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Was hat den denn geritten?

Kaum ein Politiker hat es zuletzt so intensiv in die Schlagzeilen gebracht wie Minister Berlakovich. Wenn ein Umweltminister gegen ein Pestizidverbot stimmt, fragt man sich, was dahinter steckt. Oder vielleicht doch eher „wer“? Es würde mich nicht wundern, wenn wir es hier mal wieder mit einem Fall von Lobbying zu tun haben… doch ist Lobbying immer schlecht?  Redaktion: Angelika Thaler

Ganz ehrlich, ich möchte keine Politikerin sein. Jedes Wort wird auf die Waagschale gelegt – und dabei ist es oft nicht mal die eigene Meinung, die man von sich gibt, sondern die von Spindoktoren, Schreibern, der eigenen Partei oder Interessensgemeinschaften. Und es ist unmöglich, es Allen Recht zu machen. Der deutsche Politiker Horst Lorenz Seehofer sagte einmal – allerdings nach seiner Tätigkeit als BM für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – in einer Fernsehsendung „Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden.” Das ist wohl der Grund dafür, warum so wenige Wissenschaftler und Experten politische Ämter bekleiden, die entscheiden lieber im Hintergrund.

Lobbyist? Ich doch nicht!
Von Lobbyismus zu sprechen, hat etwas Anrüchiges. Keiner will im direkten Kontext genannt werden, denn er gilt als verpönt. Warum eigentlich? Sucht man nach Definitionen, findet man bei neutraler Betrachtung nichts Schlimmes. Denn es geht um einen systematischen Prozess zur Formulierung und Durchsetzung von Interessen bzw. Anliegen von Personen(gruppen), Institutionen, Unternehmen oder einer ganzen Branche durch sachliche, umfassende Information. Überzeugen statt Überreden lautet demnach die Devise. Der einzige Unterschied zur „guten, alten“ Werbung ist, dass die Einflussnahme hauptsächlich durch organisierte Interessengruppen – beispielsweise Verbände, Vereine oder NGOs – und deren Vertreter erfolgt anstatt durch Einzelunternehmen. Ok, noch ein Unterschied: die Wahl der Mittel ist vielfältiger. Denn bei etwas lockererer Betrachtungsweise bin ich ein Logistik-Lobbyist. Ich informiere die Öffentlichkeit und auch Entscheidungsträger (die sich unter unseren Lesern befinden) über die Leistungen der Logistik und versuche damit auch, deren und die allgemeine Meinung (positiv) zu beeinflussen. Dafür werde ich bezahlt. Die Sache mit der Gegenleistung lassen wir einfach mal beiseite. Oder zählt das Vertilgen eines Extra-Lachshäppchens bei einer Presseveranstaltung als unlautere Geschenkannahme?

Politikberatung
Wie in fast allen Bereichen des Lebens gibt es auch auf dem Gebiet des Lobbyismus ein „Schönreden“. Mit anderem Namen versehen, klingt es auch nicht mehr so schlimm. Ein Beispiel: „Politikberater Alfons Mensdorff-Pouilly“ klingt doch viel netter als „Waffenlobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly“. Oder? Auch die Bezeichnungen „Public Affairs“ oder „politische Kommunikation“ sind durchaus gängig und akzeptiert. Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum viele internationale Konzerne eine „Hauptstadtrepräsentanz“ haben?Lobbying ist aus dem täglichen Leben nicht wegzudenken, es beeinflusst die Entscheidungen und den technischen Fortschritt. Hätte niemand sich für die Einführung der CD stark gemacht, hätten wir heute noch Kassetten. Ohne einen gemeinsamen Standard für VHS als Nachfolger von Super8 und Betamax, wer weiß, wo die Filmindustrie sich hin entwickelt hätte. Verschiedene Mauterfassungssysteme buhlten um die Gunst der Regierung, ehe sich die GO-Box durchsetze.

Mein Standpunkt: solange es transparent abläuft, ist Lobbying absolut ok. Einzelne haben oft Probleme dabei, sich und einer potenziellen tollen Idee Gehör zu verschaffen, doch wenn sie in einem Interessenverband Unterstützung finden, steigen ihre Chancen. Doch kehren wir zurück zum armen Minister. Wird sein ursprüngliches Votum gegen das Verbot von Neonicotinoiden zu einem politischen Suizid? Der Misstrauensantrag wurde abgeschmettert, noch rettet ihn seine Partei vor dem Rücktritt. Wer weiß, wie lange noch – so gesehen würde ihm etwas Lobbying zu seinen Gunsten nicht schaden. Wer will, wer mag? (AT)

Quelle: LOGISTIK express Fachzeitschrift 2/2013

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