„Online-Boom der Corona-Zeit ist zu Ende, das Pendel schlägt wieder Richtung stationärem Handel“
Online-Anteile am Gesamtumsatz des Einzelhandels 2022 leicht rückläufig – Zukunft liegt in Verknüpfung von Online- und Offline-Angeboten.
„Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: In Österreich sowie in der EU ist der Internet-Shopping-Boom aus der Corona-Zeit zu Ende“, so Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Er bezieht sich dabei auf zwei Studien, die die Bundessparte heute im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierte. So hat das Institut für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) an der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) den Online-Konsum in den EU-27-Ländern untersucht, die KMU Forschung Austria die Bedeutung des Online-Handels für den österreichischen Einzelhandel. „Beide Analysen kommen zu dem Schluss, dass das Pendel wieder mehr in Richtung stationärer Handel schlägt. Das beinhaltet große Chancen für die Ladengeschäfte, wobei am besten diejenigen fahren, die online und offline geschickt verknüpfen“, sagt Trefelik.
Konkret zeigen die Analysen, dass EU-weit 68 Prozent der Konsument:innen (16-74 Jahre) zumindest manchmal online einkaufen, in Österreich sind es 66 Prozent. Damit ist der Anteil der Online-Shopper:innen in Österreich, der 2021 rückläufig war, wieder so hoch wie 2020. „Dennoch liegt Österreich im internationalen Vergleich deutlich hinter den nordischen, aber auch hinter vielen anderen EU-Ländern zurück“, führt Ernst Gittenberger vom Institut für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) aus. Spitzenreiter sind Dänemark und die Niederlande mit einem Anteil von je 88 Prozent sowie Schweden (86 Prozent). In Deutschland beträgt der Anteil 76 Prozent, in Italien sowie in Rumänien und Bulgarien hingegen bestellt weniger als die Hälfte der Bevölkerung (16-74 Jahre) übers Internet.
Paradoxe Entwicklung: Trotz mehr Online-Shopper sinken Online-Ausgaben
„Fast paradox ist allerdings, dass trotz steigender Shopper-Zahlen die Online-Ausgaben gesunken sind“, sagt Christoph Teller, Vorstand des IHaM an der JKU. Das betrifft sowohl die EU-weiten Ausgaben als auch jene in Österreich: Im EU-27-Durchschnitt ist der Online-Anteil an den gesamten Einzelhandelsausgaben von 10,6 Prozent im Jahr 2021 auf 9,6 Prozent 2022 gesunken, in Österreich von 11,5 auf 10,4 Prozent. Davon profitiert hat der stationäre Handel. Denn in Zahlen ausgedrückt, sind die Online-Ausgaben in Österreich um 3 Prozent auf 8,6 Milliarden Euro zurückgegangen, offline wurden hingegen 73,9 Milliarden Euro ausgegeben, was einem nominellen Plus von 8 Prozent gegenüber 2021 entspricht.
In diesen Daten enthalten sind die Ausgaben für Internet-Einkäufe im In- und Ausland. Betrachtet man allein die österreichischen Einzelhandelsunternehmen, so beträgt ihr im E-Commerce erzielter Umsatzanteil 6,5 Prozent: In Summe gibt es laut Analyse der KMU Forschung Austria rund 12.000 Online-Shops in Österreich und 32 Prozent aller Einzelhändler verkaufen ihre Produkte (auch) entweder über eine eigene Online-Präsenz oder einen Online-Marktplatz. Sie haben 2022 Online-Umsätze von 5,5 Milliarden Euro erzielt, das entspricht gegenüber 2021 einer minimalen Steigerung (5,4 Mrd.). „Was rund zwei Drittel immer noch von einem digitalen Angebot abhält, sind vor allem organisatorische Hürden“, berichtet Wolfgang Ziniel von der KMU Forschung. So sagt die Hälfte der befragten Handelsunternehmen, die noch nicht online verkaufen, der Organisationsaufwand sei zu hoch, 40 Prozent halten ihr Produkt nicht für geeignet, es auch übers Internet anzubieten und mehr als jeder/jede Fünfte gibt an, er bzw. sie habe nicht genug Personal dafür.
