BVL/DIW Logistik-Indikator im ersten Quartal 2009

 
Zum Jahresauftakt (Februarbefragung) hat sich die konjunkturelle Abschwächung in der deutschen Logistikwirtschaft weiter beschleunigt. 

Der BVL/DIW Logistikindikator markiert nunmehr mit einem Klimawert von 75,5 Punkten ein Niveau, das deutlich im kontraktiven Bereich liegt (eine konjunkturelle Normalsituation entspricht einem Wert von 100).

Damit gab der Indikator gegenüber dem Vorquartal 34 Punkte ab – dieser Rückgang um 31 Prozent ist der bislang kräftigste seit Beginn der Befragung. Maßgeblich hierfür war vor allem die deutlich schlechtere Lagebeurteilung (Rückgang um 42 Prozent auf 71,4 Punkte), während die Erwartungen (minus 17 Prozent, neuer Indexstand 79,5) weniger stark nachgaben. Wie schon im Vormonat war die Klimaveränderung auf der Anbieterseite (Logistikdienstleister) ausgeprägter als bei den Anwendern aus Industrie und Handel. Damit hat sich die Schere zwischen beiden Teilindikatoren weiter geöffnet. Die Differenz beträgt nunmehr 37,4 Punkte (nach knapp 29,8 Punkten im Vorquartal). Allerdings hat das Anwenderklima mit einem Wert von 94,2 mittlerweile auch den kontraktiven Bereich erreicht.

Anders als im Vormonat ist der kräftige Rückgang des Teilindikators für die Logistikdienstleister fast ausschließlich auf eine deutlich schlechtere Lagebeurteilung zurückzuführen (Rückgang um 64,7 Prozent auf 39,8 Punkte). Demgegenüber haben sich die Erwartungen stabilisiert (Rückgang um 3,2 Prozent auf 73,8 Punkte), was den Beginn einer Bodenbildung signalisieren könnte. Zum kräftigen Einbruch der Lagebeurteilung haben alle Teilkomponenten in ähnlichem Maße beigetragen. Die Auftrags- und Geschäftsentwicklung in den nächsten 12 Monaten wird zwar ausgehend von einem nunmehr deutlich verschlechterten Ausgangsniveau weniger pessimistisch eingeschätzt als im Vorquartal, allerdings weisen die erstmals negativen Beschäftigungsplanungen und die deutlicher ausgeprägten Kapazitätsabbaupläne klar darauf hin, dass sich die Befragten bis ins nächste Jahr hinein auf ein geringeres Aktivitätsniveau einstellen. Der Glaube an eine zwar heftige, aber rasch überwindbare Delle in der Logistikkonjunktur dürfte damit deutlich nachgelassen haben.

Das Logistikklima in Industrie und Handel hat zwar gegenüber dem Vormonat ebenfalls deutlich um 24,3 Prozent nachgegeben (Lageeinschätzung und Erwartungen haben sich im Verlauf gleichförmig entwickelt), es liegt aber immer noch in der Nähe einer konjunkturellen Normalsituation. Die laufende Lageeinschätzung zeigt sich mit einem Indexstand von 103 Punkten angesichts der allgemein sehr kräftigen konjunkturellen Abschwächung immer noch sehr robust. Offenbar hat die rückläufige Geschäftsentwicklung bislang nur die Überbeanspruchung der eigenen Logistikkapazitäten normalisiert. Zudem zeichnet sich ab, dass im Zuge der ungünstigeren Geschäftsentwicklung verstärkt Aktivitäten in die Eigenlogistik zurückgeholt werden und ein beträchtlicher Teil der Schwankungen im Logistikbedarf durch eine rückläufige Inanspruchnahme von Fremdleistungen abgepuffert wird. Der Erwartungsindikator signalisiert mit einem neuen Indexstand von 85,3 Punkten (Rückgang um 26,5 Prozent) erstmals deutlich eingetrübte Aussichten für die Logistikbedarfe in den kommenden 12 Monaten. Während die inländischen Aktivitäten zurückgehen dürften, zeichnet sich für die grenzüberschreitenden Leistungen nach der zurückliegenden kräftigen Expansion eine Stagnation ab. Die Anwender reagieren hierauf – ähnlich wie die Anbieterseite – mit einer Kapazitätsanpassung. Erstmals signalisieren die befragten Unternehmen rückläufige Beschäftigungsabsichten und einen leichten Rückbau ihrer sachlichen Logistikkapazitäten.

