Ukraine-Krieg und Inflation lassen Handelsumsätze um -14% einbrechen
Bundesweite Händlerbefragung: 75% der Betriebe kämpfen mit Lieferverzögerungen, 41% mit Personalmangel. Enorme Preissteigerungen in Beschaffung sind die Herausforderung für Einzelhändler.
Beitrag: Rainer Will.
Der Ukraine-Krieg und die pandemiebedingten Kapazitätseinschränkungen in Asien haben die Preise in ganz Europa in die Höhe getrieben. Die aktuelle Teuerungswelle hat sich wie prognostiziert verfestigt und stellt zu-nehmend für alle Handelsformate und Warengruppen eine existenzielle Herausforderung dar. Hinzu kommt ein Personalmangel von historischem Ausmaß: Rund 20.000 offene Stellen können allein im Einzelhandel nicht zeitnah besetzt werden. Wie es den heimischen Händlerinnen und Händlern – vom KMU bis zum filialisierten Konzern – derzeit geht, hat der Handelsverband in einer Blitzumfrage analysiert.
Händlerbefragung – die Ergebnisse stimmen besorgniserregend: Die österreichischen Händler erwarten für das Gesamtjahr 2022 (im Vergleich zu 2019) einen Umsatzverlust von -14% aufgrund des Ukraine-Kriegs und der Inflation.
75% der heimischen Händler verzeichnen aktuell Lieferverzögerungen bzw. -engpässe. 41% haben derzeit mit Personalmangel zu kämpfen. Bei 15% aller Betriebe ist deshalb nur ein eingeschränkter Betrieb(bis hin zu Filialschließungen) möglich. Ein Fünftel der Branche leidet unter verstärkter Personalfluktuation.
Der Umsatz in Q2/2022 ist gegenüber Q2/2021 um durchschnittlich -8% zurückgegangen. Die Kundenfrequenz in Q2/2022 hat sich gegenüber Q2/2021 um -12% reduziert. Als größte Herausforderungen nennen die Händler die enormen Preis- und Kostensteigerungen (in Beschaffung, Logistik, etc.) sowie Beschaffungsengpässe & Lieferverzögerungen im Einkauf.
Der Handel steckt in einem Dilemma.
Die Ergebnisse der Befragung zeigen deutlich, welche massiven Folgen die Teuerungswelle auf den österreichischen Handel hat, Einerseits legen die Beschaffungspreise immer mehr zu und andererseits gehen die Umsätze der Händler durch die Kaufkraftreduktion immer deutlicher zurück. Die Kundenfrequenz ist zuletzt um 12 Prozent eingebrochen. Selbst beim Kauf von Lebensmitteln gibt es inzwischen spürbare Verschiebungen. Zwei Drittel der Konsumentinnen und Konsumenten achten bewusst darauf, wie viel sie für den täglichen Einkauf ausgeben und greifen vermehrt zu günstigeren Produkten. Aufgrund der Inflation treten immer mehr Wechselkäufer auf, die statt zu Bio eher zu konventionellen Produkten greifen müssen.
Die Crux für den Handel: Einerseits müssen Waren so teuer wie noch nie beschafft werden, andererseits ist bereits jeder zweite Österreicher gezwungen, sich finanziell einzuschränken. Die Inflation frisst sich von den Geringverdienern bis in den Mittelstand hinauf und verfestigt sich immer mehr in weiten Teilen der Bevölkerung.
Mietvertragsgebühr abschaffen und regionalen Handel entlasten!
Vor diesem Hintergrund ist das dreistufige Anti-Teuerungspaket der Bundesregierung ein wichtiges Signal. Die strukturellen Entlastungen zur Stärkung der Kaufkraft treten zwar später als erhofft in Kraft, aber insbesondere die Abschaffung der kalten Progression und der Startschuss für die Senkung der Lohnnebenkosten sind langjährige Kernforderungen des Handelsverbandes, die nun Stück für Stück umgesetzt werden. Klar ist aber auch, dass wir weiterhin auf Platz 3 der EU-Staaten mit den höchsten Lohnnebenkosten bleiben werden, daher hoffen wir auf weitere Schritte in diesem Bereich. Die Erhöhung des Klimabonus auf 500 Euro ist ebenso sinnvoll wie die Zusatzzahlung zur Familienbeihilfe und die Möglichkeit für Arbeitgeber, ihren Beschäftigten eine Mitarbeiterprämie von 3.000 Euro steuerfrei auszubezahlen.
Eine gezielte Entlastung von mitarbeiterintensiven KMU-Betrieben mit regionaler Wertschöpfung durch deren Betriebsstätte in Österreich steht seit langem aus: Daher erneuert der Handelsverband seine Forderung nach einer Abschaffung der Mietvertragsgebühr. Diese umgangssprachlich als „Papierverbrauchssteuer“ bezeichnete Gebühr aus der Zeit Maria Theresias ist Gift für den Beschäftigungs- und Wirtschaftsstandort Österreich und kostet heimische Händler tausende Euro im Jahr, noch bevor diese überhaupt den ersten Euro verdienen können. Damit werden lenkungspolitisch genau jene Geschäftsmodelle belastet, die wir eigentlich unterstützen sollten. Ein Unikum, denn innerhalb der EU ist Österreich der letzte Nationalstaat, der eine solche Abgabe einfordert.
Über die Befragung:
Die Corona-Blitzumfrage des Handelsverbands fand von 14. bis 20. Juni 2022 statt. 172 Handelsbetriebe (39 stationäre Händler, 16 reine Online-Händler und 117 Omnichannel-Händler) aller Größenklassen aus dem Kreis der über 4.500 Mitglieder des Handelsverbandes haben an der Online-Befragung zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges und der Inflation teilgenommen. (RW)
Quelle: LOGISTIK express Journal 3/2022