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AUS für die nasse Logistik?

Flussbauliches Gesamtprojekt (FGP) vor dem Ende? Freiwillig gebaut ist immer nur das erste Kraftwerk, oder der erste Eingriff an einem Fluss. Jedes weitere Kraftwerk oder andere Baumaßnahmen sind die Folgen der ersten Entscheidung.

Frei fließende Flüsse müssen Schotter transportieren, der spätestens im Mündungsgebiet wieder abgelagert wird. Das ist sozusagen die Lebensaufgabe eines Fließgewässers. Unterbindet man diesen natürlichen Vorgang irgendwo im Flusslauf, hat man ein Problem. Das Donau-Dilemma begann schon mit dem k.u.k Hofbaurath Schemerl und der „Donauregulierungskommission“ 1867. Dass den Donauauen nicht schon viel früher der Garaus gemacht wurde, verdankt sie einzig und allein der kaiserlichen Jagdleidenschaft, für die Wildreichtum in den Donauauen wichtiger war, als Hochwasserschutz.

Geburtsstunde
Richtig „eng“ wurde es für die Donau ab 1952 mit dem Kraftwerksbau Jochenstein und 1954 mit dem Kraftwerk Persenbeug. Das geplante Kraftwerk in Hainburg, das (zumindest) Österreich von einigen Sorgen befreien hätte sollen, wurde bekanntlich 1984 bei der „Konferenz der Tiere“ versenkt. Dennoch wurde danach das Kraftwerk Freudenau unter den Augen der von der Bundesregierung frisch einberufenen „Ökologiekommission“ und später sogar mit Zustimmung der Bevölkerung gebaut (Wiener Volksbefragung 1991). Die Helmut(Zilk) Turbine ist somit seit der Inbetriebnahme am 2. Juni 1998 praktisch das letzte Bollwerk für den ungehinderten Schottertransport der Donau unterhalb von Wien. Ab hier holt sich der Fluss den Schotter vom Flussgrund und zwar mit unendlicher Gier. Bis zu 3 cm pro Jahr beträgt die Eintiefung der Donau, überlässt man sie ihrem Schicksal. Das entspricht etwa einer Menge von 300.000 m3 Schotter pro Jahr. 2004, sechs Jahre nach dem Kraftwerksbau Freudenau, musste man deshalb den Pegelnullpunkt, der maßgeblich für die Pegelfeststellung ist, gleich um einen (!) Meter nach unten ändern. In der 11-jährigen Messperiode vor Freudenau änderte sich der Pegelnullpunkt „nur“ um insgesamt 0,33 Meter. Was mit dem Schotter oberhalb einer Staustufe passiert? Das ist eine andere Geschichte, die trägt den Namen Sedimentablagerungen und lässt die Kraftwerksbetreiber, Wasserbauer und Politiker bereits ordentlich schwitzen.

Die Eigenheiten und Animositäten der freifließenden Donau waren also früh erkannt, aber was tun? Die Österreichische Bundesregierung verabschiedete 1992 ein Memorandum über den verkehrspolitischen Stellenwert der österreichischen Binnenschifffahrt und Maßnahmen zur Förderung des Güterverkehrs auf der Donau. Die besten Wissenschaftler des Landes wurden an einen Tisch geholt. Sie ersonnen einen Konzept, dass allen Anforderungen entsprechen sollte. Das Flussbauliche Gesamtkonzept östlich von Wien (FGP) war bald geboren. Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Selbst unter den  NGOs  entfachte das FGP Wortgefechte und Streitereien um die besseren Ideen für die Umsetzung. Aber auch alle anderen Interessensgruppen sagten meist etwas anderes, als sie dachten. Dennoch verkaufte man Einigkeit und wusste gleichzeitig, dass es keine Einigkeit geben würde. Der gemeinsame Nenner, der Kitt zwischen den unterschiedlichen Interessen, war jedoch immer die außer Streit stehende und unabdingbar notwendige Stabilisierung der Flusssohle. Wird das nicht geschafft, das wussten alle, gibt es keine Schifffahrt, keinen Nationalpark, keinen Gewässerschutz und keinen Naturschutz. Die Frage war also nicht wann und ob überhaupt gehandelt werden muss, sondern wie. Und genau da liegt der Hund begraben. Jahre der Diskussion und Versuche zogen ins Land. Schiffsschrauben wurden bei Versuchsfahrten zu Schrott gefahren. Sogar ein „Testfluss“ wurde in Nußdorf errichtet. Außer Spesen, nichts gewesen? Die Problemstellung blieb jedenfalls bestehen.

