transport logistic China 2008: Interview mit Logistikspezialist Frank Straube

 
Frank Straube gibt Überblick über deutsch-chinesische Kooperation

Am 17. Juni 2008 findet im Rahmen der transport logistic China 2008 das Chinese-German Symposium statt. Moderator ist Prof. Frank Straube. Im Vorfeld der Messe berichtet der Leiter des Bereichs Logistik an der Technischen Universität Berlin und stellvertretender Vorsitzende der Bundesvereinigung Logistik über die deutsch-chinesische Zusammenarbeit.

Messe München GmbH: Herr Prof. Straube, Sie sind gerade aus China zurückgekehrt. Was haben Sie mitgebracht?
Straube: Auf jeden Fall einige gute Nachrichten vom Chinesisch-Deutschen Hochschulkolleg (CDHK) der Tongji-Universität Schanghai. Die Kühne-Stiftung fördert dort in Kooperation mit der Technischen Universität Berlin die Gründung eines Lehrstuhls für Internationale Logistiknetzwerke und Services. Der neue Lehrstuhl, der ein direkter Partner des Lehrstuhls Logistik der TU Berlin ist, kann voraussichtlich Anfang Juli mit einem chinesischen Professor besetzt werden. Eine weitere Vertiefung des Engagements am CDHK bedeutet der Austausch von Studierenden und Doktoranden der beiden Hochschulen. Seit April sind u.a. sechs Studierende des CDHK für ein Semester hier an der TU Berlin immatrikuliert. Im Anschluss daran werden sie noch ein dreimonatiges Praktikum in Deutschland absolvieren.

Im Gegenzug vergibt die chinesische Regierung in Vertretung durch den China Scholarship Council in diesem Jahr erstmalig 18 Vollstipendien an deutsche Studierende für einen Studienaufenthalt am CDHK der Tongji-Universität in Schanghai. Angesprochen sind Studierende der Fächer Elektrotechnik, Maschinenbau, Wirtschaftswissenschaften und Rechtswissenschaft.

Messe München GmbH: Welche Ziele verfolgen beide Seiten mit dieser Kooperation?
Straube: Die Hauptzielsetzungen der Förderung umfassen die hochwertige Ausbildung chinesischer Studierender in einem Masterprogramm Supply Chain Management sowie die Verbreitung logistischen Wissens für Executive Manager internationaler und chinesischer Unternehmen. Forschungsarbeiten werden in enger Zusammenarbeit mit den Forschungsaktivitäten des Bereiches Logistik der TU Berlin durchgeführt und zielen auf die Entwicklung von Strategien zur Internationalisierung logistischer Systeme in Asien.

Messe München GmbH: Soll damit auch die Personallage im Logistikbereich in China verbessert werden?
Straube: Mit dem Wachstum der Gesamtwirtschaft Chinas ist auch ein überdurchschnittliches Wachstum der Logistikbranche verbunden. Die Konsequenz daraus wird ein Mangel an Fachkräften gerade im Logistikbereich sein. Bereits heute kann eine vermehrte Nachfrage nach Weiterbildungsmaßnahmen in diesem Sektor beobachtet werden. Daran hat sich die European Logistics Association schon frühzeitig orientiert und bietet heute eine Zertifizierung für Führungskräfte im Bereich Logistik nach europäischem Standard an – die Ausbildung ist in mehrere Module unterteilt, die sowohl von chinesischen als von deutschen Professoren auf hohem Niveau angeboten wird.

Messe München GmbH: Werden also deutsche Logistikdienstleister mit ihrer langjährigen Erfahrung auf dem chinesischen Markt dringend erwartet?
Straube: Das hängt stark von der Frage ab, welche Dienstleistungen ein deutsches Unternehmen dort anbieten will. Durch den Beitritt zur WTO hat sich der chinesische Markt für ausländische Unternehmen ein Stück weit geöffnet – dies betrifft zum Beispiel die Reduzierung von Zollsätzen, Verbesserung der rechtlichen Situation und bessere Vertriebsmöglichkeiten durch den Abbau von Beschränkungen. Dennoch ist diese „Öffnung“ noch immer mit gewissen Auflagen oder Beschränkungen unterschiedlichster Art verbunden. Inwiefern sich ausländische Unternehmen an Vorgaben halten müssen hängt von der jeweiligen Zielsetzung des Unternehmens ab. Für den Zugang zum Logistikmarkt werden nach wie vor A- oder B-Lizenzen benötigt. Momentan können nur große Staatsbetriebe landesweit die A-Lizenz erwerben und wenige internationale Unternehmen können eine in der Regel nur auf eine Provinz beschränkte A-Lizenz bekommen. Die A-Lizenz wird vom chinesischen Außenhandelsministerium erteilt und berechtigt dazu, rechtliche Dokumente zu erstellen und Dienstleistungen direkt anzubieten. Damit sind die Unternehmen weitgehend unabhängig in ihrer Planungs- bzw. Rechtssicherheit und haben damit direkten Kontakt zu den Kunden. Um die A-Lizenz zu erhalten, müssen zahlreiche Voraussetzungen erfüllt werden, zum Beispiel zwölf Jahre Erfahrung auf dem chinesischen Markt und ein Mindestumsatz von 600 Mio. RMB, davon 300 Mio. RMB aus dem Transport. Ist ein Unternehmen in mehreren Bereichen (Luft, See) bzw. unterschiedlichen Provinzen tätig, so braucht dieses Unternehmen weitere A-Lizenzen. Darüber hinaus gibt es noch Logistikdienstleister mit einer B-Lizenz – hierfür ist eine Kooperation mit einem chinesischen Unternehmen bzw. Inhaber einer A-Lizenz notwendig.

