| |

Neutralität oder Investition in die Zukunft?

Die geplante Teilnahme Österreichs am „Sky Shield“ lässt die Wogen hochgehen und zeigt die gravierende Meinungsverschiedenheit zwischen den Parteien. Ist das wirklich der Anfang vom Ende? Dazu der digitale Euro – werden Neutralität und Bargeld, zwei heilige Kühe der Österreicher, gleichzeitig geschlachtet?

Redaktion: Angelika Gabor.

Populismus ist das Lieblingsinstrument der Politik, und so wundert es wenig, dass die Vertreter der verschiedenen politischen Lager durchaus blumige Begriffe finden, um ihre Meinung kund zu tun. Um sich selbst ein Bild zu machen, lohnt es, sich einerseits kurz den Text zur Neutralitätserklärung durchzusehen, und sich andererseits die Bedingungen für ESSI – die „European Sky Shield Initiative“ anzusehen: Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs legte der Nationalrat zwei Punkte fest: die freiwillige Erklärung der immerwährenden Neutralität sowie die Zusage, keinerlei militärischem Bündnis beizutreten und keine Stützpunkte fremder Staaten innerhalb der Landesgrenzen zu erlauben. Wichtiger Zusatz: „Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.“ Und genau dieser Punkt ist es, der den Weg zum Beitritt zu dieser Initiative ebnen dürfte. Österreich hat sich dazu verpflichtet, die eigenen Grenzen und seine Souveränität zu schützen. Darum ist auch beispielsweise der Verfassungsrechtsexperte Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer davon überzeugt, dass der Beitritt zu diesem Raketenabwehrsystem keinen Bruch unserer Neutralität bedeutet – vorausgesetzt, dass wir das Kommando über die bei uns stationierten Raketen nicht aus der Hand geben. Als Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Innsbruck und Professor für Europarecht, Völkerrecht und Internationale Beziehungen sollte er wissen, wovon er spricht (auch wenn diese Einschätzung dem Obmann der FPÖ vermutlich nicht gefallen wird).

Doch was genau ist ESSI eigentlich? Die von Deutschland aus gestartete Initiative umfasst aktuell 17 Länder: Deutschland, Großbritannien, die Slowakei, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Belgien, Tschechien, Finnland, Litauen, die Niederlande, Rumänien, Slowenien, Estland, Norwegen, Dänemark und Schweden; die Schweiz denkt laut über einen Beitritt nach. Im Prinzip ist es eine Einkaufsgemeinschaft für Luftabwehrsysteme mit Radardaten-Austausch als Zuckerl. Durch den gemeinsamen Einkauf besteht die (durchaus realistische) Hoffnung, bessere Preise von Seiten der Verteidigungsindustrie zu erhalten. Bei mehreren in Frage kommenden Anbietern ist es sicherlich verlockend, den Auftrag zu erhalten – insbesondere dann, wenn man neben den Anschaffungskosten auch Wartung, Ausbildung und Munition mit einberechnet. Im Gegensatz zu den NATO-Verträgen beinhaltet Sky Shield jedoch ausdrücklich keine Beistandsklausel. Vergleichbar mit dem israelischen „Iron Dome“ soll das sattelitengestützte System Drohnen- und Raketenangriffe abwehren – und zwar schon ab 2025, wenn es nach Initiator Deutschland geht. Voraussetzung ist wohl, dass für die Planung nicht dieselben Personen verantwortlich sind, wie für den Bau des Berliner Flughafens. Laut österr. Luftstreitkräfte-Kommandant Gerfried Promberger wären vor allem Luftabwehrsysteme mit einer Reichweite von mehr als 50 Kilometern wünschenswert, um kritische Infrastruktur effizient zu schützen und Lücken im europäischen Schutzschirm zu schließen. Übrigens: die Gespräch über Österreichs Beitritt laufen offen seit Herbst 2022 – witzig, dass das Thema erst jetzt solche Wellen schlägt.

Währungssouveränität in Gefahr?
Seit der Produktion der allerersten Münzen – im Reich der Lyder etwa 650 v. Christus – und der ersten europäischen Banknote 1661 sind wir weit gekommen, die Vielfalt an Bargeld ist enorm. In den vergangenen drei Jahren ist der Anteil der Barzahlungen in der Eurozone von 72 auf 59 Prozent gesunken, insbesondere die Pandemie war ein Treiber für bargeldloses Bezahlen. Trotzdem wuchs laut Münze Österreich der Banknotenumlauf um 6,5 Prozent bei den Stückzahlen auf zuletzt 28,19 Milliarden Stück Banknoten (Gesamtwert 1.544,37 Milliarden Euro). Der Bargeldbestand der Banken wuchs von 3,0 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf 12,2 Milliarden Euro im Jahr 2021. Widersprüchlich, oder?

Während Österreicher besonders bargeldaffin.
sind – bei einem 15-Länder-Vergleich Ende 2022 nannten 47 Prozent der Österreicher Bargeld als Lieblings-Zahlungsmittel (nur Bares ist Wahres, nicht wahr?), der Durchschnitt lag bei 37 Prozent – gibt es in skandinavischen Ländern durchaus Geschäfte, die überhaupt kein Bargeld mehr annehmen. Der Notgroschen unter dem Bett oder illegale Geschäfte – manchen ist unbegrenztes Bargeld ein Dorn im Auge, Stichwort Terrorfinanzierung. Beim digitalen Euro jedoch geht es um andere Aspekte, die den meisten Nutzern von Kreditkarte & Co nicht bewusst (und/oder egal) sind. Die aktuellen Treiber der digitalen Zahlung sind nicht etwa etablierte Großbanken, sondern Finanztechnologieanbieter mit Sitzen auf der ganzen Welt. So wird etwa das chinesische Alipay von rund 500 Millionen Menschen genutzt – das sind mehr, als die Europäische Union Einwohner zählt. Befürchtet wird nun ein Kontrollverlust, dass ein globaler Player die europäische Geldversorgung einschränken oder gar unterbinden könnte, um ein politisches Ziel zu erreichen. Durch die Schaffung eines eigenen digitalen Bezahlsystems möchten die Zentralbanken gegensteuern, das Ziel ist sogar ein echtes „digitales Zentralbankgeld“ (CBDC, Central Bank Digital Currency), wie es aktuell in China (digitaler Renminbi), Nigeria (E-Naira) und auf den Bahamas (Sand Dollar) getestet wird – wohl gemerkt wenig erfolgreich. Es handelt sich also um „echtes Geld“ (inklusive Obergrenze wie beim Bargeld). Die EZB erhofft sich dadurch eine stabilisierende Wirkung im Geldsystem, da Bankenkollapse keine Auswirkung auf dieses „reale“ Zentralbank-Geld haben.

Viel Lärm um Nichts?
Bargeld-Obergrenzen sind in vielen Ländern schon Gang und Gäbe, um Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu bekämpfen (heißt es). Auch die EU bastelt an einer Begrenzung, wobei sich Parlament und Rat noch nicht auf die Höhe (7.000 vs 10.000 Euro) einigen können. Der generelle Tenor lautet, dass (aktuell?) keine komplette Abschaffung des Bargelds geplant ist. Die 530.938 Unterstützer des letztjährigen Volksbegehrens „Für uneingeschränkte Bargeldzahlung“ beweisen, dass diese zumindest in Österreich auch gar nicht gut ankäme. Ich glaube, dass weder unser Bargeld, noch unsere Neutralität ernsthaft in Gefahr sind. (AG)

Quelle: LOGISTIK express Journal 3/2023

Ähnliche Beiträge