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Baltische Häfen Russland sagt „Niet“ zu Transhipment

Der russische Bär bäumt sich auf und will bis 2015 unabhängig vom Transhipment in baltischen Nachbarländern werden. Eine bedeutende Rolle spielt dabei der Ausbau des Hafens Ust-Luga. Die in Bedrängnis geratenen Häfen in der baltischen Region fokussieren derweil auf asiatische Kunden. 

Die russische Wirtschaft wurde durch die Weltwirtschaftskrise stark in Mitleidenschaft gezogen. Viele Großprojekte im Infrastruktur-, Flughafen- sowie Hafenausbau wurden auf Eis gelegt. Da der Finanzsektor des Landes stark getroffen wurde rechnen Fachleute damit, dass es mehrere Jahre dauert, bis größere Projekte wieder aufgenommen werden.  In 2010 begann die Wirtschaft langsam wieder zu gesunden. Der Hafen-, wie auch der Eisenbahnsektor, zeigten eine leichte Erholung und der Frachtumschlag sowie die Anzahl aktiver Entwicklungsprojekte nahm verglichen mit 2009  wieder zu. Nach einem Einbruch des Bruttoinlandprodukts von 7,9 Prozent in 2009, stieg es in 2010 um 3,8 Prozent und wird laut Gtai für 2011 auf 4,2 Prozent Wachstum prognostiziert. Die russische Wirtschaft ist nach wie vor  stark auf den Export von Rohöl und natürlichen Ressourcen angewiesen. Die dadurch entstehende Abhängigkeit von den Weltmarktpreisen für diese Güter hatte sich in 2008 zuletzt gerächt, als der Weltmarktpreis für Rohöl einbrach. Die Wirtschaft des Landes litt damals beträchtlich.

Der Großteil russischer Häfen befinden sich in drei bedeutenden Hafenbassins, namentlich  Nordwest, Süden und russischer Ferner Osten. Die Häfen im Nordwesten sind für Deutschland bzw. Europa am wichtigsten, da sie in der baltischen See liegen. Hier stehen sie mit anderen baltischen Häfen in Finnland, Estland, Lettland und Litauen in Konkurrenz. Gemäß der Association of Merchant Seaports, handelten die Häfen des Nordwest Bassins 45 bis 47 Prozent des gesamten Frachtvolumens der Russischen Föderation in 2010. Laut des Leiters des Hafen St. Petersburg Petr Parinov werden die Häfen im Golf von Finnland bis 2015 rund 50 Prozent des Frachtumschlags des Landes handeln. An der Küste des Schwarzen, Asowschen und Kaspischen Meeres liegen die Häfen des russischen Südbassins. Durch das Schwarze Meer, Kanäle und Straßen hat die russische Seeflotte im Süden Zugang zum Mittelmeer und schließlich zum Atlantischen Ozean. Im Fernen Osten des Landes stehen die Häfen mit chinesischen, koreanischen und japanischen Häfen im Pazifischen Ozean in Konkurrenz. Das gesamte Frachtvolumen in russischen Häfen betrug in 2009 496,4 Millionen Tonnen.

Situation in der Baltischen See
Bis heute ist die maritime Infrastruktur der Russischen Föderation nicht in der Lage die eigenen Im- und Exporte alleine zu bewältigen. Sie müssen über Transithäfen insbesondere in der Baltischen See verschifft werden. In Finnland zum Beispiel werden zirka 13 Prozent der russischen Importe in den Häfen Helsinki, Kotka, Hamina, Rauma und Turku umgeschlagen und von dort via Landweg nach Russland befördert. Weitere wichtige Häfen für russische Im- und Exporte sind Tallin in Estland, Klaipeda in Litauen und Riga in Lettland. Um die Abhängigkeit von ausländischen Häfen zu verringern, will Russland nun die eigenen Häfen an der baltischen See und insbesondere den Hafen Ust-Luga ausbauen. Der russische Transportminister Igor Levitin glaubt, dass die russischen Häfen bis 2015 genügend Handlingskapazität besitzen werden, um das Transhipment in ausländischen Häfen der baltischen Region zu umgehen.

