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Das freie Spiel der Kräfte

Huiii, es geht rund in Österreich. Erstmals in der Geschichte der zweiten Republik wurde einer Bundesregierung das Misstrauen ausgesprochen, und nach einigem Hin und Her haben wir nun eine so genannte Expertenregierung – die zusehen darf, wie das Parlament die Gesetzgebung mit wechselnden Mehrheiten übernommen hat. Auch der Verkehrsbereich ist davon betroffen, denn es stehen noch vor dem Herbst einige Änderungen ins Haus.

Redaktion: Angelika Gabor.

Eine beschauliche Insel im Mittelmeer, rund ein Viertel größer als Wien, wurde zum Ausgangspunkt eines politischen Erdbebens, das einige Institutionen und vor allem das (ohnehin geringe) Vertrauen in manche Politiker in Schutt und Asche legte. Heinz Christian Strache hätte den Trip ins gut 1.500 km entfernte Ibiza wohl doch lieber den Vengaboys überlassen sollen. Die erfuhren Ende Mai einen überraschenden Höhenflug auf Platz 1 der Downloadcharts – wohingegen Herr Strache und sein Kumpel Johann Gudenus eine Bruchlandung sonder gleichen hinlegten. Natürlich sind Politiker niemals um Ausreden verlegen, aber man muss schon sehr simpel gestrickt oder naiv sein, um hier tatsächlich an eine „b’soffene G’schicht“ zu glauben. Doch wie dem auch sei, das Resultat ist eindeutig: die Koalition ist gesprengt, die Regierung abgesetzt, es weht frischer Wind durch die ehrwürdigen Hallen des Parlaments. Erstmals steht eine Frau als Kanzlerin an der Spitze, und damit ein Mensch, der nicht durch einen undurchdringlichen Parteienbeförderungsmechanismus an diese Position kam, sondern durch Qualifikation. Das ist doch mal eine erfrischende Abwechslung! Als Juristin und ehemalige Generalanwältin am Obersten Gerichtshof sollte sie wirklich genau wissen, was erlaubt ist, und was nicht. Die Gefahr, dass demnächst ein Video von Brigitte Bierlein auf Ibiza auftaucht, ist daher zum Glück mehr als gering.

Kraftfahrgesetz & Straßenverkehrsordnung
Während vor dem „Ibizagate“ das österreichische Parlament eher eine ruhige Kugel schob, geht es jetzt Schlag auf Schlag (oder doch zack-zack-zack?). In gemeinsamen Initiativanträgen von ÖVP, SPÖ und FPÖ (ja, die drei können auch miteinander) wurden wichtige Gesetzesänderungen aus dem Verkehrsbereich auf den Weg gebracht und sollen noch vor dem Wahltermin Ende September umgesetzt werden. Während die 37. Novelle des Kraftfahrgesetzes (KFG) – Feuerwehrfahrzeuge erhalten mit „FW“ ein eigenes Kennzeichen-Kürzel und die Begutachtungsintervalle nach§ 57A für Motorräder, Motorfahrräder und Quads werden an jenes der Pkw angepasst – für die Logistikbranche keine Auswirkungen hat, sollten Frächter, Spediteure und LKW-Hersteller bei der der 32. Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) genau aufpassen. Denn während der Plan der EU vorsieht, dass ab 2022 neu zugelassene LKW verpflichtend mit einem Abbiege-Assistenzsystem ausgestattet sein müssen, erlaubt die österreichische Neuregelung es Behörden, in bestimmten Ortsgebieten, Teilen von Ortsgebieten oder näher bestimmten Gebieten ein Rechtsabbiegeverbot für Lkw über 7,5 Tonnen ohne Abbiege-Assistenzsysteme zu verhängen. Das ist eine abgeschwächte Variante des Plans von Frankreich, das das Fahren ohne einen Abbiege-Assistenten in bestimmten Bereichen generell verbieten möchte. Ja, man kann auch über das Ziel hinausschießen. Nötig ist eine umfassende Aufklärung darüber, wie groß der tote Winkel bei einem LKW tatsächlich ist – und ein verpflichtender Fahrradführerschein. Denn solange Radfahrer im Straßenverkehr unterwegs sind wie gesengte Säue ohne Rücksicht auf irgendjemanden, und glauben, dass Vorrangregeln für sie nicht gelten, hilft auch kein Abbiege-Assistent.

Die wechselnden Koalitionen bei Beschlüssen können sich als Segen entpuppen. Als absoluter Nichtraucher begrüße ich natürlich die Doch-noch-Umsetzung des Rauchverbotes in der Gastronomie. Frech genug, nach einem Volksbegehren mit so viel Unterstützung nicht zu reagieren. Auch der gesetzliche Papamonat, eine Anhebung der Mindestpension und das Glyphosat-Verbot fanden endlich Mehrheiten. Von mir aus kann das ruhig so weitergehen, bitte jetzt noch Reformen des Krankensystems und der Schulen durchführen. Die aktuelle Situation hat ein Ablaufdatum, im Herbst ist Schluss. Doch egal, wie die nächste Wahl dann ausgehen mag, wir alle haben miterlebt, wie hautnah Geschichte plötzlich umgeschrieben wird. Eigentlich schade, dass es nicht noch ein paar Jahre so weitergehen kann. (RED)

Quelle: Zeitschrift LOGISTIK express Ausgabe 3/2019

 

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