Fachkräftemangel: Logistikbranche sucht dringend Nachwuchs

Der Fachkräftemangel bereitet den Logistik-unternehmen zunehmend existenzielle Sorgen. Vor allem bei Berufs-kraftfahrern übersteigt die Nachfrage das Angebot auf dem Ar-beitsmarkt drastisch. Deshalb initiierte die IGVZ e.V. in Kooperation mit dem Hafen Nürnberg-Roth, den Bayerischen Landesverbänden LBT und LBS sowie Bayern Innovativ einen Workshop, um Lösungsan-sätze zu erarbeiten, wie dem Fachkräftemangel in der Logistik wirk-sam begegnet werden kann. Rund 40 Teilnehmer waren der Einla-dung ins GVZ Hafen-Nürnberg gefolgt – darunter „global player“, mittelständische Logistikunternehmen, IHK, Stadt Nürnberg, Bildungs-träger, Personaldienstleister sowie Vertreter der Bundesagentur für Arbeit und Job Center (Pakt50+).

Logistikbranche sucht qualifizierte Mitarbeiter
„Bis 2018 gehen national rund 30 Prozent der Berufskraftfahrer in den Ruhestand, der Anteil der Fahrer unter 25 Jahren liegt bei nur zwei Prozent des Personalbestandes. Im Fahrerbereich droht eine drama-tische Lücke und es naht der Tag, an dem Ware stehen bleibt, weil nicht genügend Fahrer zur Verfügung stehen. Für die Metropolregion Nürnberg ist die Logistik eine wichtige Schlüsselbranche: Rund 1.000 Unternehmen beschäftigen 107.000 Mitarbeiter (davon 24.000 allein in Nürnberg) die einen Jahresumsatz von ca. 30 Mrd. Euro erwirt-schaften. Die Logistik stellt in der Metropolregion Nürnberg mit 8,5 Prozent den drittgrößten Anteil bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – nach dem Handel und der Gesundheitsbranche. In Deutschland erzielten die 60.000 Logistikunternehmen 2009 mit 2,5 Mio. Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 200 Mrd. Euro und damit 8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Deshalb engagiert sich die IGVZ e.V. dafür, das Thema verbandsübergreifend voranzutreiben, um für die Zukunftsbranche Logistik geeignete Nachwuchskräfte zu gewin-nen und älteren Arbeitsuchenden eine berufliche Zukunft zu bieten“, so Beatrix Wegner (Sprecherin IGVZ e.V.).

Reinhold Grötsch (Geschäftsführer Ober- und Mittelfranken, LBT e.V.) unterstreicht dies aus bayerischer Sicht: „In den nächsten fünf bis sechs Jahren gehen in Bayern 7.500 Kraftfahrer in den Ruhestand. Daraus entsteht eine Deckungslücke bei der Ver- und Entsorgung der Bevölkerung, die nicht mehr aus den früheren Kanälen aufgefüllt werden kann, da die Ausbildung bei der Bundeswehr zum Fahrer der Klasse C/CE nicht mehr durchgeführt wird und der normale Arbeits-markt nicht die gewünschten Qualifikationen der Betriebe deckt. Da aber erheblicher Bedarf nach Fahrern besteht, ist es eine gesamt-wirtschaftliche Verantwortung für Nachwuchs zu sorgen (Dual bzw. über EU-Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz). Deshalb sind alle Akteure gefordert, diesem Trend schon heute aktiv entgegen zu treten, da unserem Wirtschaftskreislauf ansonsten eine erhebliche Talfahrt bevorsteht.

Eva Fricke (LBS e.V. / Rechtsabteilung) erläuterte den Bedarf aus der Perspektive des LBS: „Der demographische Wandel hat auch die Speditions- und Logistikbranche erreicht. Fehlte anfangs ‚nur‘ das Fahrpersonal, weitet sich dieses Problem mittlerweile auf unser gesamtes Personal aus. Von potenziellen Auszubildenden, Lagerarbeitern, Disponenten, Speditions- und Logistikkaufleu-ten, Verkehrsfachwirten, EDV-Fachkräften bis hin zu Führungskräften – gesucht wird mittlerweile in allen Bereichen. Wir haben das Problem strukturell erkannt und arbeiten systematisch daran. Dazu gehören Projekte zur Fachkräftesicherung, die uns eine Vielzahl von Ideen abverlangen und mit erheblichen Kosten verbunden sein werden.“

Auch Bayern Innovativ unterstützt die Aktivitäten im Bereich Fachkräftemangel. Eine langfristige Studie der Bundesregierung rechnet bis 2025 mit einer Steigerung des Güterverkehrs um rund 70 %. Ein besonders massiver Anstieg wird im Straßengüterverkehr erwartet, dessen Anteil heute bei rund 85 % des Transportvolumens liegt. Deshalb organisiert Bayern Innovativ am 24. November 2011 gemeinsam mit den Partnern des IGVZ-Workshops als Fortsetzung ein Kooperationsforum, das Wege zur Mitarbeitergewinnung aufzeigen soll.