Donauraumstrategie bringt Bewegung in FGP – 1992 letztes ernstzunehmendes, politisches Bekenntnis zur nassen Logistik
2011 startete die viel beachtete, inzwischen dahinsiechende, Europäische Donauraumstrategie. Das geliebte Baby des österreichischen EU-Kommissar Johannes Hahn entwickelte sich gut und setzte dem seit 2006 existierenden Europäischen Aktionsprogramm für die Binnenschifffahrt (NAIADES) noch eines drauf. Es wurde geplant, gefeiert und gelobt, dass sich sprichwörtlich die Schiffsbalken bogen. Die Verkehrsverlagerung im Donauraum von der Straße auf die Wasserstraße schien zum Greifen nah. Im Vorfeld gab es natürlich noch öfters eine „Fact-Finding-Mission“, quasi einen Jahrmarkt der Ideen (Spindelegger) auf europäischer Ebene, denn man wollte ja „Nägel mit Köpfen“ machen. Tatsächlich glaubten alle, die Stunde von Karl Marx  („Proletarier aller Donauländer vereinigt euch“) ist gekommen. Obwohl, EU-Kommissionspräsident Herman Van Rompuy dachte zu diesem Zeitpunkt noch immer, die Donau hat nur etwas mit Walzerklängen zu tun. Leider hat die Donauraumstrategie nicht eine Priorität sondern elf Prioritäten und entsprechend viele unterschiedliche Interessen. Eine davon war, den Güterverkehr auf der Donau bis 2020 um 20 Prozent (Basis 2010) zu erhöhen. Ein Wunsch, der sehr gut mit dem österreichischen FGP kompatibel erschien. Angela Merkel erkannte zwar sofort das Spannungsverhältnis und die unterschiedlichen Interessen, aber sie wusste auch, Zusammenarbeit kann nie schaden. Tatsächlich kam mit der Donauraumstrategie dann etwas Bewegung in Sachen Flussbauliches Gesamtprojekt.

Kein gemeinsamer Nenner für die Donaulogistik
Das schon 2006 eingereichte und 157 Mio. teure FGP musste im Laufe der Zeit jedoch schon Kürzungen der EU-Förderungen hinnehmen, weil Zeitpläne nicht eingehalten wurden. Man einigte sich schließlich Ende 2011 auf ein „Pilotprojekt Bad Deutsch Altenburg“ – also ein nur drei Kilometer langes Teilstück des 48 Kilometer langen Flusslaufes von Wien bis zur Staatsgrenze. Mit dem Pilotprojekt sollte festgestellt werden, ob die unterschiedlichen Interessen wenigstens versuchsweise auf einen Nenner gebracht werden können. Drei Jahre Bauzeit wurden zunächst vorgesehen und nur 17 Mio. Euro sollte der Versuch kosten (50 % EU). Kernstück war die sogenannte „Granulometrische Sohleverbesserung“.

Vereinfacht ausgedrückt: man schmeißt eine Menge Schotter gezielt ins Flussbett, wobei die Steine so groß sein müssen, dass sie von der Strömung nicht mehr weggeschwemmt werden können. Im Fachbegriff „Grobschotterbeigabe“ genannt.  Gemixt mit ein paar ökologischen Maßnahmen und Verbesserungen für die Schifffahrt, sollte das den Versuch wert sein. Aber schon türmten sich bedrohliche Gewitterwolken in Bayern auf, wo plötzlich der bayerische Gottseibeiuns Seehofer keine Lust mehr verspürte, seinen Teil zur Optimierung der seit 1992 bestehenden, durchgehenden Wasserstraße von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer beizutragen. Tatsächlich kam Anfang 2013 das Bayerische Aus für den Donauausbau. Damit verlor Österreich ein gewichtiges Argument bei den Ausbaugegnern, im Einklang für einen paneuropäischen Donaukorridor zu arbeiten.

