Verschenkte Chancen

Die Krise ist auch in der Logistikbranche noch nicht passé, die Aussichten stimmen jedoch durchaus optimistisch. Das Thema Fachkräftemangel, dass 2008 die Presselandschaft mit prägte, ist in den Hintergrund gerückt. Hat sich etwas geändert? Die Regierung versucht, ihren Teil beizusteuern: seit 2009 gibt es das Programm "Aus- und Weiterbildung" des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG). Was tut die Branche, um gegenzusteuern und wie nimmt sie dieses Angebot wahr? myLogistics sprach dazu mit Alexander Thalhammer von der forward academy gmbh, einem auf Transport & Logistik spezialisierten Weiterbildungsinstitut.

myLogistics: Herr Thalhammer, wie hat die Logistikbranche in Sachen Weiterbildung 2009 reagiert.

Thalhammer: Das Bild war zweigeteilt. Entweder haben Unternehmen sämtliche Maßnahmen auf null heruntergefahren – oder sie haben sehr stark bis massiv investiert. Bei letzteren lag der Schwerpunkt klar im Verkauf sowie im Management.

myLogistics: Gab es hier einen Unterschied nach Verkehrsträger oder Größe des Unternehmen?

Thalhammer: Das ist der Querschnitt der gesamten Branche. Kleinere Unternehmen neigen tendenziell aber eher dazu, auf Weiterbildungen komplett zu verzichten. Bemerkenswert ist, dass immer mehr Mittelständer ab ca. 100 Mitarbeitern erkennen, dass Weiterbildung ein Wettbewerbsfaktor ist. Gerade hier besteht Investitionsbereitschaft. Großunternehmen, die über entsprechende Ressourcen verfügen, haben ihre Budgets signifikant gesenkt.

myLogistics: Wie sieht nun die Entwicklung in 2010 aus?

Thalhammer: Sehr viele Unternehmen fragen gezielt nach individuellen Konzepten, um ihre Mitarbeiter zu qualifizieren und zu entwickeln. Die Nachfrage ist stark angezogen. Das ist zum Teil Nachholbedarf aus 2009, teils ist der Leidensdruck so groß, dass Maßnahmen unumgänglich sind.

myLogistics: Stichwort Fachkräftemangel. Hat sich der Markt durch Freisetzungen entspannt?

Thalhammer: Ganz sicher nicht, das Gegenteil ist der Fall. Fragen Sie mal, wer keine Verkäufer, Disponenten oder gute Lagerfachkräfte sucht. Genau das ist unseres Erachtens auch der Grund, warum die Nachfrage nach individuellen Konzepten stark steigt. Die Firmen müssen intern qualifizieren, damit ihre Teams und Prozesse effizient funktionieren, sonst leidet die Qualität. Und am Ende steht der Kunde, der den Markt genau beobachtet. Wer hier nichts tut, wird in wenigen Jahren großen, wenn nicht existenziellen Problemen gegenüberstehen.

myLogistics: Weiterbildung kostet Geld. Der Kostendruck ist enorm, die Bereitschaft, zu investieren verhalten. Was kann man in einer solchen Situation als Logistikunternehmen dennoch tun?

Thalhammer: Wenn jemand eine Produktionsmaschine bedienen soll, muss er sie bedienen können. Kein Unternehmen wird in eine teure Maschine investieren, wenn sie niemand richtig beherrscht, um das beste Ergebnis zu erzielen. Also werden die Mitarbeiter von A bis Z geschult.

Es gibt in unserer Branche immer noch reichlich Firmen, die das so nicht tun. Die Wirklichkeit sieht oft anders aus, ein Beispiel aus dem Verkauf: Ein Mitarbeiter scheint ein Talent für den Umgang mit Menschen zu haben. Damit ist er automatisch für den Verkauf geeignet! So wird er gefragt, ob er diese Position wahrnehmen möchte. Bei einem „Ja“ ist er dann der neue Verkäufer – und soll loslegen, Kunden zu akquirieren.

Dieser kann nicht effizient sein. Niemand hat ihm je gezeigt, wie verkaufen geht. Jetzt frage ich Sie: ist eine Investition hier eher sinnvoll und nützlich oder überflüssig?

Gleiches gilt für alle anderen Bereiche und Positionen im Unternehmen.

Um auf Ihre Frage zu antworten, was man tun kann: auch mit geringeren Mitteln kann man Weiterbildung betreiben. Sie muss langfristig ausgerichtet und kontinuierlich sein. Zudem gibt es bis 2011, zumindest für Unternehmen mit LKW, reichlich Förderungen der BAG durch das Programm "Aus- und Weiterbildung".

myLogistics: BAG-Förderungen – das Programm "de-minimis" kennen viele LKW-Unternehmer. Nennen Sie uns bitte kurz die wichtigsten Fakten zum Förderprogramm "Aus- und Weiterbildung".

Thalhammer: Voraussetzung ist, dass man mindestens einen LKW mit 12t Gesamtgewicht im Güterkraftverkehr beschäftigt – der muss auf das Unternehmen zugelassen sein. Dann erhält jedes Unternehmen max. 2 Mio. Euro Fördermittel pro Jahr. Das gilt 2010 und 2011 – übrigens auch schon 2009, da sind aber nur gut 2/3 der Mittel von jährlich 350 Mio. € abgerufen worden – fragen Sie mich bitte nicht, warum die Logistik auf gut 100 Mio. € verzichtet.

Wenn sie nun diesen einen LKW haben, erhalten Sie 60 Prozent, als KMU 70 Prozent der Weiterbildungskosten im Rahmen der Förderung erstattet. Und nun kommt der Trugschluss: das bedeutet nur theoretisch, dass die Unternehmen die restlichen 30 Prozent bzw. 40 Prozent selbst tragen, wie viele denken.

Neben den reinen Weiterbildungskosten trägt die BAG-Förderung auch die Bruttolohnkosten zu 60 Prozent bzw. 70 Prozent sowie Fahrt- und Übernachtungs-kosten (bis max. 130€ bzw. 20€) sowie Spesen – alles je Teilnehmer.

Kostet eine Weiterbildung für 10 Mitarbeiter z.B. 2000€, kann die Förderung also durchaus an die 3000€ betragen. So betrachtet also eine Förderquote, die Weiterbildung zum Nulltarif ermöglicht.

Viele Unternehmen glauben oder wissen das schlichtweg nicht. Dabei ist der Antrag sehr einfach und unbürokratisch. Sobald dieser per Einschreiben an die BAG geschickt wird, kann die Maßnahme auch schon beginnen.

myLogistics: Um ganz sicher zu sein: wer nur einen einzigen LKW auf sein Unternehmen zugelassen hat, hat Anspruch auf 2 Millionen Euro Fördergeld?

Thalhammer: Ja – pro Jahr, 2010 und 2011. Wer 2010 noch in den Genuss der Förderung kommen will, sollte sich beeilen. Die Antragsfrist endet am 15. Februar 2010.

myLogistics: Herr Thalhammer, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das myLogistics-Gespräch führte Susanne Wranik.


Quelle: MyLogistics       
Portal:  www.logistik-express.com

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