Die Finanzkrise hat die Kapitalbeschaffung der Unternehmen bislang mehrheitlich nicht negativ beeinflusst. Dies geht aus der diesmaligen Sondererhebung hervor. Demnach sehen 60 Prozent der befragten Anbieter und knapp 70 Prozent der Anwender keine negativen Auswirkungen. Hierbei ist zu beachten, dass die Kausalität der Finanzkrise auf die Kapitalbeschaffung mit zunehmender konjunktureller Abschwächung immer schwieriger zu isolieren ist, da Banken in ihrer Kreditvergabe, aber auch Kapitalanbieter auf den Wertpapiermärkten mit Vertiefung des Konjunkturtals zunehmend Risikokomponenten kalkulieren, die auch ohne die Finanzkrise bei einer Rezession eingetreten wären. Gesamtwirtschaftlich kann eine Kreditklemme im Bereich der Unternehmensfinanzierung in Deutschland bislang nicht diagnostiziert werden. Die Umfrage deutet darauf hin, dass dies auch für den Großteil der Unternehmen gilt, für die Logistikleistungen eine zentrale Rolle ihrer Geschäftstätigkeit ausmachen.

Kommentar von Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner, Vorsitzender des Vorstands, Bundesvereinigung Logistik
Nach mehreren Jahren einer höchst erfreulichen Entwicklung mit deutlichen Wachstumsraten konnte im vierten Quartal 2008 nur noch von „gebremstem Schwung“ gesprochen werden. Im ersten Quartal 2009 hat die Rezession der gesamten Wirtschaft auch die Logistik in Industrie und Handel, vor allem aber die Logistikdienstleister, fest im Griff. Folglich zeigt der BVL/DIW Logistik-Indikator, der Mitte Februar erhoben wurde, eine deutliche Talfahrt bei der Lagebeurteilung. Die Einschätzungen der Logistiker in Industrie und Handel haben sich erkennbar verschlechtert, liegen aber anders als bei ihren Kollegen aus der Logistikdienstleistung nur knapp unterhalb der konjunkturellen Normalsituation. Die Zukunftserwartungen der Logistikdienstleister sind besser als ihre Lageeinschätzung; bei den Logistikern in Industrie und Handel ist es umgekehrt. Dieses Gesamtbild gibt zu denken. Falsche Hoffnungen auf ein schnelles Ende des globalen Konjunktureinbruchs darf sich die Logistik insgesamt wohl nicht machen.

Das Tempo und die Intensität, mit denen sich ökonomische Prozesse zurzeit vollziehen, überraschen auch erfahrene Wirtschaftsexperten. Es sieht so aus, als fehlten in der aktuellen Rezession die regionalen Puffer, die sonst für eine Dämpfung von konjunkturellen Schwankungen gesorgt haben. Die Krise ist global und hat historische Ausmaße. Je rasanter die Talfahrt, desto größer wird der Handlungsdruck für alle; Entscheidungen sind zwangsläufig unter hoher Unsicherheit zu treffen. Aber auch in dieser Ausnahmesituation ist kluges, strategiegetriebenes Agieren die richtige Antwort. Operational Excellence und die daraus folgende Effizienz sind die Schlüssel zur Nachhaltigkeit unternehmerischer Tätigkeit.

Was ist zu tun? Es gilt, Kostentreiber aktiv zu identifizieren und zu beseitigen, um Logistikleistungen „schlanker“ erzeugen zu können. In der jahrelangen Boomphase der Logistik, die mit rasantem Kapazitätsaufbau verbunden war, haben sich möglicherweise auch Ineffizienzen eingeschlichen. Daher sind spätestens jetzt interne Strukturen schonungslos zu überprüfen und eine Phase der internen Konsolidierung einzuleiten. Auch Personalabbau wird sich nicht vermeiden lassen. Hierbei gilt insbesondere: Kompetenzen und Qualifikationsstandards, die mühsam aufgebaut worden sind, dürfen nicht ohne Not aufgegeben werden. Jetzt besteht die Möglichkeit, etwas nachzuholen, für das in der Hochkonjunktur nicht ausreichend Zeit zur Verfügung stand: Die Verbesserung der Qualifizierung der Mitarbeiter. Darüber hinaus muss weiter an Innovationen gearbeitet werden. Mit Mitteln von gestern gibt es kein Morgen. Innere Stärke zu entwickeln ist das Gebot der Stunde.

Quelle: MyLogistics

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