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Pick-Buddies – die neue Welt der kollaborativen und mobilen Lager-Roboter

Pick-Buddies oder Collaborative Mobile Robots sorgen als autonome Roboter für eine smarte Automatisierung bei der Person-zur-Ware Kommissionierung. Sie sind einfach zu bedienen, einfach einzuführen, benötigen in der Regel nur geringe Investitionen und schließen die Automatisierungslücke zwischen einer manuellen Kommissionierung und vollständig automatisierten Ware-zur-Person-Lösungen auf ihre sehr smarte Weise.

Beitrag: Wolfgang Keplinger.

1. Smarte Lager-Autonomisierung: Smarte Roboter sorgen für einen Produktivitäts- und Agilitäts-Booster im Lager.
Die Roboterisierung ist eines der wichtigsten Top-Logistik-Themen der letzten Jahre. Durch ihre vielfach smarten Eigenschaften haben die Roboter sehen gelernt, was ihnen nicht nur beim Fahren selbst sondern auch beim Aufnehmen bzw. Absetzen der von ihnen transportierten Materialien sehr hilft. Durch ihre Sensoren können sie nun eng und ohne jegliche Gefährdung mit Menschen zusammenarbeiten. Durch ihre künstliche Intelligenz lernen sie, jeden Tag etwas besser, zuverlässiger und sicherer zu werden.

Automatisierte Läger waren jahrzehntelang durch eine mechanisch basierte Automatisierung geprägt. Regalbediengeräte lagern produktiv ein und bedienen die Lagermitarbeiter zuverlässig mit Material (Ware-zur-Person), wenn … … ja wenn die Bedarfe recht konstant anfallen, das Sortiment nicht riesengroß ist, kurzfristige Veränderungen nicht stattfinden und Anforderungen wie hohe Lagerdichte oder geringer Energieverbrauch eine eher untergeordnete Rolle spielen. Auch wenn die Einführung der shuttle-basierten Lagertechnologie einige dieser negativen Aspekte verringert hat – die Lagerlast wird ja auf viele kleine Einheiten verteilt und man ist nicht mehr so sehr von der Verfügbarkeit einiger weniger Regalbediengeräte abhängig – eine gewisse Starrheit und geringe Anpassbarkeit sowohl was Bauraum, Lagerplätze oder Ein-/Auslagerleistung betrifft, ist auch bei den shuttle-Systemen erhalten geblieben. Da bedurfte es der Einführung gänzlich neuer, autonomer Lagersysteme, um diese Nachteile wettzumachen. Cube-Systeme stellen die Behälter direkt aufeinander und zeichnen sich durch ihre hohe Lagerdichte aus (teilweise bis zu vierfach so hoch wie manuelle Standardsysteme). Das inzwischen seit einem Vierteljahrhundert am Markt verfügbare Autostore nutzt smarte Roboter zum Ein- und Auslagern der Behälter von oben, während das neue Powercube-System von Jungheinrich die Behälter von unten einschiebt bzw. wieder herausholt. Systeme wie die Sky-Bots von Exotec zeichnen sich dadurch aus, dass die Roboter nicht nur am Hallenboden verfahren können, sondern auch selbst am Regal die dritte Dimension (Höhe) bewältigen können – ohne zusätzliche Regalbediengeräte.

Wieder andere Systeme wie Servus fahren auf Schienen und können so auch die gelagerten Materialien nicht nur am Lager selbst bereitstellen, sondern bis an die Produktionslinie bringen und dort direkt den Produktionsmitarbeitern andienen. Alle diese Roboter-basierten Lagersysteme sind sehr viel flexibler geworden, nicht nur was den Lageraufbau und die Nutzung des verfügbaren Raumes angeht, sie sind auch autonom bezüglich der Steuerung und flexibel bezüglich Einsatz und Lagerleistung geworden. Und auch nachhaltig, denn durch ihre smarte Energierückgewinnung sind sie auch deutlich energieärmer und sparsamer. Dies alles führt dazu, dass moderne Lagertechnologien heute wirklich autonom geworden sind. Sie passen in fast jeden Raum, brauchen nicht immer eine gänzlich neue, dedizierte Lagerhalle, sie sind in kurzer Zeit aufgebaut und können bei Bedarf flexibel sowohl in Richtung zusätzlicher Lagerplätze aber auch zusätzlicher Roboter-Leistung angepasst werden – und das in beide Richtungen, d.h. es ist egal ob das Lager vergrößert oder verkleinert wird. Dabei liegen die Kosten nicht trotz, sondern vor allem wegen der guten Skalierbarkeit der autonomen Lagertechnologien nicht nur maximal im Bereich der mechanisch automatisierten Technologien, sondern in vielen Fällen sogar (merkbar) darunter.

