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Assist 4.0 – Paradebeispiel für Innovationspartnerschaft

Viele Köche verderben den Brei? Mitnichten! Im Fall von Assist 4.0 haben sich sieben österreichische Industrie-, Wirtschafts- und Forschungsunternehmen zusammengetan, um gemeinsam ein intelligentes Assistenzsystem für die Industrie zu entwickeln. Der Startschuss ist gefallen, auf das Ergebnis dürfen wir gespannt sein.

Immer mehr Unternehmen sind global aufgestellt und betreiben Niederlassungen oder Anlagen auf unterschiedlichen Kontinenten. Nun stellen wir uns vor, in einer kleinen Fabrik in Asien tritt ein Problem mit einer neuen Maschine auf und der anwesende Servicetechniker kann den Fehler nicht finden, da er mit dem Gerät noch nicht vertraut ist. Einen weiteren Servicetechniker zu entsenden kann Stunden dauern, der Stillstand in der Fabrik hohe Kosten verursachen. Damit soll bald Schluss sein. Die neuen Assistenzsysteme, kurz Assist 4.0 genannt, werden den Einsatz von Produktions- und Servicemitarbeitern revolutionieren: Ein zentrales Softwaresystem in Kombination mit modernen Endgeräten wie Tablets, Smartphones oder Datenbrillen unterstützt das Personal situationsangepasst mit Informationen und visualisierten Daten, um Servicefälle besonders effektiv und effizient abzuwickeln.

Forschungspartnerschaft
Im Sommer wurde das ambitionierte Projekt der Öffentlichkeit präsentiert. Unter der Leitung der KNAPP AG arbeiten die Experten der AVL List GmbH, der evolaris next level GmbH, der Infineon Technologies Austria AG, der Paris-Lodron-Universität Salzburg,der Research Studios Austria Forschungsgesellschaft mbH und der XiTrust Secure Technologies GmbH zusammen an insgesamt sechs Anwendungsfällen, die auf Basis spezieller Anforderungen der Industriepartner erhoben wurden. Insgesamt ist eine Projektlaufzeit von 2,5 Jahren anberaumt, schon Ende 2015 soll es einen Prototyp geben. „Assist 4.0 kombiniert international tätige Partner, die ihren großen Erfahrungsschatz einbringen und sich zudem die Forschungskosten aufteilen“, streicht DI Jens Poggenburg, Director Global Customer Services Instrumentation & Test Systems bei AVL, die Vorzüge heraus. Denn immerhin beträgt das Projektbudget 3 Millionen Euro, von denen 1,8 Millionen Euro von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft beigesteuert werden.

Augmented Reality trifft Datenbrille
Was tun, wenn man beide Hände zum Reparieren braucht, und daher die Bedienungsanleitung oder den Schaltplan nicht halten kann? Nicht immer findet sich die geeignete Ablage. Da wäre es doch überaus praktisch, die Anweisungen oder Informationen direkt ins Gesichtsfeld zu bekommen. Nicht erst seit „Google Glass“ ist die Datenbrille Realität. „Hands-free-working ist für uns ein wichtiges Thema“, betont Poggenburg, „aber egal wie modern und fortschrittlich die Technologie ist, man muss auch noch damit arbeiten können.“ Bei der Entwicklung wird daher auch großer Wert auf eine benutzerfreundliche Anwendung gelegt, die breite Akzeptanz findet und maximale Unterstützung im Arbeitsall-tag bietet. Datenbrillen mit Augmented Reality sind vielfältig einsetzbar und daher ideal. KNAPP hat bereits vor einigen Jahren eine Softwarelösung mit passender Datenbrille zur manuellen Kommissionierung auf den Markt gebracht – wertvolles Know-how, das in das Projekt einfließen kann. Wie im Endeffekt dann die Benutzerschnittstelle (HMI) aussehen wird, fragt sich auch Richard Lippe, Director Automation bei Infineon: „Wir suchen eine Möglichkeit, unserer Wartungs-truppe kontextbasierte Information zur Verfügung zu stellen. Da aber viele unserer Anlagen im Reinraum stehen, müssen wir einige Einschränkungen bedenken. Die Handschuhe sind zum Beispiel schlecht bei der Bedienung von Touchscreens, aber in manchen Bereichen ist es zu laut für eine Sprachausgabe.“ Die Anleitung kann entweder über multimediale Inhalte oder über Echtzeit-Anweisungen von Backoffice-Experten abgerufen werden.