Wien hatte und hat noch immer großen Interesse daran, dass die Donaulogistik in Schwung kommt. Geht es doch um die Rechtfertigung von Millionen Investitionen der Stadt in die Hafeninfrastruktur, die zwar wenig mit Schifffahrt, aber viel mit Fördergeld zu tun hat. Dennoch bot das FGP die Chance, dass endlich schwer beladene Kähne das ganze Jahr über den Hafen anlaufen konnten. Und Österreich untermauerte 2006 das Ganze auch noch mit einem 270 Mio. schweren Nationalen Aktionsplan – kurz NAP genannt (parallel zu NAIADES) und der Aussicht, dass bis 2015 nicht wie bisher 12, sondern 25 oder gar 27 Mio. Tonnen Transportgut über die Donau laufen werden (Kukacka). Für den Wirtschaftskämmerer Klacska ein Lackmustest in Richtung Gestaltungswillen in der Verkehrspolitik.

Das Geschäft mit dem Schotter
2016 dann das Aus für das Flussbauliche Gesamtkonzept mit seinem Pilotprojekt zur Sohleverbesserung in der Donau. Oder sollte man besser sagen, der Projektbetreiber ist vor dem Beharrungsvermögen der Beamten in die Knie gegangen? Tatsächlich erkennt man im Hintergrund ein Bestreben „zur späteren Entscheidung“. Früher, beschreibt Musil, nannte man so ein Beamtenverhalten auch „assivieren“. Nach zehn Jahren mussten sich die Projektbetreiber wohl eingestehen, man kann mit Beamten des 18. Jahrhunderts keine Projekte im 21. Jahrhundert bauen. Anderseits ist der „Assivismus“ auch wieder verständlich. Die Maßnahmen zu Sohlestabilisierung, die an eine Sisyphusaufgabe erinnern, würden – wenn überhaupt –  erst in Jahrzehnten wirksam werden und jährlich würden Unsummen die Donau hinab schwimmen. Auch wenn man versucht, den „investierten“ Schotter noch vor der Grenze wieder auszubaggern und wieder zu verwerten, profitiert haben bisher nur jene Unternehmen, die den Schotter für die Donau verkauft haben. Die Klappschuten, die den Schotter in der Donau versenkt haben und insbesondere jene Unternehmen, die in Bratislava die „Schürfrechte“ besitzen. Denn sie kamen (und kommen noch immer) zu einem unverhofften, schön sortierten Schottersegen, den die Donau verlässlich aus Österreich anschwemmt. Und die Güterverkehrs Statistik hat auch profitiert. Plötzlich gab es punktuell astronomische Transportsteigerungen, weil Schotter im Kreis transportiert wurde. Man merkt schon, nähert man sich mit Albert Camus dem Mythos Sisyphus, dann war der mit seinem Schicksal vielleicht wirklich recht glücklich. Was der nassen Logistik bleibt, ist die Hoffnung, dass sich die Bundesregierung ihrer 1992 formulierten Bedeutung der Binnenschifffahrt noch erinnert.

Die Donaukommission, vom weltweit anerkannten Wasserbauer zum Sekretariat der Tatenlosigkeit
Für die Binnenschifffahrt und die nasse Logistik hat sich nämlich nichts geändert. Der Rechnungshof bemängelte 2013 auch, dass die Unternehmensziele der via donau/BMVIT und die Förderziele klar verfehlt wurden. Relativierte diese Feststellung dann allerdings 2016 und gestand via donau zu, wenigstens zielgerichtete Maßnahmen zu setzen. Statt der prognostizierten Steigerungen des Transportvolumens, grundeln die Schiffe noch immer bei kaum 10 Mio. Tonnen/a herum. Pro Danube Austria (PDA) monierte 2014 sogar eine teilweise Verschlechterung für die Binnenschifffahrt durch die flussbaulichen Maßnahmen und dass die angestrebten Ziele klar verfehlt wurden. Darüber hinaus gab PDA der Sorge Ausdruck, dass die flussbaulichen Maßnahmen in einem „Forschungsprojekt der Unendlichkeit“ enden könnten. Ebenso kritisch äußerte sich die Wirtschaftskammer 2015 und resümierte, dass das Ergebnis der flussbaulichen Maßnahmen vermehrt Anlandungstendenzen zeige und die Fahrwasserverhältnisse „definitiv nicht verbessert wurden“ (Mosser). Dafür ist aber die Gefahr, dass Schiffsschrauben durch Treibholz beschädigt werden, enorm gestiegen. Eine Folge der Renaturierung. Das hinderte das Verkehrsministerium 2015 jedoch nicht, mit einem neuen Vorstoß Verbesserungen zu versprechen. Der Nationale Aktionsplan (NAP) wurde durch das „Aktionsprogramm Donau des BMVIT bis 2022“ ersetzt. Diesmal sollten die Zielsetzungen und angestrebten Wirkungen im Vordergrund stehen. Österreichs damaliger Minister Alois Stöger verkaufte alten Wein in neuen Schläuchen.

