BranchenForum Stahl – Vorsichtiger Optimismus bei weiterhin hoher Volatilität

Das 12. BranchenForum Stahl des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik (VVWL) und des Logistikclusters NRW in den Dortmunder Westfalenhallen war wiederum ein hochkarätiger Treffpunkt der Stahllogistiker aus Stahlindustrie, Stahlhandel und Verkehrswirtschaft. Hermann Grewer, Vorsitzender des VVWL und Präsident des BGL, äußerte sich in seiner Begrüßung besorgt über die Dieselpreiserhöhung von 6,8 Prozent innerhalb der letzten 12 Monate. 
 
Er appellierte an die Kunden aus Stahlindustrie und Stahlhandel, diese Kostenentwicklung durch geeignete Dieselpreisgleitklauseln bei zeitnahen Anpassungsfristen für Ihre Dienstleister aufzufangen und die Unternehmen nicht im Regen stehen zu lassen. "Es gilt, eine nachhaltige Politik zu fahren, um auch in Zukunft im Zeichen von Demografie, Facharbeitermangel und ökologischen Grenzen noch ausreichende Logistikkapazitäten am Markt vorfinden zu können", forderte Grewer im Sinne einer ehrlichen Wertschöpfungspartnerschaft. 
 
Dr. Martin Theuringer, Leiter Geschäftsfeld Wirtschaft und Märkte der Wirtschaftsvereinigung Stahl e.V., berichtete in seinem Überblick über die Stahlkonjunktur, dass das globale Wachstum der letzten zwölf Monate von starken Schwankungen geprägt war. Trotz einer schwachen zweiten Jahreshälfte in 2011 konnte durch den guten Jahresstart 2011 und einem Wiederanziehen in 2012 ein Wachstum von 6 Prozent erreicht werden. Die Prognosen liegen mit 3,6 Prozent Wachstum in 2012 und 4,5 Prozent in 2013 zwar unter dem Trend, sind aber immer noch positiv. Mit einer Prognose von 397 Mio. t liegen die OECD-Staaten noch immer 80 Mio t unter dem Vorkrisenniveau. Dagegen zeichne sich Deutschland durch eine solide Nachfrageentwicklung und einen stabilen Bedarf ab, wobei sich der Lagerzyklus nach der Krise nahezu halbiert habe. Theuringer ließ jedoch nicht aus, dass die Risiken hoch blieben: Außerordentlich hohe Rohstoffpreise, die schwache Konjunktur in Südeuropa, ein wachsender Importdruck auf dem deutschen Markt, die instabile Lage auf den Finanzmärkten sowie Überkapazitäten in China trübten die Aussichten ein. Dennoch sei die Stahlindustrie in Deutschland im internationalen Wettbewerb aufgrund der engen Integration in die Wertschöpfungskette und der leistungsstarken Innovationsnetzwerke jetzt und in Zukunft gut positioniert. 
 
Frank Löschmann, Leiter Logistik und Prokurist der Schmolz + Bickenbach Distributions GmbH, beschrieb die Herausforderungen der Distributionslogistik aus der Sicht des Handels. Als Konsequenz auf die Krise habe das Unternehmen auf ein intensiveres Bestandsmanagement gesetzt. So sei nicht nur ein neues Prognosetool im Einsatz, durch ein neues HUB-Konzept konnten die Bestände nicht nur zentral organisiert, sondern auch die Gesamtbestände dauerhaft gesenkt werden. Die von Theuringer beschriebene Verkürzung der Lagerzyklen bestätigte Löschmann. Darüber hinaus sei in der Kundschaft verstärkt ein deutlicher Abbau der Bevorratung mit der Folge steigender just-in-time-Belieferung zu verzeichnen. Die daraus folgenden Anforderungen, im Nahverkehr inner-halb von 24 Stunden inklusive Produktionszeit zu liefern, stellten den Handel zunehmend vor ein Problem. 
 