Fachkräftemangel Logistik – Herausforderungen und Lösungsansätze
Die Ausbildungsreife der Jugendlichen stellt zahlreiche Ausbildungsbetriebe vor große Heraus-forderungen. Rund 30 Prozent der Schulabgänger sind nicht ausbildungsfähig. Es fehlt an Um-gangsformen, Disziplin, Durchhaltevermögen und an Integrationswillen – besonders bei Jugend-lichen mit Migrationshintergrund. Diesem Missstand kann nur durch nachträgliche Qualifizie-rungsmaßnahmen begegnet werden, die erhebliche Kosten verursachen. Die Ausbildungsbetriebe sind die letzte Möglichkeit, um Jugendliche ins Arbeitsleben zu integrieren und Fehler aus der Erziehung und Schulausbildung auszugleichen.
Die Logistikunternehmen stellen sich der Herausforderung des Fachkräftemangels und bieten eine große Anzahl Ausbildungsplätze in allen Tätigkeitsbereichen an. Leider blieben auch 2011 viele Stellen unbesetzt, in Mittelfranken allein 70 offene Stellen bei den Berufskraftfahrern. Die Branche hat in etlichen Bereichen ein Imageproblem. Das Bild der Logistikbranche in der Öffentlichkeit weicht häufig stark ab, von den vielfältigen, verantwortungsvollen Aufgabenbereichen in der beruflichen Praxis. Vor dem Hintergrund der Globalisierung und der arbeitsteiligen Organisation der Wirtschaft bietet die Logistik beste Zukunftschancen und Karrieremöglichkeiten.

Leider bleiben diese Perspektiven den potenziellen Nachwuchskräften vielfach verborgen. Ver-anstaltungen wie Jobbörsen oder der jährliche „Tag der Logistik“ sind an den Schulen vielfach unbekannt oder werden von den Klassen gemeinsam mit den Lehrern häufig ohne jede Vorbe-reitung besucht. Auch der rechtzeitige Besuch der Logistikunternehmen direkt in den  Schulen ist eine sehr gute Möglichkeit, um gezielt Nachwuchs zu gewinnen. Empfehlenswert für die Unter-nehmen ist es, die eigenen Auszubildenden bei solchen Aktivitäten einzubinden und mitzuneh-men, da diese die Sprache der Jugendlichen sprechen und deren Interessen kennen. Auch Lo-gistik-Projekte am Schuljahresende und Praktika können dazu beitragen, die Jugendlichen aktive Einbindung für die Branche zu gewinnen. Außerdem sollten künftig verstärkt visuelle und digitale Medien (Apps) sowie soziale Netzwerke für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden, um die Zielgruppe besser zu erreichen.

Wünschenswert ist auch mehr Flexibilität auf der Arbeitgeberseite, um älteren Mitarbeitern oder Arbeitssuchenden mit Migrationshintergrund eine Chance zu geben. Auch die Anerkennung internationaler Abschlüsse erschwert vielfach eine Vermittlung in adäquate Stellen, hochqualifi-zierte Kandidaten landen häufig in Hilfsjobs.

Im Bereich der Job Center (Pakt50+) gibt es noch verfügbare Fahrer. Die Unternehmen legen bei der Auswahl häufig feste Kriterien an (z.B. Fahrzeugart, ADR-Schein, …), die eine Vermittlung er-schweren. Möglichkeiten wie Probetage oder Praktika bleiben dabei oft ungenutzt. Für ergän-zende Qualifizierungsmaßnahmen stehen aus unterschiedlichen Quellen Fördermittel zur Verfü-gung, die den Unternehmen vielfach unbekannt sind.

Der Bedarf an Fachkräften kann kurzfristig nur gedeckt werden, indem Arbeitssuchende auf ihre Eignung für die Logistik und Passgenauigkeit zum Unternehmen hin überprüft werden. Nur mit einer passgenauen Qualifizierung kann der steigende Bedarf sowie die wachsenden Anforde-rungen an Fachkräfte bewältigt werden, damit der Markterfolg der Logistikbranche in der Met-ropolregion Nürnberg auch in Zukunft gesichert wird.

Eine Image-Verbesserung bei den Logistik-Berufen und ein Aufzeigen von Karrieremöglichkeiten sind dringend erforderlich, um künftig geeignete Nachwuchskräfte für die Branche zu gewinnen.

Quelle: IGVZ e.V. Interessengemeinschaft Güterverkehrszentrum Hafen Nürnberg

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