10 Jahre Stillstand
Auffallend ist die noble Zurückhaltung der Donaukommission in all den Fragen rund um die nasse Infrastruktur. 1992 hat sich die Bundesregierung noch an die Empfehlungen der Donaukommission orientiert die da lauteten, dass unterhalb von Wien eine 2,70 Meter-Abladetiefe für Schiffe zu garantieren ist. Im Sinne der Belgrader Konvention von 1948 hätte die Donaukommission eigentlich die tatsächliche Kompetenz für die Schiffbarkeit und Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen auf der Donau zu sorgen und dies auch durchzusetzen. Nach der Konvention wäre die Donaukommission sogar berechtigt, in diesem Sinne selber tätig zu werden. Tatsächlich hat sie aber heute nicht einmal ihre schon 1962 festgelegten Ziele erreicht. Die Donaukommission überlässt das (nicht)Wirken den Nationalstaaten und stützt sich auf die eigenartige Auslegung der Belgrader Konvention, wonach diese nur auf die Aufrechterhaltung der „normalen Schifffahrt“ anwendbar ist. Abgesehen davon, dass kein Wort von einer „normalen Schifffahrt“ in der Konvention steht, was ist dann eine „abnormale Schifffahrt“ und wer ist für diese zuständig? Die Donaukommission, deren Geschichte zurück reicht bis in das Jahr 1856, damals noch stolz den Namen „Europäische Donaukommission“ trug und bahnbrechende Donauregulierungen durchführte, die noch heute wirken, hat ihre ursprüngliche Bedeutung längst verloren. Sie beschränkt sich nur noch auf die Rolle eines Sekretariates der einzelnen Mitgliedsstaaten. Der ehemalige Staatssekretär Helmut Kukacka hat schon 2006 erklärt, er trete für eine zügige Reform der Donaukommission und dem damit verbundenen Revisionsprozesses der „Belgrader Akte“ ein. Inzwischen sind auch wieder zehn Jahre Stillstand in den ehrwürdigen Räumen der Donaukommission in Budapest vergangen.

Wie weiter mit der nassen Logistik?
Für die via donau – Österreichische Wasserstraßen-Gesellschaft mbH lag die Geburtsstunde 2004 mitten im Getümmel politischer Kompetenzverschiebungen und sie durfte gleich in das kalte Donauwasser steigen. Trotz aller Probleme steht für den Projektbetreiber der Donauregulierung heute außer Frage, dass die ursprünglich angepeilten Ziele unverändert aufrecht bleiben. Diese sind die Stabilisierung der Wasserspiegellagen, Verbesserung des Lebensraums Donau-Auen sowie die Verbesserung der Wasserstraßen-Infrastruktur. Und auch die bisher angewendeten Methoden sollen, wenn es nach via donau geht, etwas modifiziert zwar, aber dennoch gleich bleiben. Weiter wurschteln und Millionen Euro mit der Klappschute in der Donau versenken ist also angesagt. Aus Erfahrung nichts gelernt?

Nachdenken über ein neues Hainburg?
Man kann es drehen und wenden wie man will: Die einfachste und billigste, aber auch nachhaltigste Lösung für die nasse Logistik wäre ein weiteres Donaukraftwerk oder zwei kleinere Staustufen auf der Strecke zwischen Freudenau und Bratislava, wie es schon bei der Regierungsklausur in Pertisau 1987 (!) ausgesprochen wurde. Damals hat das ein gewisser Erwin Pröll, LH-Stellvertreter von Niederösterreich, verhindert. Alle anderen Lösungsmöglichkeiten sind, weiß man heute, ein Krampf und sündteuer. Außer man entwickelt noch Schiffe, die ausschauen wie Fische, aber fliegen könnten und deshalb keine Wellen machen weil sie ja keinen Tiefgang brauchen. Beim Auspuff kommt nichts heraus, weil die Schuppen eigentlich Solarmodule sind, mit denen Energie erzeugt wird, damit das Ding fliegt. Im Laderaum ist keine Pfui-Ladung mehr, sondern nur noch genfreies Soja. Damit kann man ja bekanntlich alles machen – das wissen wir verlässlich seit der „Nazi-Bohne“.

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