Andreas Witte, Manager Transport, ArcelorMittal Bremen GmbH berichtete aus Sicht der Industrie, dass zunehmende Kampagnen der Kunden verbunden mit Produktionsengpäs-sen zunehmend zu Transportspitzen führen würden. Kurzfristige Auftragseingänge und wechselnde Kunden verlangten nach immer mehr Flexibilität. Im Fokus stünden zudem weitere Verbesserungen des Kundenservice (u.a. bezüglich der tatsächlichen Fertigstel-lungs- und Anliefertermine), die Erhöhung der Abwicklungseffizienz und nicht zuletzt das Thema Arbeitssicherheit. Verbesserungspotentiale werden gesehen bei der technischen Weiterentwicklung der Transportgefäße, der Reduzierung der Ladezeiten und gemeinsa-men Konzepten zur Ladungssicherung. 
 
Der Wandel in der Distributionslogistik stand im Mittelpunkt der ersten Podiumsdiskussion. Es diskutierten Gerhard Holzmüller (Leiter Marktbereich Montan, DB Schenker Rail Deutschland AG), Dr. Andreas Hucht (Geschäftsbereichsleiter Kontraktlogistik und Proku-rist der Panopa Logistik GmbH), Frank Löschmann, Dirk Michael Müller (Geschäftsführer Rheinkraft International GmbH und stv. Vorsitzender des Fachausschusses Stahl im VVWL), Joachim Schürings (Teamkoordinator Einkauf/Logistik, ThyssenKrupp Stell Euro-pe AG), Andreas Witte. Die Teilnehmer beschrieben einen Distributionswandel hin zu kleineren Losgrößen in höherer Frequenz bei kürzerer Laufzeiterwartung. Dabei sahen sich die Diskutanten schon jetzt mit klaren Grenzen konfrontiert. Für Müller steht dabei der Fahrermangel im Vordergrund. Durch steigende Belastung und Anforderung entschieden sich immer weniger junge Menschen für den Beruf des Kraftfahrers. Er sieht die Verkehrswirtschaft gemeinsam mit der Industrie in der Verantwortung, das Arbeitsumfeld und damit das Berufsbild des Fahrers zu verbessern. Schürings wies auf die Hauptaufgabe hin, bestehende Prozessabläufe zu optimieren und die Prozesse übergreifend unter stärkeren Einbindung der Dienstleister und Kunden sowie von IT-Lösungen durchgängig zu gestalten. Zudem sei bereits jetzt im Aufbau ein berichtswesen zum CO2-Austausch und im nächsten Schritt zu erwarten, dass neben Kosten, Preisen, Zeiten und Kapazitäten der CO2-Ausstoss als Steuerungsinstrument in die Disposition eingebaut werde. 
 
Hucht stellte den Spagat zwischen Zentralisierung und Kundennähe als besonderes Problem dar. Auch die Bahn sieht sich laut Holzmüller durch die Volatilität der Märkte mit neuen Schwierigkeiten konfrontiert. So hätte die unerwartet gute Entwicklung Anfang 2011 zu einer Waggonknappheit geführt. Darauf habe die Bahn schnellstmöglich mit einer Aufstockung reagiert, so dass im Herbst hunderte Waggons ungenutzt blieben. Witte betonte, dass ArcelorMittal seinen Frachtführern zwar durchaus die Sicherheit langfristiger Verträge bieten könne, jedoch seien die Mengenströme auf den einzelnen Relationen nicht mehr vorhersehbar. Holzmüller verwies auf die wachsende Bedeutung des Angebots von Einzelwagenverkehren für die Stahlindustrie hin. DB Schenker Rail versuche dem zu entsprechen durch den Weggang vom reinen Ganzzugkonzept hin zu einem zusätzlichen Angebot eines europäischen Netzwerkbahnprodukts für Waggongruppen und Einzelwagen. 
 
