Strategie für die Schiene: ein Interview mit Dr. Alexander Hedderich, Vorsitzender von DB Schenker Rail

Was leistet DB Schenker Rail heute und in Zukunft für die Kunden? Führt der eingeschlagene Weg auf die Erfolgsspur? Kritische Fragen an Vorstand Dr. Alexander Hedderich.

Laut Statistischem Bundesamt ist der Schienengüterverkehr in Europa in den vergangenen Jahren eher ­geschrumpft als gewachsen. Wie bewerten Sie das?

Der Schienengüterverkehr in Europa hat eine schwierige Entwicklung durchgemacht. Das hat mehrere Ursachen: Zum einen liegt die Industrieproduktion in vielen wichtigen europäischen Märkten nach wie vor deutlich unter dem Niveau von 2007/2008, was sich natürlich stark in unseren Transporten für die Stahl- und die Automobilindustrie bemerkbar macht. Gegenwind ­erfährt der Schienengüterverkehr zudem aufgrund der steigenden Kosten für Energie, Trasse und Personal, die die Schiene ­gegenüber der Straße klar benachteiligt haben. DB Schenker Rail gehört in diesem Umfeld im europäischen Vergleich zu den ­wenigen ­profitablen Güterbahnen. Aber das reicht uns nicht, wir müssen unsere Ertragskraft weiter stärken, um in unser Wachstum ­investieren zu können.

DB Schenker Rail ist die größte europäische Güterbahn mit bewusst internationaler Ausrichtung. Zwar wird 2014 vermutlich besser als 2013, aber ein Boom ist nicht absehbar. Verfolgen Sie noch die richtige Strategie?

Trotz aller Herausforderungen – wir glauben an den Schienengüterverkehr als Wachstumsmarkt in Europa. Zahlreiche ­Chancen sprechen dafür – unter anderem der zunehmende Welt­handel in Kombination mit steigender Containerisierung, die wachsende Nachfrage der Kunden nach verkehrsträgerübergreifenden Logistiklösungen sowie nach umweltfreundlichen ­Transporten.

Dagegen steht, dass viele klassische güterbahnorientierte Industrien in Europa stagnieren oder gar schrumpfen. Kohle zum Beispiel wird in den nächsten Jahren in Europa tonnagemäßig zirka ein Prozent zurückgehen, Papier wird auch eher weniger, im Chemie-, Automotive- und Stahlbereich sind mengenmäßig nur geringe Zuwächse zu erwarten …

Das ist richtig. Man muss dem noch hinzufügen, dass in den nächsten Jahren auch die Kosten für Energie, Trasse und Personal weiter zunehmen werden. Wir müssen von über zwei Prozent pro Jahr ausgehen. Dennoch überwiegen aus unserer Sicht die Chancen trotz einer Vielzahl von Themen. Einige Beispiele: Ich hatte schon den Trend zur Containerisierung genannt. Die Containerschiffe der großen Reedereien werden immer riesiger, und nur die Güterbahn kann den Weitertransport an viele Ziele im Hinterland effizient und wettbewerbsfähig ­realisieren. Großes Potenzial haben wir ebenfalls bei der Verfeinerung unseres Logistikangebots mit Bahnrückgrat. Unsere Mehrwertdienste für die Automobilindustrie werden mehr und mehr nachgefragt. Andere Branchen profitieren ebenfalls von unseren zusätzlichen Services. Nehmen Sie die Stahlbranche: Hier verbinden wir zunehmend unsere einzig­artige Schlagkraft als Massentransporteur mit zeitgemäßen ­Logistikangeboten. Oder das Umweltthema: Viele ­Kunden legen heute Wert auf eine positive Umweltbilanz,  also „grüne“ und möglichst CO₂-effiziente Transporte. Seit mehreren Jahren sind wir hier mit dem Angebot komplett CO₂-freier Transporte bereits gut aufgestellt, jedes Jahr wächst die Zahl der Kunden, die das EcoPlus-Angebot in Anspruch nehmen – national und ­international. Hohe Wachstumsraten erwarten wir außerdem im Kombinierten Verkehr. Dieses Segment wird bis 2018 um drei bis vier Prozent pro Jahr wachsen. Zudem werden wir weiterhin unser einzigartiges europäisches Netzwerk stärken und ­ausbauen – bis hin zu strategisch wichtigen Wachstumsmärkten wie Türkei, Mittlerer Osten, China.