Messe München GmbH: Werden deutsche Logistikdienstleister nur von diesen administrativen Hindernissen ausgebremst oder gibt es weitere Barrieren?
Straube: Der Markteintritt wird teilweise auch auf Grund sprachlicher und kultureller Unterschiede erschwert. Interkulturelle Kompetenz ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Internationalisierung von Unternehmen. Besonders für die Logistik gehört interkulturelles Management zu den Schlüsselkompetenzen, arbeiten doch Menschen unterschiedlichster Herkunft in globalen Netzen täglich an gemeinsamen Projekten zusammen. Auch Sprachbarrieren sollten von den Unternehmen, die in den chinesischen Markt eintreten wollen, nicht unterschätzt werden. Gerade hier leistet das CDHK der Tongji-Universität echte Pionierarbeit. Im CDHK fördert die deutsche Wirtschaft bis heute mehr als 25 Lehrstühle in ingenieurwissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Disziplinen. Über einen Zeitraum von drei Jahren werden Masterstudenten aus ganz China am CDHK ausgebildet – auch in der Logistik. Dieses Studium wird durch ein Semester an einer deutschen Hochschule mit anschließendem Praktikum in einem deutschen Unternehmen ergänzt. Über die reine Lehr- und Forschungstätigkeit hinaus hat das CDHK das Ziel, auch im kulturellen Dialog zwischen Deutschland und China Impulse zu geben. Absolventen werden damit ausgezeichnet für den späteren Berufseinstieg vorbereitet – sie sind geradezu prädestiniert, für ein deutsches Unternehmen in China oder umgekehrt zu arbeiten.

Messe München GmbH: Gut ausgebildetes Personal verursacht auch Kosten. Wird sich der Export von Waren aus China auch in Zukunft noch lohnen?
Straube: Hier muss man zwischen der mittlerweile sehr gut aufgestellten Küstenregion und dem im Verhältnis wesentlich größeren Hinterland unterscheiden. Selbstverständlich hat der wirtschaftliche Aufschwung Chinas mit zweistelligen Zuwächsen des Bruttoinlandsproduktes über die letzten 30 Jahre hinweg speziell in den Küstenregionen für Veränderungen gesorgt. Im Gleichschritt mit dem wirtschaftlichen Aufschwung haben sich dort auch die Lohnstrukturen entwickelt, so dass heute zum Teil europäisches Niveau erreicht wird. Die eigentliche Produktion findet längst nicht mehr in Küstenregionen statt – hier hat sich das chinesische Hinterland hervorgetan. Dort kann noch relativ günstig produziert werden und wenn diese Regionen nun zunehmend von Chinas Aufschwung partizipieren, kann dieser Teil auch weiterhin für eine hohe Nachfrage nach westlichen Produkten und damit für eine weiterhin hohe Exportrate europäischer bzw. deutscher Produkte sorgen.

Messe München GmbH: Chinas Rolle in der weltweiten Arbeitsteilung bleibt also unverändert erhalten?
Straube: Momentan sieht es noch ganz danach aus. Allerdings kann mittlerweile schon eine Tendenz zur Verlagerung der Produktion aus China zugunsten von Ländern wie Bangladesch oder Vietnam beobachtet werden. Und dann gib
t es noch den Ge
gentrend: die Regionalisierung der Produktion. Eine Reihe von Unternehmen hat ihre Produktion wieder zurück nach Deutschland geholt, da sie nicht in ausreichendem Maße von den Standortvorteilen profitieren können. Die Gründe dafür sind individuell verschieden.
 
Quelle: Messe München International

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