Nationales Großprojekt Ust-Luga nahe St. Petersburg
Der Ausbau des 2001 eröffneten Hafens Ust-Luga nahe St. Petersburg wird als Projekt mit hoher nationaler Bedeutung angesehen. In 2015 soll er bis zu 170 Millionen Tonnen Fracht jährlich umschlagen. In 2010 handelte er nur rund 24 Millionen Tonnen. Daher wird dieses Ziel als sehr ehrgeizig angesehen. Der Geschäftsführer der Ust-Luga Company Maxim Shirokov sagte in einem Reuters-Interview: „Wir bereiten uns auf den großen Durchbruch vor! In 2011 bis 2012 werden wir einen Quantensprung erleben. Verschiedene Betreiber haben ihre Planungen beendet und wollen den Bau ihrer Terminals beginnen.“ Ust-Luga wird die größte Exporteinrichtung für raffinierte Ölprodukte in Russland besitzen. Von den genannten 170 Millionen Tonnen Fracht werden 68 Millionen Tonnen Rohöl und raffinierte Ölprodukte  ausmachen. Das Rohöl soll durch die neue BPS-2-Pipeline gepumpt werden. Der Hafen ist ebenso im Gespräch mit koreanischen Autoherstellern. Die Zunahme des Autoimports in Ust-Luga ist die Ursache für die geringeren Auto-Transhipments in Finnland. Der frühere stellvertretende Premierminister Sergei Ivanov sagte in 2008: „Wir haben den Hafen Ust-Luga seit einigen Jahren entwickelt, um ausländische Häfen in der Baltischen See zu umgehen. Seit 2005 wurden rund 60 Milliarden Rubel in den Hafen investiert.“ Er fügte an: „Bis vor kurzem hatte Russland keine Transhipment-Terminals für Heizöl. Daher mussten wir rund 17 Millionen Metertonnen durch estländische Häfen exportieren. Der Im- und Export von Heizöl durch diese Häfen wird in Zukunft nicht mehr nötig sein.“ „Der erste Tanker mit Ölprodukten hat den Hafen Ust-Luga zu Testzwecken verlassen. Dies symbolisiert den Beginn einer neuer Transportroute für russische Ölproduke“, sagte der stellvertretende Transportminister Viktor Olersky im Januar diesen Jahres.  Bisher wurden überwiegend Kohle und Düngemittel gehandelt.

St. Petersburg ist gemessen am Frachtumschlag nach dem russischen Ölhafen Primorsk bisher der zweitgrößte baltische Seehafen. Die Lage des Hafens ist ein zweischneidiges Schwert, da durch die Nähe zur Stadt kaum ausreichend Platz zur Expansion vorhanden ist. Auf der anderen Seite ist die gute Infrastruktur der Stadt St. Petersburg natürlich von Vorteil. Seit 2007 wurden vier Projekte erfolgreich umgesetzt – eines davon ist Ust-Luga. In 2008 wurde die erste Phase des Automobil-Terminals mit einer Kapazität von 80.000 Fahrzeugen pro Jahr in Betrieb genommen. Die erste Phase eines Ro-Ro-Terminals mit einer Million Tonnen Kapazität wurde im April 2009 eröffnet und die Planung eines Terminals für Tiefkühlprodukte wurde begonnen. Bis 2015 sollen Terminals für Eisenmetalle (2 Millionen Tonnen jährlich), Ro-Ro-Fracht (1,4 Millionen Tonnen jährlich), Tiefkühlkost (1,5 Millionen Tonnen jährlich), Automobile (zweite Phase, 170.000 Stück jährlich)  und Vielzweck-Handlingseinrichtungen mit einer Kapazität von drei Millionen Tonnen gebaut werden. Bis 2015 sollen 42 Milliarden Rubel (rund eine Milliarde Euro) investiert werden.