Halten sich Chancen und Risiken die Waage? Und wenn ja, was kann dabei herauskommen?

Ganz klar: Wir befinden uns mitten in einem Strukturwandel, aber auch bei nüchterner Betrachtung bin ich optimistisch, dass die Chancen die Risiken überwiegen. Unsere Analysen ergeben, dass wir von einem langfristigen Marktwachstum in Höhe von ein bis zwei Prozent pro Jahr ausgehen können. Wir wollen dieses Wachstum natürlich nicht nur ausschöpfen, sondern daran überproportional partizipieren. Aber das ist kein Selbstgänger, denn der Markt wird nicht linear wachsen, wir werden uns zunehmend auf Schwankungen einstellen müssen. Zudem muss es uns gelingen, die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene zu stärken. Wir werden nur wachsen können, wenn unsere Angebote und Leistungen attraktiv genug sind, um Verkehre auf die Schiene zu bringen.

Wie wird Ihnen das gelingen?

Das Ziel lautet, die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene zu steigern. Unsere Leistungen müssen besser und zuverlässiger als die ­unserer Wettbewerber sein – und das alles zu „vernünftigen“ Preisen. Das heißt, wir werden effizienter arbeiten und die Qualität weiter verbessern. Außerdem haben wir sicherzustellen, dass Infrastrukturengpässe vermieden werden und Ressourcen ausreichend zur Verfügung stehen: nicht nur Loks und Güterwagen, sondern auch die entsprechende IT-Unterstützung und vor allem qualifiziertes und motiviertes Personal. DB Schenker Rail wird den eingeschlagenen Weg konsequent fortsetzen: Wir werden unser europäisches Netzwerk weiter stärken und modernisieren. Wir wollen erste Wahl auf Europas Schienen sein.

Wie wollen Sie die Qualität verbessern?

Wir richten zurzeit unter anderem unseren Kundenservice und auch unsere umfassende Branchenexpertise international aus. Ein ganz wesentlicher Baustein, die Qualität und Zuverlässigkeit unserer Transporte zu steigern, ist die Modernisierung unseres Produktionssystems im Rahmen der Netzwerkbahn. Hier geht es um die intelligente Verknüpfung unserer zwei Produktionssysteme Ganzzug- und Einzelwagenverkehr. Die Kunden, die heute schon nach der Netzwerkbahn-Logik mit uns fahren, sind zufrieden. Sie informieren uns mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf über das Transportaufkommen – wir haben daraufhin deutlich mehr Möglichkeiten, unseren Kunden schnelle und ­effiziente Transportlösungen anzubieten. Das Feedback unserer Kunden ist dabei von großer Bedeutung und fließt in die weitere Verfeinerung und Umsetzung der Netzwerkbahn mit ein.

Das müssen Sie erläutern! Was haben die Kunden von der Netzwerkbahn?

Sowohl „klassische“ Ganzzug- als auch Einzelwagenkunden ­profitieren. Die einen, weil es nicht immer ein ganzer Zug sein muss. Oft liegt das Aufkommen ja unterhalb der Menge, um einen Ganzzug auszulasten. Diese Züge füllen wir dann gezielt mit Einzelwagen auf, die den gleichen Bestimmungsort haben. Einzelwagenkunden wiederum kommen in den Genuss hoher Transportfrequenzen mit verlässlichen Abfahrts- und Ankunftszeiten. Wichtig ist dabei, dass wir den Kunden helfen, sich umzustellen. Wer die Vorteile der Netzwerkbahn nutzen will, muss uns früh mit belastbaren Informationen über das Transportaufkommen versorgen, genießt im Gegenzug aber auch den Vorteil einer zuverlässigen Lieferung. Denn mit der Netzwerkbahn können wir im Sinne unsere Kunden verlässlicher planen. Der Roll-out in Deutschland ist seit Anfang 2013 erfolgreich  verlaufen und wird in den folgenden Jahren fortgesetzt – auch grenzüberschreitend.

