Von Mangelware zum Überfluss

Das Thema Frachtraumverknappung ist in der Seefracht Schnee von gestern. Heute streiten sich eher Containerschiffe um einen Parkplatz, die Situation der Reeder spitzt sich zu.

Lange Zeit war es schier unmöglich, kurzfristig freie Ladekapazitäten auf Containerschiffen zu bekommen, die großen Handelshäfen platzten beinahe aus allen Nähten und die Liegezeiten verlängerten sich unangenehm, da es schlichtweg zu viele Schiffe gab, die auf die Löschung ihrer Ladung warteten. Der Verfall des Dollarkurses und der praktische Zusammenbruch der amerikanischen Automobilindustrie änderten die Situation schlagartig, viele Schiffe ankern leer und warten auf Aufträge – die Frachtraten befinden sich im Keller. „Hat man vor einem Jahr noch etwa 1.800,- USD für einen 40 Fuß Container aus einem Fernost-Haupthafen zu einem Continentalhaupthafen bezahlt, liegt der Preis heute bei etwa 500,- bis 700,- USD“, veranschaulicht Wolfgang Klepatsch, Direktor Seafreight & Intermodal von Kühne + Nagel Österreich, die dramatische Situation.

Des einen Freud, des andren Leid
Während die verladende Wirtschaft über die extrem niedrigen Raten jubelt, befinden sich viele Reeder in ernsthaften Schwierigkeiten: „Aktuell schreiben große Reedereien 5 bis 10 Millionen USD Verlust pro Woche im Fernost-Handel. Die Frage ist, wie lange sie das noch durchhalten“, weiß Klepatsch um den Ernst der Lage. Durch das Anpassen der Raten und das Stilllegen von Frachtern wird derzeit versucht, den Frachtraum wieder zu verknappen, um eine Balance mit den Volumina herzustellen – ein schwieriges Unterfangen. Schließlich ist laut Verordnung (EG) Nr.1490/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates seit 18. Oktober 2008 die Abhaltung von frachtratenbindenden Linienkonferenzen in Europa verboten.

Quasi als Flucht nach Vorne hoben die 16 Schifffahrtslinien in der IPBCC (India-Pakistan-Bangladesh-Ceylon Conferences) mit 1. März 2009 die Frachtraten um 100 USDollar pro Standardcontainer (TEU) für die Strecke Indien – Europa an. Die Wahrscheinlichkeit, dass die anderen mitziehen, ist hoch. Transporte von indischen Häfen in den Norden des Vereinigten Königreichs, nach Skandinavien sowie in die baltische und Mittelmeer-Region wurden auf 848,30 EUR pro TEU sowie 950 EUR pro TEU angehoben. Die 16 Linien der IPBCC sind: ANL, CMA CGM, Hamburg Süd, Hapag Lloyd, K Line, MacAndrews, Maersk, MISC, CSAV Norasia, PNSC, Rickmers, Safmarine, Shipping Corporation of India, UASC, Yang Ming und Zim.

Herausforderung für Alle
Klepatsch hofft, dass sich die Lage stabilisiert und die Reeder auf den Rückzug aus kritischen Routen verzichten können: „Es geht hier natürlich auch um die Servicequalität, weniger Abfahrten bedeuten längere Laufzeiten, und das ist nicht im Interesse der Kunden.“ Die Spediteure wollen natürlich das Beste für die Kunden herausholen, sind aber gleichzeitig auf einen spielenden Markt und damit ein breites Angebot an Reedereien angewiesen. „Momentan muss man sich sehr genau ansehen, welche Reederei man betraut. Wenn dieser mitten während der Fahrt plötzlich das Geld ausgeht, müssen wir als Spediteur die Ware auslösen, da wir gegenüber unseren Kunden in der Verantwortung stehen“, rät Klepatsch zu erhöhter Vorsicht. Denn nicht immer sei die billigste Lösung auch die beste.

Quelle: Logistik Express Ausgabe Nr.1 | 2009

Schreibe einen Kommentar

Translate »