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Stadt Wien fehlt Gesamtkonzept für Logistikstandorte

Warum die Logistikwirtschaft im Wiener Umland keine adäquaten Standorte findet und was die Stadt dagegen tun kann.  Gastkommentar: Peter de Leeuw

Eine Stadt wie Wien, mit dem Prädikat „Smart City“, die Hauptstadt einer erfolgreichen und vermögenden Volkswirtschaft, sollte es sich leisten, langfristig zu planen. Das heißt, sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Über Dinge, die uns nicht jetzt und sofort treffen, sondern erst für unsere Kinder oder Enkel Bedeutung haben.

Zum Thema Logistik stellt sich die Stadt Wien in der gebotenen Zusammenarbeit mit dem Umland als zumindest wenig visionär dar. Nun mag es Meinungsunterschiede zwischen Wien und Niederösterreich geben, die Entscheidungen verzögern. Auch wenn es klare Ziele gäbe, wäre dies keine ausreichende Ausrede. Es gibt jedoch keine stadt- oder raumplanerischen Ziele bezüglich der Güterverteilung der Stadt Wien.

Güterbewegungen werden nicht geplant, Personenbewegungen schon
Die Prognosen sagen, dass die Stadt Wien in den nächsten 30 Jahren um weitere 300.000 Einwohner wachsen wird, also um die Größe der zweitgrößten Stadt Österreichs oder um gute 17 %. Daher wird entsprechend auf diese Prognose reagiert – im Bereich Wohnbau und Öffentlicher Verkehr.

300.000 Menschen brauchen nicht nur ein Dach über dem Kopf, einen Arbeitsplatz, Schulen und Mobilität; sie werden auch essen und trinken, sie werden Güter kaufen und wieder entsorgen, sie werden Müll produzieren, Dinge im Internet bestellen und Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die einen Materialeinsatz benötigen. Auch die von der Stadt Wien deklarierten Ziele einer „Stadt der kurzen Wege“ rufen nach einem effizienten Güterverteilungskonzept in einer expandierenden Stadt, das nicht ausschließlich durch die freien Marktkräfte geregelt werden kann. Unsere Stadt sollte die Standorte für den Güterumschlag zielorientiert planen.

Infrastruktur für Güterbewegungen
Die Ansiedlung von Logistikhubs hängt ausschließlich mit der Verfügbarkeit von passenden Grundstücken zusammen. Aufgrund fehlender raumplanerischer Instrumente und des Willens, solche zu schaffen, ist jede Standortentscheidung für eine neue Logistikansiedlung ein Produkt lokaler Einzelinteressen. Eine Agglomeration von mehreren Logistikdienstleistern an einem Standort, mit gemeinsamem Zugang zu Autobahn und Schiene, nahe genug an der Stadtgrenze, um Liefertouren mit kleineren Lastern zwischen mehreren Unternehmen koordiniert durchführen zu können, wird der Wiener Wirtschaft vermutlich niemals zur Verfügung stehen.

Der Güterterminal in Inzersdorf, dessen Spatenstich jüngst in den Medien gefeiert wurde, wird von der Politik als „Logistikcenter von europäischen Dimensionen“ gefeiert. Die Chance, einen effizienten Umschlagplatz zwischen Schiene und Straße für die gesamte Logistikwirtschaft zu sein, wurde jedoch bereits vor vielen Jahren zunichte gemacht. Statt sich zielstrebig für einen Wiener Logistikumschlagplatz einzusetzen, startete die Stadt Wien mehrere Aktionen, die den Grundstückspreis im Umfeld über ein für die Logistikwirtschaft finanzierbares Maß hochschnellen ließen. Beispiele sind der angekündigte U-Bahn-Ausbau nach Rothneusiedl samt Umwidmung für den verdichteten Wohnbau oder der angekündigte Bau eines Shoppingcenters. Somit ist das Projekt Inzersdorf zu einem Unternehmensgelände der ÖBB und der RCA verkommen. Es wird niemals zu der erforderlichen Dichte von angesiedelten Unternehmen im unmittelbaren Umfeld kommen, die ein Güterverteilzentrum im internationalen Sinne braucht.

Verpasst die Stadt die nächste Chance?
Zwischen dem Hafen Wien/Albern und der Autobahnauffahrt Mannswörth besteht die Möglichkeit, ein großräumiges, 3-Modales Güterverteilzentrum zu schaffen (Straße, Schiene, Wasser), das zusätzlich die absolute Nähe zum Flughafen Schwechat aufweist (Luft!). Auf kleinstem Raum stünden alle wesentlichen Verkehrsträger zur Verfügung, wodurch viele Fahrten vermieden oder auf das Wenigste reduziert werden könnten. Die Nähe zum Distributionsgebiet Wien erlaubte die Zufahrt mit effizienten Fahrzeugen im Sinne einer „Smart City“; bereits die Agglomeration an sich ermöglichte die Bündelung von Fahrten in Kooperation der angesiedelten Unternehmen.

Dazu kommen alle Themen, die mit dem Zusammenwachsen der beiden Metropolen Wien und Bratislava – ein bevorzugtes Projekt der Stadtregierung seit Jahren – zusammenhängen. Eine funktionierende Logistik ist das Schmieröl einer Wirtschaft. Sollte Wien die bessere und effizientere Logistiklandschaft aufweisen, und das noch auf der Achse Wien-Bratislava, so wird sich das für Wien positiv auswirken.

In vielen Gesprächen mit wesentlichen Entscheidungsträgern habe ich natürlich bereits hören dürfen, warum eine Logistikagglomeration am Wiener Hafen nach internationalem Zuschnitt nicht möglich ist. Meines Erachtens ist jedoch der einzige Grund, warum es nicht möglich ist, dass es trotz der Dringlichkeit noch nicht den Weg zur Agenda der Stadt Wien gefunden hat. Alle anderen Argumente sind Ausreden. (PL)

Quelle: LOGISTIK express Fachzeitschrift 3/2013

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