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Belastungsprobe für die Infrastruktur

Der Klimawandel und die damit verbundenen Auswirkungen auf unser tägliches Leben geistern schon länger durch die Medien. Weniger Beachtung fand bislang jedoch die Beeinflussung der Infrastruktur, wie etwa des Schienen- oder Straßennetzes. Dass es zu Änderungen der klimatischen Bedingungen kommt, steht außer Zweifel.

Wer das „Aprilwetter“ im Mai verfolgte, dem kamen möglicherweise Zweifel an der prognostizierten Klimaerwärmung, doch auch solche Ausreißer lassen sich logisch erklären. Fakt ist, dass die Schadenereignisse in den letzten Jahren sowohl in Bezug auf ihre Anzahl als auch auf ihre Intensität deutlich zugenommen haben, das belegen die Statistiken des Österreichischen Versicherungsverbandes VVO. Klimaforscher sind bis auf wenige Ausnahmen von einem schneller werdenden Klimawandel überzeugt.

Klimakiller Treibhausgas
Für Mag. Dr. Ulrich Foelsche vom Wegener Zentrum für Klima und Globalen Wandel steht die Existenz des Klimawandels außer Frage: „Alle Untersuchungen deuten auf einen durch den Klimawandel bedingten Temperaturanstieg hin, für den wir verantwortlich sind. Durch die Freisetzung klimarelevanter Treibhausgase wie etwa CO2 verändern wir die Zusammensetzung der Atmosphäre, es kommt zu einer Erwärmung des gesamten Klimasystems.“ Natürlich hat es schon seit der Entstehung der Erde Schwankungen gegeben, wie etwa die zwischen den Warm- und Kaltzeiten der jüngsten Erdgeschichte. Neu ist jedoch die Geschwindigkeit, in der diese Änderungen geschehen.

Allgemeine Auswirkungen
Welch weitreichende Veränderungen eine anhaltende Erwärmung mit sich bringt, ist vielen gar nicht bewusst. Ein gutes Beispiel hierfür war der Rekordhitzesommer 2003, weiß Foelsche: „Durch die anhaltende Hitze führten die Flüsse Niedrigwasser. Die Folge waren Stromausfälle – aber nicht nur, weil es zu wenig Wasser für die Lauf- und Staukraftwerke gab, sondern weil das Kühlwasser für die Atomkraftwerke fehlte und diese zurückgefahren oder ganz abgeschaltet werden mussten.“ Seiner Meinung nach ist der Temperaturanstieg jener Faktor, der sich am deutlichsten verändert. „Im Gebirgsraum wandert die Permafrostgrenze nach oben, die Wahrscheinlichkeit von Erdrutschen und Steinschlägen, beispielsweise auf der Hochalpenstraße, nimmt zu. In Alaska sind aus diesem Grund ganze Siedlungen abgesunken“, nennt er weitere Beispiele. Die Erwärmung bedeutet aber nicht gleichzeitig eine Reduktion der Niederschlagsmengen, im Gegenteil: „In manchen Gegenden kommt es sogar zu mehr Niederschlag, wie etwa 1999 in Galtür. Generell wird es vermehrt starke Einzelniederschlagsereignisse geben, besonders in wärmeren Regionen, da warme Luft mehr Feuchtigkeit speichern kann“, erklärt der Experte. Für Österreichs Wetter bedeutend seien besonders Mittelmeertiefs (wie beim Hochwasser 2002). „Leider steckt die Berechnung dieser Strömungen mittels Klimamodellen noch in den Kinderschuhen“, bedauert er. Neben stärkeren Niederschlägen kam es in den letzten Jahren vermehrt zu heftigen Winterstürmen, die allerdings ein zeitlich begrenztes Phänomen sein sollten: „Stürme entstehen aus der Temperaturdifferenz zwischen dem Äquator und den Polen, kommt es zu einer weiteren Erwärmung, verringert sich diese Differenz und die Stürme sollten weniger werden“, glaubt Foelsche. Generell seien langfristige Prognosen für Niederschlagsveränderungen sehr schwierig, denn „Österreich liegt genau an einer Scharnierposition zwischen Atlantik- und Mittelmeerraumeinflüssen, mit teilweise gegenläufigen Trends.“

