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„LTE-group drängt auf den Ausbau der Schieneninfrastruktur

Wenn Mag. Andreas Mandl tagsüber aus seinem Bürofenster schaut, sieht er immer den Lkw-Zug des benachbarten Spediteurs. Der Truck fährt im Rundlauf zwischen dem Concorde Business Park in Schwechat und einer Station in Litauen. Er absolviert die „Langstrecke“ in einer verhältnismäßig kurzen Zeit. Der Bahntransport würde erheblich länger dauern und wäre mit einem deutlich größeren Organisationsaufwand für die Mitarbeitenden des Logistikdienstleisters verbunden. Aber wie soll die Europäische Union ihre ehrgeizigen Klimaziele erreichen, wenn nicht einmal derartige Regelverkehre den Weg von der Straße auf den umweltfreundlicheren Verkehrsträger Schiene finden?

Für den Geschäftsführer der LTE-group ist das ein Themenkomplex, über den er den Vertretern der Politik viel erzählen könnte. Dabei ginge es weniger um die Erläuterung der für die Integration in die internationale Bahnlogistik besonders geeigneten Gütergruppen. Darüber wurde in der Vergangenheit viel diskutiert. Stattdessen müsste ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, warum das nicht schon längst geschehen ist. Denn zweifellos kann es der Schienengüterverkehr in der seit Jahrzehnten praktizierten Form nicht mit der Flexibilität und Schnelligkeit der Lkw-Transporte aufnehmen, was bei bestimmten Warengattungen ein Nachteil ist. Doch es gibt noch ein viel schwerer wiegendes Handicap für die Güterbahnen, und das sind die Engpässe im Bereich der Schieneninfrastruktur.

Diese zu beheben, dauert seine Zeit. Was die Situation zusätzlich erschwert, ist der wachsende Personenverkehr auf der Schiene. Dabei bräuchten die internationalen Bahnlogistiker jetzt schon dringend zusätzliche Trassen auf der Schiene. Und auch der Ausbau der Anschlussbahnen erscheint Andreas Mandl dringend angebracht. In seiner Vision läuft ein Großteil des internationalen Güterverkehrs in Zukunft auf der Schiene. Dafür schwebt ihm ein Raster von Bahnterminals im Abstand von rund 300 Kilometern vor Augen, denen Lkw mit LNG-Motoren oder anderen alternativen Antrieben für den regionalen Verteilerverkehr beziehungsweise für die Vorholung von Güter zugewiesen sind.

Bis dahin müssen die Güterbahnen andere Lösungen finden. Zwar begrüßt Andreas Mandl die Pläne der Europäischen Kommission, denen zufolge im Jahr 2030 etwa 30 Prozent aller Gütertransporte den Weg auf die Schiene finden sollen. Derzeit beträgt der Bahnanteil in der EU nur 17 Prozent. Dafür müssten enorme Beträge in die Modernisierung der bestehenden Schieneninfrastruktur und in den Bau von neuen Strecken investiert werden. Das lässt sich in einem Zeitraum von zehn Jahren schwer realisieren. Im Kreis der österreichischen Schienenbahnen hegt man die Befürchtung, wonach es abgesehen von den in der Umsetzung befindlichen Projekten wie der Semmering- und Koralmstrecke so schnell keine zusätzlichen maßgeblichen Kapazitäten für den Güterverkehr auf der Schiene geben wird. Schon beim Thema Pyhrnbahn spießt es sich seit Jahren.

Um trotzdem weiter wachsen zu können, prüft die LTE-group die Möglichkeiten für die Beschleunigung der Güterzüge. „Innovatives Wagenmaterial ist für uns ein großes Thema“, erläutert Andreas Mandl im Gespräch mit der Österreichischen Verkehrszeitung. Als Beispiel erwähnt er die mit neuen Drehgestellen ausgestatteten Containertragwagen. Sie erlauben Geschwindigkeiten bis zu 140 km/h, was ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zum bisher genutzten Rollmaterial wäre. Ihre Grundausstattung mit Scheibenbremsen würde auch die Lärmbelastung begrenzen. Denn was nützt den Anrainern entlang der Bahntrassen eine umweltfreundliche Transportlogistik, wenn sie zukünftig ihre eigenen Worte nicht mehr verstehen und schlaflose Nächte haben.

Für die LTE-group, die in 2020 ihr 20-jähriges Bestehen feiert, ist es bisher ganz gut gelaufen. Der Unternehmensgründung lag die Suche des Verkehrsministeriums nach einer Alternative zur Staatsbahn für die Durchführung der Bahntransporte mit Aushubmaterialien der Großbaustellen Lainzer Tunnel und Wienerwald Tunnel zugrunde. Zu diesem Zweck gründete der Baukonzern Porr gemeinsam mit der Graz-Köflacher Bahn- und Busbetrieb GmbH (GKB) die Privatbahn. Die Anteile der Porr an der LTE-group wurden im Jahr 2015 an die Rhenus Gruppe verkauft. Seither verfügt die private österreichische Güterbahn über noch mehr transportlogistisches Know-how in den eigenen Reihen.

Zur Strategie der LTE-group gehörte die Etablierung eines Netzwerkes mit eigenen Bahngesellschaften in möglichst vielen europäischen Ländern. „Wir können durchgängige Transporte von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer und von der Adria bis ins Baltikum durchführen“, sagt Andreas Mandl. Über die Schwestergesellschaft Adria Transport als Joint Venture von GKB und Luka Koper d.d. sind Verbindungen zum slowenischen Seehafen sichergestellt. In Kürze erwarten die Verantwortlichen den Erhalt von Sicherheitsbescheinigungen für die Durchführung von Schienengüterverkehren in Eigentraktion in Kroatien (Adria Transport) und Bulgarien (LTE-group). Darüber hinaus wird mittelfristig der Markteintritt in Belgien und Italien erwogen.

Im Jahr 2019 hat die LTE-group laut eigenen Angaben rund 7,5 Mio. Tonnen Cargo befördert, darunter Neuwagen, Container, Agrargüter, Rohstoffe und Produkte der Mineralöl-/Chemieindustrie. Der Personalstand dürfte 2020 erstmalig die Marke von 500 Mitarbeitenden übersteigen. Der Jahresumsatz erreichte zuletzt 140 Mio. Euro. Dazu kommen 11 Mio. Euro von der Adria Transport, die rund 40 Personen beschäftigt. Der Bestand an rollendem Material beträgt bei der LTE-group 80 Lokomotiven, wovon sich 32 Einheiten im Eigentum der privaten Güterbahn befinden, ergänzt um etwa 800 gemietete Bahnwagen in unterschiedlichen Ausstattungsvarianten.

Mit seiner verkehrsgeographischen Vielfalt sowie der Befähigung zur Bedienung von zahlreichen Ländern in Europa in Eigenproduktion war das österreichische Schienenverkehrsunternehmen bis vor zweieinhalb Jahren ziemlich einzigartig. Dieser Wettbewerbsvorteil schwindet zusehends, weil eine wachsende Zahl von Anbietern mittlerweile ähnliche operative Strategien verfolgt. In Anbetracht dieser Tatsache muss sich die LTE-group für die Zukunft entweder über den Preis definieren oder innovative Konzepte entwickeln. Man habe vor sich neu zu erfinden, bemerkt Andreas Mandl dazu. Über Details dazu werde man die Kunden aus dem Kreis der Partnerbahnen, Speditionen und Industrieunternehmen zeitgerecht informieren.
JOACHIM HORVATH

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