Knapp beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Bildverarbeitung. „Das Wissensmanagement ist zentral“, meint Kajetan Bergles, Service Development Manager bei KNAPP. „Die Informationen richtig aufbereitet zur richtigen Zeit an den gefragten Ort zu übermitteln und das auch in guter Qualität, ist die große Herausforderung. Denn die Informationen liegen in unterschiedlichster Form vor – beispielsweise Aufzeichnungen, Fotos, Videos, Dokumente und Anleitungen in verschiedenen Sprachen. Diese müssen am Backend gesammelt und ans Frontend übermittelt werden.“ Lippe ergänzt: „Wir betreiben eine Vielzahl an unterschiedlichen Anlagen weltweit, die von den unterschiedlichsten Lieferanten weltweit kommen, Medienbrüche und Sprachbarrieren sind da an der Tagesordnung.

Unser Ziel ist es, die Mitarbeiter zielgerichtet und effizient mit allen nötigen Informationen zu versorgen. Das betrifft nicht nur den Service, sondern auch den Materialfluss durch die Produktion.“ Neben den Servicethemen sind Augmented Reality und Datenbrille auch im Bereich Training und Weiterbildung relevant: etwa in Form von „Training on the Job“ werden mobile Technologien zukünftig einen wesentlich höheren Stellenwert einnehmen.

Datensicherheit
Wenn so viele Daten gesammelt und übermittelt werden, kommt sofort das Thema Sicherheit ins Spiel. Gerade bei Unternehmen, bei denen die Konkurrenz gerne Mäuschen spielen würde, dürfen die Informationen und forschungssensiblen Daten nicht in falsche Kanäle gelangen. „Aus diesem Grund haben wir einen Sicherheitsexperten als Partner ins Boot geholt“, erklärt Bergles, „XiTrust bringt die Expertise auf dem Gebiet des sicheren Datentransfers ins Projekt ein.“

Mobil und personalisiert
Schon heute sind viele Bereiche vernetzt. In Zukunft werden Menschen und Maschinen wie selbstverständlich miteinander kommunizieren, wobei nicht nur die einseitige Anleitung, sondern auch das Feedback zurück ans System eine große Rolle spielen wird. Komplexere Arbeits- und Produktionsabläufe be-dingen intelligente Systeme, die kontext-bezogene Informationen bereitstellen können. Durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien wird ein echtzeitfähiges Abbild der Produktion ebenso Realität wie eine dezentrale Prozess-Steue-rung. „Industrielle Assistenzsysteme der Zu-kunft müssen mobil, lokationsbasiert, kontextbezogen und personalisiert sein“ fasst Bergles zusammen, „besonders in großen Anlagen mit vielen gleichen Maschinen ist es wichtig, den Servicetechniker auch zu orten und zu navi-gieren, damit er sich an der richtigen Stelle befindet.“ Möglich wird das beispielsweise durch Indoor GPS, RFID-Systeme, Ultra Infrarot oder optische Bild- und Objekterkennung. „Assist 4.0 hat eine flexible, kontextabhängige Lösung im Fokus. Teilweise kann das Smartphone für Produktionsmitarbeiter durchaus ausreichend sein, um die richtigen Entscheidungen zu treffen oder ein Problem beheben zu können. Im Zuge einer geplanten Wartungs-tätigkeit wird vielleicht ein Tablet zum Einsatz kommen. Und wenn der Techniker gezielte Informationen und gleichzeitig beide Hände benötigt, ist wohl eine Datenbrille inklusive Augmented Reality das Ausgabemedium der Wahl“, schildert Peter Brandl, Assit 4.0-Projekt-leiter bei evolaris. Welches der Endgeräte dann für die Anwendungsfälle das beste ist, wird sich im Laufe des Projektes herausstellen. Dass diese sieben Unternehmen nun ein Team bilden, ist übrigens unter anderem dem Styrian Service Cluster zu verdanken, dessen Sprecher Bergles ist – KNAPP und AVL zählen sogar zu den Gründungsmitgliedern dieser Service-Plattform. Denn hier entstand beim gemeinsamen Wissens- und Erfahrungsaustausch die Idee zur Zusammenarbeit. Und wieder zeigt sich: durch’s Reden kommen die Leut z’sam.

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 3-2014

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