Klimawandel und die Straße
Zuerst das Positive: steigt die Temperatur, geht die Gefahr von Frostaufbrüchen zurück, Schlaglöcher nach dem Winter sollten also seltener werden. Dem gegenüber stehen jedoch etliche Herausforderungen: „Aufgrund der Topographie des Bundesgebiets liegen die rund 2.100 Kilometer hochrangiges Straßennetz, die wir betreuen, in mehreren Klimaregionen. Somit sind wir auch mit den unterschiedlichsten Witterungsproblemen konfrontiert“, führt Dipl.-Ing. Alexander Walcher, Geschäftsführer der ASFINAG BAU MANAGEMENT GMBH, aus. Zu diesen zählen Starkniederschläge im Winter, die einen hohen Schneeräumungsaufwand bedingen, häufige Temperaturwechsel um Null Grad Celsius mit hohem Salzstreuungsbedarf und Starkregen, der groß dimensionierte Entwässerungssysteme, Ableitungskanäle und Gewässerschutzanlagen nötig macht. „Nicht zu vergessen der damit verbundene Sanierungsbedarf, wenn Böschungen abrutschen“, ergänzt Walcher. Auch eine Häufung von Nebel, Sturm, Lawinen und Muren sei für den Zustand der Straßen kritisch. „Leider sind derzeit verfügbare Klimamodelle auf regionaler Ebene noch sehr unsicher, besonders bei lokalen Regenintensitäten und Windphänomenen ist die Vorhersage sehr schwierig“, bedauert er. Er rechne jedoch mit einer Verlagerung der Niederschläge in die Wintermonate und damit einhergehend einer Zunahme von Lawinenereignissen. „Lawinenwarneinrichtungen, Schneerückhaltesysteme und Lawinenauslösesysteme sind unser Rezept gegen Abgänge über Fahrbahnen, und  bei der Planung neuer Trassen werden Naturereignisse berücksichtigt, Entwässerungssysteme und Dämme mit Sicherheitsaufschlag dimensioniert“, so Walcher. Um auf aktuelle Wetterextreme möglichst schon vorab, z.B. mit entsprechenden Einsatzplänen für die Schneeräumung, reagieren zu können, nutzt die ASFINAG „SWIS“, ein Wetterprognoseprogramm der Austro Control, das relevante Prognosen zur Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Niederschlag und Wind liefert. Zudem sammelt die ASFINAG in eigenen Klimastationen aktuelle Wetterdaten, um speziell die Gefahr von Eisbildung auf den Fahrbahnen rechtzeitig zu erkennen und Maßnahmen zu setzen.

Klimawandel und die Schiene
Die Eisenbahn hat eine lange Tradition, und demnach auch schon viel Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Wetterphänomenen. Gebündelt werden diese in der Abteilung „Naturgefahrenmanagement“. Neun Naturgefahren-TechnikerInnen und 110 MitarbeiterInnen sind mit den Forst- und Naturgefahren-Agenden betraut und sichern mit ihrem Spezialwissen den Bahnbetrieb. „Rund ein Viertel des österreichischen Streckennetzes ist von Naturgefahren wie Steinschlag, Felssturz, Rutschungen, Wildbächen und Lawinen betroffen“, erklärt Mag. Thomas Schuh MSc, Nachhaltigkeitskoordinator der ÖBB-Infrastruktur AG. Technische Schutzbauten würden oft in Kooperation mit den Gemeinden nach einer eigenen Gefahrenzoneneinteilung erfolgen.

In der jüngeren Vergangenheit gab es ein paar besondere Extremereignisse, berichtet Schuh: „Das Hochwasser in Niederösterreich 2002, jenes am Arlberg 2005 und die Stürme Kyrill und Paula im Jahr 2007 verursachten Schäden in Millionenhöhe.“ Laut Statistik des VVO betrug der gesamtvolkswirtschaftliche Schaden des Hochwassers von 2002 rund drei Milliarden Euro, von denen lediglich 420 Millionen versichert waren. Auch das Hochwasser 2005 verursachte immerhin 560 Millionen Euro Schaden, 150 Millionen davon waren versichert. Zum Schutz gegen Naturgefahren betreiben die ÖBB rund 2.500 Hektar Schutzwälder und etwa 4.700 Hektar Schutzböschungen. „Wichtig ist es, auf eine gute Artenmischung und Altersstruktur zu achten. Aufgrund des Temperaturanstiegs kommt es beispielsweise erstmals zu Borkenkäferproblemen in Regionen, wo es diese zuvor nie gab“, erläutert Schuh. (ab einer gewissen Frostdauer sterben Borkenkäferlarven ab, ist es zu mild, überleben sie, Anm.) Auch die Neophyten machen der Schiene zu schaffen: „Diese zugewanderten Pflanzen breiten sich auf den Trassen meist schneller aus als heimische, unsere Vegetationskontrolle greift hier nicht. Was steigt, ist der Aufwand für Rückschneidemaßnahmen“, seufzt er. Nicht nur für die Straße, auch für die Schiene ist ein Auftauen des Permafrostbodens ein Problem: „Der Boden wird instabiler, das Risiko für Geschiebe aus hohen Lagen steigt. Da einige Trassen durch das Gebirge führen, stellt uns dies vor große Herausforderungen.“ Bei großer Hitze droht zudem die Gefahr der Schienenverwerfung. Um den Betrieb so sicher wie möglich zu gestalten, betreut das Naturgefahrenmanagement österreichweit rund 165.000 Laufmeter Steinschlag- und Lawinenverbauungen und inspiziert 2.700 Hektar Fels- und Steilböschungen.
 
Fazit
Die Gespräche zeigten, dass die Infrastrukturbetreiber sich der Auswirkungen des Klimawandels durchaus bewusst sind und auch bereits geeignete Gegenmaßnahmen und Einsatzpläne erstellen. Lediglich der Flughafen Wien konnte auf Anfrage keinerlei Beeinträchtigung durch den Klimawandel feststellen. Tatsache ist, egal wie gut die Vorkehrungen sein mögen – besser wäre es, wir Menschen würden endlich unser Verhalten dahingehend ändern, dass dem Klimawandel Einhalt geboten wird. (AT)

Redaktion: Angelika Thaler

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