Baltikum sucht nach Auswegen

In 2009 hat der Hafen Riga in Lettland ebenfalls Ausbaupläne angekündigt. „Russland baut Ust-Luga aus. Das wissen wir schon seit einigen Jahren. Die baltischen Häfen werden einen kontinuierlichen Handel mit asiatischen Kunden aufbauen, unabhängig davon, was Russland mit seinen Häfen vorhat“, sagte Andris Maldups, Direktor der Abteilung Transportstrategie im lettischen Transportministerium. „Wir arbeiten mit China zusammen, Fracht nach Nordeuropa zu bringen.“ Riga wird traditionell als das westliche Ende der Transibirischen Eisenbahn gesehen. Das größte Infrastrukturprojekt in Riga ist die Verlagerung des Hafens aus dem Stadtzentrum auf die nahegelegene Insel Krievu Sala.  Auf 65 ha entstehen hier bis 2012 ein Kai mit 1.780 m Länge und sieben Liegeplätzen für Schütt- und Stückgüter. Der größte russische Containerterminalbetreiber, die National Container Company (NCC), plant den Bau eines neuen Containerterminals mit zwei Millionen TEU Kapazität in Rigas Kundzinsala. Allerdings wurde das Projekt in 2009 wegen der Krise und durch einen Rechtsstreit über den Hafenentwicklungsplan (2006  bis 2018) vor dem Verfassungsgericht auf Eis gelegt.

Auch der über das gesamte Jahr eisfreie Hafen Klaipeda in Litauen rüstet sich mit der Entwicklung des „Außenhafens“, der eine Kailänge von 1.500 m und eine natürliche Wassertiefe von rund 17 m bereitstellen wird. Es wird erwartet, dass der litauische Hafen in 2017 an seine Kapazitätsgrenze stößt. Allerdings wird das erste Terminal erst in 2020 auf der künstlichen Insel in Betrieb gehen. Auch in Klaipeda werden hauptsächlich Düngemittel und Ölprodukte gehandelt. Ein großer Teil davon ist für Russland und Weißrussland bestimmt. Im Februar 2011 übertraf das Frachtumschlagsvolumen in Klaipeda mit 3,18 Millionen Tonnen (+23,1 Prozent mehr als im Vorjahr) das Volumen in den Häfen Riga, Ventspils und Tallinn. In Tallinn in Estland laufen drei Erweiterungsprojekte. Im Hafen Muuga wurde die Containerhandlingskapazität auf 350.000 TEU erweitert. Die neue Infrastruktur ging im Juli 2010 in Betrieb.

In 2009 wurden zwei neue Liegeplätze mit 230 und 160 m Länge  im Paldiski-Südhafen gebaut. Ein weiterer Liegeplatz mit 260 m Länge für Ro-Ro-Güter wird künftig gebaut werden. Das sogenannte „Molenprojekt“ wird in zwei Phasen vorangetrieben. In der ersten ensteht ein Kai mit 900 m und zwei Liegeplätzen mit 300 bzw. 360 m. Die zweite Phase mit zusätzlich 400 m Kailänge umfasst einen weiteren Liegeplatz mit 300 m Länge. Zudem soll der alte Stadthafen entwickelt werden. Knapp über 70 Prozent der Güter in Tallinn in 2009 waren russischer Herkunft. Von Januar bis September nahm der Frachtumschlag um 17 Prozent laut der Bank of Finland (Abteilung BOFIT) auf 27 Millionen Tonnen zu. Auch wenn viele Großprojekte auf Eis gelegt wurden, kann langfristig kein Zweifel daran bestehen, dass die russische Regierung unabhängig vom Transhipment von Gütern in Nachbarländern insbesondere im baltischen Raum werden will. Da die Wirtschaft des Landes wieder an Fahrt gewinnt, hängt die Geschwindigkeit des Ausbaus hauptsächlich von der Aktivierung privater Ressourcen und der Beseitigung bürokratischer Hürden ab.

Logistik express Redaktion: Dirk Ruppik

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