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Kontraktlogistik – die Königsdisziplin

Kein anderer Bereich der Logistik stellt so hohe Ansprüche an Know-how, Flexibilität und ganzheitliche Betrachtung wie die Kontraktlogistik, weswegen sie vielfach auch als die „Königsdisziplin“ bezeichnet wird. Um ein aktuelles Bild der Lage zu vermitteln, hat sich Logistik Express mit vier Großen der Branche unterhalten.

Die Eigenheiten der Kontraktlogistik vermag Fritz Mottl, Direktor Sales & Marketing bei Kühne + Nagel Österreich, auf den Punkt zu bringen: „Gerade in der Kontraktlogistik sind eine gute Partnerschaft und eine vertrauensvolle Beziehung zum Kunden das Wichtigste. Angefangen bei der Ausschreibungsphase, über die Implementierung bis hin zum Key Account Management müssen die Prozesse und Projektphasen gemeinsam abgestimmt und erarbeitet werden. Nur so kann eine dauerhafte Win-Win-Situation herbeigeführt werden.“

Mehr Ausschreibungen
„Die aktuelle wirtschaftliche Situation führte zu einer gewissen Verschiebung innerhalb der Branche. Derzeit finden im Kontraktlogistikbereich mehr Ausschreibungen statt als im Basis-Speditionsgeschäft, was eher ungewöhnlich ist. Die Kunden sind teilweise zurückhaltender geworden, sind besonders auf der Suche nach neuen Konzepten“, fasst Wolfgang Brunner, Projektmanager Logistik bei der Gebrüder Weiss GmbH, die aktuelle Lage zusammen. Dieselbe Beobachtung macht auch Mottl: „Die Anzahl der Ausschreibungen ist deutlich angestiegen. Als Logistikdienstleister muss man vorsichtig abwägen, welche davon ein nachhaltiges Potenzial aufweisen.  Wir müssen mit unserer Zeit und unseren Ressourcen nachhaltig umgehen.“

Chance Wirtschaftskrise
„Die Auswirkungen der realwirtschaftlichen Situation werden sich im zweiten Halbjahr noch verstärken, hier wird die Kontraktlogistik noch am ehesten profitieren. Viele Unternehmen konzentrieren sich wieder auf ihre Kernkompetenzen und engagieren Experten, und das sind wir Kontraktlogistiker. Natürlich steht auch unsere Branche unter Druck, aber es ergeben sich durchaus Chancen“, ist Wolfgang Einer, Managing Director Österreich bei DHL Exel Supply Chain, überzeugt. Eine Gefahr ortet dabei Alexander Kratky, Business Development Director Contract Logistics bei der Fiege Austria GmbH: „Jeder hat im Moment freie Kapazitäten und will etwas tun, dadurch wird der Markt teilweise ruiniert. Etliche Unternehmen – besonders kleinere, etwa Familienunternehmen – locken mit Dumpingangeboten, da sie unterpreisig fahren. Das geht nur eine gewisse Zeit lang gut, reicht aber, um den anderen das Leben schwer zu machen. Denn Qualität hat ihren Preis, und in der Kontraktlogistik gab es in letzter Zeit Preisnachlässe im knapp zweistelligen Prozentbereich – das muss in den nächsten Jahren wieder nach oben korrigiert werden. Hier muss man offen und ehrlich mit seinen Kunden kommunizieren, um gemeinsam Lösungen zu finden, mit denen alle Beteiligten leben können.“

Herausforderung 2. Halbjahr
„Im ersten Halbjahr haben viele Firmen, wie auch Logistikdienstleister, überreagiert und versucht, viel über den Preis zu machen, indem sie unterpreisig fuhren“, stimmt Brunner mit Kratky überein. „Wenn nun die Wirtschaft anzieht, wird dieser Effekt abflachen. Bei Gebrüder Weiss haben wir den Vorteil, aufgrund der Firmenstruktur prinzipiell unseren eingeschlagenen Weg weitergehen zu können, ohne zu einer Harakiriaktion verleitet zu werden.“ So würden Investitionen, insbesondere in Osteuropa, plangemäß weitergeführt. „Im Gegensatz zu anderen Ländern ist die Realwirtschaft in Österreich von der Krise (noch) nicht so stark betroffen. Die Arbeitslosigkeit wird definitiv weiter steigen. Bei vielen ist aber bereits jetzt die nötige Liquidität nicht mehr gegeben, und der Kundendruck auf die Preise wächst stark. Es ist schwierig, da den Spagat zwischen dem Halten der Qualität und dem Erzielen ausreichender Margen zu schaffen“, meint Einer. Kratky sieht einen weiteren Faktor: „Im ersten Halbjahr hat bei vielen Unternehmen eine Selbstkonsolidierung stattgefunden, die nun aber abgeschlossen sein sollte. Viele standen vor der Überlegung, ein eigenes Lager zu betreiben oder doch outzusourcen. Fakt ist, dass viele Unternehmen vermehrt die komplette Supply Chain – Luft- und Seefracht, Lagerhaltung und Kommissionierung – aus der Hand geben möchten.“

Ausblick Österreich
„In Österreich stehen vor allem Groß- und Mittelbetriebe immer öfter vor der Frage, ob und wie sie Outsourcing als Möglichkeit nutzen können, Verbesserungen im Prozessablauf und/oder Einsparungen zu erzielen“, sagt Mottl. „Es gibt dafür keine Pauschalantwort, das hängt vom Bedarf, der Branche, der Größe und den jeweiligen Logistikprozessen ab. Wir sehen noch großes Potenzial in Österreich, denn gerade die Flexibilität eines Logistikanbieters wie Kühne + Nagel sowie unsere Vielzahl an Mehrwertdienstleistungen (value-added services) machen es auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten möglich, kundenorientiert und dennoch wirtschaftlich zu wachsen.“

Vorzüge Kontraktlogistik
Der Begriff Kontraktlogistik kommt von dem als Kontrakt bezeichneten Dienstleistungsvertrag zwischen einem Warenhersteller und einem Logistikdienstleister. Er bezeichnet eine langfristige, arbeitsteilige Kooperation und bedeutet einen Rundum-Service für logistische und logistikverwandte Aufgaben. Hierbei ist der Dienstleister also nicht nur Organisator von Transportaufträgen, sondern übernimmt eigenverantwortlich Teile der Wertschöpfungskette. Viele Abläufe sind standardisiert, wodurch sich großes Zeiteinsparungspotenzial ergibt. Der Zugang zu einem großen, möglichst lückenlosen Distributionsnetzwerk ist unbedingte Voraussetzung für einen erfolgreichen Kontraktlogistiker. Ohne Fach-, Problemlösungs- und IT-Kompetenz ist ein Bestehen auf dem Markt unmöglich, auch detaillierte Kenntnisse über die Branche des jeweiligen Verladers, etwa hinsichtlich gesetzlicher Bestimmungen, sind von Nöten. „Es sind meistens Gründe wie Unter- oder Überkapazitäten, Probleme oder hohe Investitionskosten im IT-Bereich, um einen Kontraktlogistiker zu beauftragen“, erklärt Mottl, „in all diesen Fällen bietet ein erfahrener Dienstleister die nötige Flexibilität und zumeist auch Kosteneinsparungsmöglichkeiten.“ Aus diesem Grund sieht Mottl auch in Zukunft ein solides Entwicklungspotenzial für die Kontraktlogistik, insbesondere wenn der Servicegrad bis hin zu Lead Logistics Solutions ausgeweitet wird, wie sie Kühne + Nagel anbietet.

Quelle: Logistik express Ausgabe Nr.3|2009

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