Prof. Gabriel Felbermayr: Von der Globalisierung zur Slowbalisierung

Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel), prognostiziert bei IFWK-Pressestunde in Wien einen Rückgang des weltweiten Bruttoinlandsprodukts 2020 um 5 Prozent.

„Die derzeitige Wirtschaftskrise ist so brutal, wie keine andere“, sagte Prof. Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) in der „Pressestunde“ des Internationale Forums für Wirtschaftskommunikation in Wien. Nach der Krise 2008 seien die wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Pandemie ein zweiter Schock, der den Trend weg von der Globalisierung hin zur Verlangsamung der Wirtschaft beschleunigt. Der Welthandel erhole sich zwar jetzt schneller als damals, die Globalisierung gehe allerdings aufgrund der verkürzten Wertschöpfungsketten zurück. Weiters empfiehlt Felbermayr ein Umdenken bei den milliardenschweren Hilfspaketen.

„Wir erleben eine Wirtschaftskrise wie keine andere“, leitete Prof. Gabriel Felbermayr seine Keynote bei der Pressestunde des Internationalen Forums für Wirtschafskommunikation (IFWK) ein. „Ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts wurde in Form von Hilfsmaßnahmen bewegt, das ist brutal.“ Jetzt stelle sich die Frage, wie man aus diesen großen Hilfsmaßnahmen wieder rauskommt. „Wir gehen davon aus, dass der Schaden für Österreich – über die Jahre 2020 und 2021 gerechnet – über 45 Mrd. Euro betragen könnte. Auch ein schnelles Hochfahren nach der Krise macht diese Verluste nicht ungeschehen.“ Die Rettungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit machen aber noch ein Vielfaches dessen aus, so der Wirtschaftsexperte: „Da stellt sich die Frage, ob die Verhältnismäßigkeit noch gewährleistet ist. Die Gefahr der Überdosierung muss man ernst nehmen.“

Lasst uns die Inflation nicht abschreiben.
Laut Felbermayr können sich die Staaten deshalb so stark verschulden, weil die Anlagen direkt in die Zentralbankbilanzen wandern. Dem „Verbot der direkten Staatsfinanzierung“ zufolge dürfe das eigentlich nicht sein: „Aber so läuft das über den Weg der Banken: Klassisches Gelddrucken in massivem Ausmaß.“ Aber warum wird dadurch die Inflation nicht getrieben? „Weil dieses Spielchen in der derzeitigen Situation alle spielen und dadurch die Wechselkurse nicht so stark beeinflusst werden. Es kommt zu keiner Abwertung, die Importe teurer machen würde. Aber gleichwohl würde ich sagen: Lasst uns die Inflation nicht abschreiben. Diese Spielchen werden nicht ewig funktionieren“, konstatiert der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel).

Welt-BIP fällt um fast 5 Prozent.
Die derzeitige Wirtschaftskrise sei deswegen so dramatisch, weil sie diesmal alle Wirtschaftsmärkte weltweit schrumpfen lässt. Im Gegensatz dazu sind nach dem Lehman-Pleite 2008 Schwellen- und Entwicklungsländer gewachsen und China ist fast ungeschoren davongekommen: „Jetzt schrumpfen wirklich alle großen Teile der Weltwirtschaft – im Schnitt beträgt der Rückgang acht Prozent. Das weltweite Bruttoinlandsprodukt wird 2020 um fast fünf Prozentpunkte fallen“, prognostiziert Felbermayr.

China hat am wenigsten Federn gelassen.
Zu den großen Verlierern der Krise zählt laut Felbermayr Indien: „Indiens Märkte hätten laut unseren Prognosen vom Herbst 2019 heuer zweistellig wachsen sollen. Durch den Lockdown schrumpfen sie aber weiter und werden sich nur langsam erholen.“ China stünde ohne Krise auch besser da, sei aber nicht so stark betroffen: „China hat statt den ursprünglich prognostizierten sechs Prozent zwar nur rund drei Prozent Wachstum, gewinnt aber dadurch weiterhin dramatisch an relativer Bedeutung.“

Melzer: Hoffnung, dass sich Industrie schneller erholt.
„Im Gegensatz zur Lehman-Krise 2008 kommen die Industrieproduktionen jetzt schnell wieder zurück.“ Diese Aussage Felbermayrs stimmt IFWK-Präsident Rudolf J. Melzer positiv: „Bei all den Horrorszenarien, die momentan täglich auf uns hereinprasseln tut es gut, zu hören, dass, wenn die Wirtschaft nur annähernd dem Trend der letzten Wochen folgt, sich die Industrie schneller erholen wird als nach dem letzten Crash. Ich glaube, es wäre fatal, den Optimismus zu verlieren.“

Unsicherheit ist Gift.
Auch bezüglich der derzeit steigenden Infektionszahlen beruhigt Prof. Felbermayr. Auf die Frage, ob die Angst vor der zweiten Welle berechtigt wäre, entgegnet er: „Laut Epidemiologen ist die zweite Welle der Erkrankung momentan kleiner als die hohen offiziellen Zahlen vermuten lassen. Diese erklären sich zum Teil durch das Mehr der Testungen.“ Natürlich sei weiterhin Vorsicht geboten, es sei aber noch wichtiger, nicht in Panik zu verfallen, denn „Unsicherheit ist Gift“.

Rückfragen & Kontakt:
Internationales Forum für Wirtschaftskommunikation, Tel.: 01/526 89 08 0, E-Mail: office@ifwk.net

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