Die größten Herausforderungen scheinen in Deutschland zu liegen, richtig?

Ja, das stimmt. Vor allem in Sachen Effizienz hat DB Schenker Rail in Deutschland hohen Handlungsbedarf. Wir haben schon viel erreicht und werden unser Maßnahmenpaket, intern ­„Aktionsplan Deutschland“ genannt, fortführen. Wir konnten zum Beispiel in den letzten beiden Jahren mit neuen Ansätzen im Güterwagenmanagement die mittlere Laufleistung unserer Wagen um fast 20 Prozent erhöhen. Diesen „Aktionsplan Deutschland“ werden wir nun um weitere strukturelle Maß­nahmen erweitern. Ziel ist es, die Effizienz in den nächsten Jahren um zehn Prozent zu steigern.

Bindet die europäische Ausrichtung nicht womöglich zu viele Kräfte, um in Deutschland schneller auf die Erfolgsschiene zu kommen?

Im Gegenteil. Immer mehr Kunden fragen internationale Transportlösungen und innovative Konzepte aus einer Hand nach. Wenn wir diese Kundenanforderung nicht erfüllen können, ­werden wir auch in Deutschland nicht erfolgreich sein. Schon heute überqueren zwei Drittel unserer Verkehre mindestens eine Grenze – und täglich kommen mehr internationale Transporte dazu. Unsere Korridorzüge, mit denen wir Europas Wirtschafts- und Produktionszentren in hoher Frequenz verbinden, laufen gut. An der Richtigkeit unserer europäischen Ausrichtung ­besteht daher kein Zweifel. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele: Eine europäische Erfolgsgeschichte ist unser Dreijahresvertrag mit dem Aluminiumhersteller Novelis über den Transport von Aluminium-Barren und Aluminium-Coils zwischen Deutschland und England. Und DB Schenker Rail Automotive agiert für Daimler als Lead ­Logistics Provider für die Werksverkehre zwischen Deutschland und Ungarn, wo unter anderem die neue A-Klasse gebaut wird.

2013 brachte eine schwarze Null in Deutschland, ein schmales positives Ergebnis insgesamt für DB Schenker Rail – was erwarten Sie für 2014?

Die Entwicklung bei DB Schenker Rail im zweiten Halbjahr 2013 war sehr ermutigend. Im ersten Halbjahr standen wir bei minus 5,4 Millionen Euro, herausgekommen sind wir bei plus 57,3 Millionen Euro. Wenn uns das Hochwasser mit Zusatzkosten von rund 30 Millionen Euro keinen Strich durch die Rechnung gemacht hätte, wären wir noch besser herausgekommen. Für 2014 können wir deshalb zuversichtlich sein. Die europäisch ausgerichtete Strategie von DB Schenker Rail bewährt sich – gerade auch in schwierigen Zeiten.

Zum Abschluss ein ganz anderes Thema: Was ­würden Sie einem jungen Menschen sagen, um Interesse an DB Schenker Rail als Arbeitgeber zu wecken?

Nur mit qualifizierten und motivierten Mitarbeitern werden wir unsere ambitionierten Ziele erreichen. Ich sage: Wer beim Aufbau der internationalsten Güterbahn der Welt mitmachen möchte, der ist bei uns genau richtig. DB Schenker Rail bietet jede Menge spannende Arbeitsplätze – sei es gewerblich oder kaufmännisch, im Management oder in Technik und Betrieb. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf! Wer in einem auf Nach­haltigkeit ausgerichteten Unternehmen mitgestalten will, passt zu uns.

Herr Hedderich, vielen Dank für das Gespräch!

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