2. Seite an Seite: Pick-Buddies – die wirklich kollaborativen Roboter-Kollegen.
Wenn Sie also im E-Commerce oder im Distributionsbereich tätig sind, wenn sie heute Ihr Lager vor allem manuell betreiben, wenn Sie tendenziell ein eher großes Sortiment mit nicht allzu hoher Spitzenleistung bedienen, dann sollten Sie über eine smarte Automatisierung ihres Lagers nachdenken. Dazu müssen Sie nicht gleich eine nicht zu unterschätzenden Investition in ein smartes und autonomes Ware-zur-Person System im Fokus haben. Denn es gibt nun mit den Pick-Buddies oder den Collaborative Mobile Robots wie sie offiziell richtig bezeichnet werden eine smarte und autonome Automatisierung im Mann-zur-Ware-Bereich. Die Collaborative Mobile Robots schließen somit die Automatisierungslücke zwischen vollständig manuell operierten Lägern (Mann-zur-Ware) und einer vollständigen Automatisierung auf Basis eines Ware-zum Mann-Systems. Die bekanntesten Anbieter von Pick-Buddies sind Locus, 6 River Systems, Fetch Robotics und Geek+.

Die Pick-Buddies unterstützen dabei die Kommissionierer, in dem Sie ihnen die vielen langen Wege zwischen dem Kommissionier Bereich und dem Konsolidierungs- bzw. Versandbereich abnehmen. Pick-Buddies helfen den Kommissioniern auch, indem Sie die Bilder von den zu pickenden Waren anzeigen, den Kommissionierer zum entsprechenden Lagerfach hinführen oder dort bereits auf den Kommissionierer warten. Durch einen Scanner ermöglichen die Pick-Buddies die Bestätigung des erfolgreichen Pickens und mittels eines Put-by-Light-Systems zeigen Sie dem Kommissionierer auch an, in welchen von den mitgeführten Behältern/Kartons er die Ware ablegen soll, um sie der richtigen Auftragsposition zuzuführen. Dabei sind die Pick-Buddies praktisch bei allen Anbietern so konzipiert, dass sie einfach und intuitiv zu bedienen sind. Für die meisten Pick-Buddies genügt deshalb ein Training im Bereich von wenigen Minuten. Wie sie bereits erkannt haben, ist die enge Mensch-Maschine-Kooperation für die Pick-Buddies ein Grundprinzip. Über die Sicherheit dieser Zusammenarbeit brauchen Sie sich keine Gedanken machen, sie ist in vielen realisierten Anwendungen nachgewiesen.

Wirtschaftlich wird ein eine Unterstützung mit Pick-Buddies vor allem, wenn sie mindestens 10 Kommissionierer im Einsatz haben, ihr manuelles Lager über 3.000 m2 groß ist und Ihr tägliches Volumen von Kunden-Auftragspositionen über 2.000 Positionen liegt. Denn daraus ziehen die Pick-Buddies den zweiten großen Optimierungshebel neben der Eliminierung der Wegezeiten für die Kommissionierer: Sie arbeiten mit dynamisch veränderbaren Pick-Zonen und sorgen dafür, dass ein Kommissionierer innerhalb von einer Pick-Zone möglichst wenige und möglichst kurze Wege hat. D.h. sie durchforsten ständig den gesamten Auftragspool auf lokal nahe beisammen liegende Materialien, um Ihr Optimierungspotential hoch zu halten. Zumeist wird diese Optimierung durch künstlich intelligente Optimierungstools unterstützt. Damit die Pick-Buddies den Kommissionierern wirklich helfen können, und die Kommissionierer nicht ständig auf die Pick-Buddies warten müssen, arbeiten die meisten Systeme mit mehreren Robotern pro Kommissionierer. Dabei reicht der Range von 2 Robotern pro Kommissionierer bei tendenziell kleinen Lägern und kleinem Sortiment bis zu 5 Robotern pro Kommissionierer bei großen Lagerbereichen und einem großen und deshalb teilweise eher langsam drehenden Sortiment. Die Zahl der notwendigen Roboter ist insofern wichtig, als sie der wichtigste Kostentreiber bei der Installation eines Pick-Buddy Systems ist. Die Anbieter von Pick-Buddies weisen in einer Vielzahl von Veröffentlichungen deutliche Produktivitätssteigerungen vor. Vielfach wird von einer Verdoppelung der Anzahl der kommissionierten Kundenaufträge durch CMR-Einführung gesprochen. Ob das für sie wirtschaftlich ist, werden wir im nächsten Kapitel gleich
besprechen.

3. Robotic-as-a-Service: Eine Technologie fast ohne kommerzielles Risiko?
Wenn Sie also ein manuelles Lager betreiben, die beschriebenen Randbedingungen von Größe, Mitarbeiteranzahl und Auftragspositionen erfüllen, und über eine smarte Automatisierung nachdenken, dann sollten sie zunächst einmal die Gespräche mit einigen (wenigen) CMR-Anbietern suchen, um selbst besser mit der Technologie vertraut zu werden. Und um durch 2 – 3 Angebote die möglicherweise auf sie zukommenden Investitionen bzw. kontinuierlich anfallenden Service-Kosten besser abschätzen zu können. Bezüglich Sicherheit, Integration der Roboter in Ihre Lagerabläufe und die Akzeptanz der Roboter durch ihre Mitarbeiter sollten sie möglichst rasch einen Vor-Ort-Piloteinsatz durch einen der Anbieter organisieren. Denn es gibt kaum eine Automatisierungstechnologie, die man so rasch und einfach vor Ort testen kann wie die der Pick-Buddies.