Bernhard Reinecke, Leiter Beschaffungslogistik, Logistik und SCM, Salzgitter Flachstahl GmbH berichtete über Strategien und Wandel aus Sicht eines der führenden europäischen Stahlhersteller. In der Vergangenheit erfolgte die Versorgung der heimischen Werke mit den beiden wichtigsten Rohstoffen Kohle und Erz zu einem Großteil über die heimischen Kohle- und Erzgruben, was sich durch Preisdruck und Subventionsabbau immer mehr bei der Kohle nach Nordamerika, beim Erz zum überwiegenden Teil nach Skandinavien, Südafrika und Südamerika verlagerte. Diese überlangen Transportwege stellen an die Logistik neue und höhere Anforderungen, zumal die Versorgung der Produktionsbetriebe mit der höchsten Priorität geführt wird. Grundlage der Versorgung der Salzgitter AG ist die eigene Massengutumschlagsanlage in Hamburg. Die eingeschränkte Verfügbarkeit der Trassen kompensiert das Unternehmen mit Transportgefäßen der jüngsten Generation, die im Lastlauf ein Ladungsgewicht zwischen 100 t bis 115 t aufnehmen können. Als größte Aufgabenstellung beschrieb er jedoch die Verhandlungen und Preisgespräche mit den Rohstofflieferanten. Es müsse zukünftig wieder das Ziel erreicht werden, den Planungshorizont in Bezug auf Liefermenge und Preisstabilität zu erweitern. 
 
Dr. Dieter Lindenblatt, Repräsentant Gemeentelijk Havenbedrijf Antwerpen und Emile Hoogsteden, Director of Containers, Breakbulk & Logistics, Havenbedrijf Rotterdam N.V. stellten dar, welche Trends sie in der Stahl-Beschaffungslogistik der Stahlerzeuger langfristig sehen und wie sie sich mit ihrer interkontinentalen Drehscheibenfunktion darauf einstellen. Beide erwarteten eine stärkere Verlagerung der Stahlproduktion hin zu den Rohstoffstandorten, speziell zu den BRICS-Staaten. Als Konsequenz bereiten sich die Häfen auf sinkende Bulk-Transporte im Erz- und Kohlesektor und steigende Stahlimporte, Rotterdam nicht zuletzt auch auf den Import von Halbfabrikaten und Brammen. 
 
Die zweite Podiumsdiskussion stand ganz im Zeichen der Beschaffungslogistik. Es diskutierten Gerhard Holzmüller, Emile Hoogsteden, Dr. Dieter Lindenblatt Bernhard Reinecke, und Stefan Windgätter (Geschäftsführer Windgätter und Sohn GmbH, Vorsitzender des Fachausschusses Stahl im VVWL). Reinecke betonte dabei, dass zu hohe Umweltauflagen in Deutschland und Europa nicht der Umwelt zugutekämen, sondern über eine Verteuerung von bis zu 35 Euro pro Tonne nur für eine Verlagerung der Stahlproduktion in Länder sorgen würde, in denen Emissionen noch nicht einmal gemessen würden. Im Übrigen sehe er auch in Zukunft eine wirtschaftliche Basis für die Rohstahlproduktion in Nordwesteuropa. Von Seiten der Hafenbetreiber wurde deutlich gemacht, dass Umweltschutz auch Hand in Hand mit der Wirtschaft erfolgen kann. So habe Antwerpen beispielsweise durch Brückenanhebungen möglich gemacht, dass Binnenschiffe eine weitere Lage Container fahren könnten. Rotterdam setze verstärkt auf Nutzungskreisläufe, so dass erzeugte Abfallstoffe direkt in der Produktion benachbarter Anlagen weiterverwendet werden könnten. In Sachen Containerisierung von Stahl zeigten sich die Teilnehmer skeptisch. Sicherlich werden Brammen und Rohstoffe auch in Zukunft eher nicht per Container befördert werden. Windgätter gab zu bedenken, dass das hart umkämpfte Containergeschäft für viele Frachtführer nur bedingt interessant sein dürfte.

Quelle: MyLogistics

Portal: www.logistik-express.com     

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