrüßenswert, weil das dem internationalen Warenverkehr zusätzlichen Schwung verleihen würde.

In den letzten Jahren konnte DHL Global Forwarding in Osteuropa viel entwickeln. Dabei war das dynamische Wirtschaftswachstum hilfreich. Das Ergebnis ist eine Organisation mit etwa 1.270 Mitarbeitenden und einem geschätzten Jahresumsatz von rund 750 Mio. Euro. Mehr als die Hälfte der Kunden sind lokale Unternehmen mit Bedarf an weltweiten Transportlösungen per Luft- und Seefracht beziehungsweise für „Industrial Projects“. Die Märkte als solche sind mittlerweile fest in den Händen der multinationalen Logistikkonzerne. Dazu kommen – abgesehen von vier bis fünf Mittelständlern aus der Region Ost- und Südosteuropa – einige kleine Anbieter mit einer starken Präsenz im Zollgeschäft.

JOACHIM HORVATH

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