In der Regel brauchen Sie keine physischen Umbauten ihres Lagers, sie brauchen nur eine einfache Integration mit Ihrem WMS und deshalb auch keine Umprogrammierungen. Das physische Equipment selbst, d.h. die Roboter sind klein und einfach zu transportieren und in den meisten Fällen steht einem ein-/zweiwöchigen Test mit 1 – 2 Robotern ganz wenig entgegen. Damit sehen Sie gleich in ihrer tatsächlichen Lagerwelt, ob und wie die Roboter funktionieren, ob und wie sie sich in ihre Prozesse einbinden lassen, ob und wie die Mitarbeiter die „neuen Kollegen“ akzeptieren oder nicht. Und sie werden sehen, dass sie selbst in der kürze der Zeit ganz viel über die neue Technologie lernen und Ängste vor dem Einsatz reduzieren werden. Bevor Sie dann aber über den Einsatz dieser Technologie final entscheiden, sollten Sie mit ihren 2 – 3 Anbietern auch die notwendigen Investitionen (CAPEX) bzw. die notwendigen dauerhaft anfallenden Kosten (OPEX) abgeklärt haben. Und zwar so, dass auch für Sie ein positiver Business Case daraus wird.

Die meisten Anbieter von Pick-Buddies präferieren eine Bezahlung in Form eines Robots-as-a-Service Modells. Die einmaligen Projekteinführungskosten liegen in der Regel in einem niedrigen sechsstelligem Bereich (hängt vielfach von der Größe des Lagers ab) und somit sind die CAPEX für diese Form der Automatisierung gering. Das Robotics-as-a-Service-Modell (RaaS) klingt am Anfang auch vielversprechend. Denn die Anbieter sind geübt, Ihnen eine kurze Amortisationszeit vorzurechnen. Allerdings lohnt es sich in den meisten Fällen – gerade bei einem RaaS-Modell – auf die wirklichen Kosten und ihre tatsächlich langfristig erzielten Kostenvorteile zu schauen. Bei einem meiner kürzlich durchgeführten Kundenprojekte hatten wir den Fall, dass die Pick-Buddy-Anbieter eine monatliche Fee pro Roboter in der Größenordnung von 1.200 – 1.500 € erzielen wollten. Das klingt nicht hoch, denn es kreiert jährliche Kosten zwischen 15.000 € und 18.000 €. Der Nachteil bei einem RaaS-Modell liegt darin, dass die Anbieter diesen Betrag unendlich lange, d.h. über den gesamten Lebenszyklus des Roboters verlangen. Wenn sie also ein System haben, bei dem sie 3 Roboter pro Kommissionierer einsetzen, dann entstehen rasch jährliche Kosten in der Größenordnung von 45.000 € bis 50.000 €.

Das zahlen in Deutschland mittlerweile viele Firmen auch für einen operativen Logistik-Mitarbeiter in Form von dessen Lohnkosten. Wenn sich also die mit den Pick-Buddies erzielte Kommissionierleistung verdoppelt (was viele CMR-Systeme auch erreichen), dann haben Sie vordergründig nichts gewonnen. Sie haben die jährlichen Mitarbeiterkosten gegen jährliche RaaS-Kosten für einen Roboter ausgetauscht. Jetzt werden Sie argumentieren: eigentlich kein schlechter Deal, denn die meisten Firmen haben mittlerweile Probleme, gute und zuverlässige Logistik-Mitarbeiter zu finden und für sich zu begeistern.

Der Markt an zuverlässigen Mitarbeitern ist nämlich zur Zeit in den meisten Regionen sehr knapp. Der tatsächliche Vorteil des Pick-Buddies liegt aber bei dieser Rechnung darin, dass der Roboter-Kollege weniger rasch ermüdet. Er arbeitet nämlich für das gleich Geld nicht nur eine, sondern sogar drei Schichten. Kurzum: für meinen Klienten hat sich das RaaS-Modell mit der Einführung eines 3-Schicht-Betriebes gelohnt. Damit braucht man nämlich für die notwendige Anzahl von Kundenauftragspositionen insgesamt weniger Kommissionierer und mit einem Verhältnis von 2 – 5 Robotern pro Kommissionierer auch weniger Roboter für die die monatliche Service-Rate zu bezahlen ist. Und damit rechnet sich dann die Pick-Buddy-Einführung innerhalb von wenigen Jahren. Aber noch erfolgreicher kaufen Sie Ihren Pick-Buddy, wenn Sie mit Ihrem CMR-Lieferanten nicht eine Bezahlung auf dem Robotic-as-a-Service Prinzip (RaaS) vereinbaren, sondern ein RaaT, eine Bezahlung der monatlichen Service-Rate nur für den Fall, wenn zuvor vereinbarte Leistungsziele erreicht wurden, also auf dem Prinzip Robotics-at-achieved-Targets. (RED)

Info eMail: wolfgang.keplinger@eccell.online

LOGISTIK express Journal 5/2022

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