Partnerschaften in der Supply Chain – Illusion oder was ist das Geheimnis einer erfolgreichen Partnerschaft.

Rund 50 Fachleute aus Industrie, Handel und Logistik sowie fünf Referenten diskutierten am 1. Juli 2010 anlässlich einer CSCMP Roundtable Germany-Veranstaltung über Partnerschaften zwischen Industrie- und Einzelhandelsunternehmen, ihren Zulieferern und Dienstleistern. Gastgeber war GS1 Germany, die deutsche Vertretung der internationalen Standardisierungsorganisation, in Köln.

In jeder Ehe sehen die beiden Partner und Außenstehende die Partnerschaft ganz unterschiedlich. In den Beziehungen einzelner Glieder einer Lieferkette zueinander ist dies nicht anders. Die Beziehungen werden durch verschiedene Interessen (politische, ökonomische, soziale etc.) bestimmt. Vor allem unterschiedliche Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse beeinflussen eine Partnerschaft. Dabei ist das Ziel der Firmen im Logistiksegment immer gleich. Es geht um eine nachhaltige Kostenoptimierung oder Teiloptimierung der Supply Chain oder verschiedener miteinander konkurrierender Supply Chains bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung. Diese Optimierung der Wertschöpfungskette ist nicht gleichzusetzen mit einer Optimierung der Transportkosten, da u.a. auch eine Optimierung der Lieferfrequenz und Lieferformen angestrebt wird.

Um der Komplexität dieser Optimierungsaufgabe Herr zu werden, hat Metro Cash & Carry International ein Supply-Chain-Simulationsmodell entwickelt, dass die Entscheidungsfindung unterstützt. Aber auch die GS1schafft mit ihren EDI- und Identifikationstools sowie international anerkannten GS1-Standards Transparenz, Effizienz und eine Grundlage für gemeinsame Planungsprozesse aller Partner der Wertschöpfungskette. Eine Besichtigung der „Value Live“-Ausstellung im Knowledge Center der GS1 in Köln zeigte eindrücklich, wie die papierlose Zukunft der Wertschöpfungskette aussieht.

Partner oder Bully
Zwar kann ein großer, multinationaler Automobilhersteller wie Ford auf den ersten Blick seine Teile- und Ersatzteilepartner durch seine Einkaufskraft entsprechend für Verbesserungen motivieren, wie der Vortrag von Wilfried Hoffmann, European Purchasing Manager, Ford Customer Service Division, zeigte. Doch wenn Zulieferer dann zum Teil in die Insolvenz gehen und der Hersteller dann nur noch eine geringere Auswahl oder sogar nur noch einen zuverlässigen Lieferanten hat, dann wendet sich das Blatt. So sah sich Ford in der Wirtschaftskrise 2009/2010 gezwungen im Sinne einer Partnerschaft ein Rettungspaket für strategische Partner (Ford Family of Supplier) aufzulegen.

Auch der Metro-Konzern hat eine dominierende Stellung in seinem partnerschaftlichen Verhältnis zu seinen Lieferanten. Der Vortrag von Eberhard Braun, Head of Corporate Supply Chain Strategy & Concepts bei Metro Cash & Carry International, zeigte, dass eine ganzheitliche Optimierung der Lieferkette bzw. die Einführung unternehmensübergreifender Kostentransparenz auch immer eine Abstimmung mit anderen Abteilungen im eignen Konzern notwendig macht.

Der international tätige Anbieter von IT-Dienstleistungen sowie Software und Hardware, IBM, habe sich für ein Logistikkonzept mit nur noch einem Dienstleister weltweit entschieden, erläuterte Erich Reitz, Manager Global Logistics Europe, IBM. Dies ist seit 2008 die französische Firma Geodis. Diese war bereits seit 1998 als Logistikdienstleister in verschiedenen Ländern und Teilbereichen für IBM tätig. 2008 übernahm sie jedoch alle noch bei IBM verbliebenen Assets und 1500 Logistikmitarbeiter. Bei IBM verblieben nur noch 200 Logistiker weltweit, die das Verhältnis zum Dienstleister sowie zu den Kunden managen. Für Geodis, ein Tochterunternehmen der französischen Staatsbahn, ist IBM mit einem Umsatz von rund 1 Mrd. USD der Leuchtturmkunde schlechthin.

Eine ausgewogene Lieferantenpartnerschaft scheint die Firma Carl Zeiss SMT zu pflegen. Diese hat 2005 ein Lieferantenmanagementprogramm erarbeitet und seit 2006 eingeführt, das sich auf ein Netzwerk von mindestens zwei starken Lieferanten/Partnern pro strategische Komponente stützt. Zu den Auswahlkriterien der Lieferanten gehören neben Innovationsfähigkeit auch Finanzkraft und der Nachweis, mindestens neun Monate ohne einen Auftrag von Carl Zeiss SMT überleben zu können, erläuterte Stefan Unger, Director, Key Account Management, Einkauf. Im Gegenzug bietet Carl Zeiss SMT eine strukturierte Zertifizierung der Partner. Diese dürfen mit dieser offiziellen Auszeichnung werben und profitieren so vom Imagetransfer. Daneben animiert Carl Zeiss SMT seine Lieferanten, ähnliche, maßgeschneiderte Partnerschaftsprogramme mit ihren Unterlieferanten aufzulegen.

Win-win ist nicht fair share
Wie ein roter Faden zog sich die Erkenntnis durch die Diskussionen, dass es bei den meisten Partnerschaften Gewinner und Verlierer gibt. Selbst dort, wo eine Win-Win-Situation existiert, ist dies nicht gleichbedeutend mit „fair share“. Verschiebungen bei den Machtverhältnissen in der Zusammenarbeit sind aber auch immer wieder möglich. Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit entsteht nur dort, wo ein offener Informationsaustausch bzw. Dialog gepflegt wird und bei den Partnern eine Veränderungsbereitschaft und der Wunsch nach einer langfristigen, nachhaltigen Lösungen vorliegt. Letztendlich muss auch der Lieferant/Dienstleister einen Vorteil in der Beziehung für sich sehen.

Ferner zeigte der offene Erfahrungsaustausch im Kreise der Supply Chain Professionals, dass ein nachhaltiger Erfolg bei der Optimierung von Wertschöpfungsketten nur durch einen Supply-Chain-Verantwortlichen zu realisieren ist, der nicht in die Hierarchie seines Unternehmens eingebunden ist, sondern direkt an den Vorstand berichtet. Dass es einer Top-down-Durchsetzung braucht, und die Strategie für den einzelnen Mitarbeitenden eine fühlbare Besserung im Tagesgeschäft bringen muss, um eine nachhaltige Akzeptanz zu erreichen.

Die nächste Veranstaltung des Council of Supply Chain Management Professionals (CSCMP) in Deutschland ist am 21. September 2010 in Berlin geplant.

Council of Supply Chain Management (CSCMP) Die Vereinigung von Supply-Chain-Management-Fachleuten wurde 1963 in USA gegründet, um die Ausbildungsqualität in diesem Fachbereich zu verbessern und ihn weiter zu entwickeln. Sie zählt über 9000 Mitglieder in 63 Ländern. Der Council of Supply Chain Management Professionals (CSCMP) Roundtable Germany ist eine Interessengemeinschaft von Supply Chain Managern im deutschsprachigen Raum. www.cscmp.org

Quelle: Meneghin & Partner AG

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