Heimische Händler machen 22 Prozent ihres Online-Umsatzes im Ausland
Laut Karin Gavac, ebenfalls Expertin der KMU Forschung Austria, lassen jene, die ihre Produkte nicht auch online anbieten, damit aber Chancen liegen. „Ein Online-Angebot ermöglicht, einen größeren Markt zu erreichen. Immerhin 22 Prozent des Online-Umsatzes werden im Ausland erzielt“, erläutert Gavac. Mit Abstand wichtigster Auslandsmarkt ist Deutschland gefolgt von der Schweiz und Italien.
Abgefragt wurde auch, welche Digitalisierungs- und IKT-Sicherheitsmaßnahmen die österreichischen Einzelhändler:innen treffen: 95 Prozent betreiben bereits eine eigene Website, 85 Prozent haben diese auch für mobile Anwendungen optimiert, 83 Prozent einen Social-Media-Auftritt und immerhin 78 Prozent bieten verschiedene Zahlungsmethoden an. Für die IKT-Sicherheit sorgen 82 Prozent für regelmäßige Datensicherung, 75 Prozent für eine Kennwortauthentifizierung mittels sicheren Passworts und auch auf die Verschlüsselung von Daten, Dokumenten und E-Mails wird meist Wert gelegt. Einer IKT-Sicherheitsanalyse unterzogen sich aber erst 20 Prozent und auch die biometrische Authentifizierung ist noch nicht allzu stark verbreitet (9 Prozent).
Nachhaltigkeit spielt bereits große Rolle
Eine große Rolle spielt im heimischen Online-Handel auch die Nachhaltigkeit: So setzen 75 Prozent der Befragten auf nachhaltiges Verpackungsmaterial, 60 Prozent bereits auf kostenpflichtige Retoursendungen und 55 Prozent berücksichtigen das Kriterium der Nachhaltigkeit bei der Auswahl ihrer Lieferant:innen. Aber auch erneuerbare Energie wird immer wichtiger: 44 Prozent nutzen sie schon, weitere 27 Prozent planen, erneuerbare Energie im eigenen Unternehmen einzusetzen.
In Summe zeigen die Ergebnisse der beiden Studien, dass „die Teuerungskrise zu höheren Offline- und sinkenden Online-Einnahmen führt und der Online-Handel in einer Phase des langsameren Wachstums angekommen ist“, resümiert Iris Thalbauer, Geschäftsführerin und zugleich Online-Expertin der Bundessparte Handel. Das ändere aber nichts daran, dass Online im Einzelhandel nicht mehr wegzudenken ist. „Die Zukunft liegt wohl darin, online und offline entlang der gesamten Costumer Journey zu verbinden“, so Thalbauer. Gerade die Phase des langsameren Wachstums biete sich an, eine digitale Präsenz aufzubauen, Personalisierung sowie – im stationären Bereich – das Kundenerlebnis zu verbessern und auch eine effiziente und möglichst nachhaltige Logistik im E-Commerce sicherzustellen.
Fairer Wettbewerb und Inflationsbekämpfung notwendig
Diese immer wichtiger werdende Verknüpfung von Offline- und Online-Handel beinhaltet für Bundesspartenobmann Trefelik auch, dass „ein fairer Wettbewerb im In- und Ausland gewährleistet ist“. Hier sei durch die Abschaffung von Umsatzsteuer- und Zollfreigrenzen für Importe aus Drittstaaten EU-weit schon einiges geschehen oder zumindest in Planung. Notwendig sei aber auch Steuerfairness bei Ertragssteuern und Abgaben. „Und vor allem gilt es, das für alle Bereiche des Handels enorm wichtige Thema Inflationsbekämpfung wirksam anzugehen. Das heißt, wir müssen das Problem endlich bei der Wurzel packen und für eine Entkoppelung der Preisgestaltung von Strom und Gas sorgen. Denn wir brauchen eine Rückkehr zu Energiepreisen, die für die Handelsbetriebe und auch für die Konsument:innen leistbar sind“, so Trefelik abschließend. (PWK173/DFS)
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