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Das asiatische Jahrhundert – Chancen und Risiken

Die Welt blickt auf Asien. China soll den Euro retten helfen. China kauft Ackerland in Afrika, Eisenerz und Kohle in Australien und Autofirmen in Europa. Indische Firmen investieren in Gasvorkommen im Mittleren Osten, kauften Landrover und Jaguar. In den letzten Jahren haben die asiatischen Staaten, insbesondere China, an wirtschaftlicher und politischer Bedeutung gewonnen und zeigen wachsendes Selbstbewusstsein und globale Ambitionen. Europäische Unternehmen müssen sich auf einen schärferen Wettbewerb einstellen. Dies betrifft nicht zuletzt die Transport- und Logistikbranche.

Über Chancen und Risiken der Logistikindustrie referierte Urs Schöttli, Asienexperte und lange Jahre Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung in Hongkong, Tokio, Peking und Neu Delhi, anlässlich der MOVE 2011, der Jahresveranstaltung der SPEDLOGSWISS Nordwestschweiz.

Die geopolitischen und wirtschaftlichen Gewichtsverschiebungen verändern die Warenströme. Bereits heute ist China der wichtigste Konsumgüterlieferant der USA und Europas. Die Bedeutung der asiatischen Absatzmärkte wächst parallel zum Mittelstand kontinuierlich. Die Entwicklung unterliegt jedoch starken politischen Einflüssen. Als China Anfang des Jahres kurzfristig die Ausfuhr von seltenen Erden unterband, erlebten die westlichen Firmen drastische Lieferengpässe.

Die europäische Industrie muss lernen, belastbare Supply-Chain-Konzepte zu entwickeln, die diese geopolitischen Risiken ins Kalkül zieht. Sie darf sich nicht nur auf eine Lieferquelle in Asien verlassen, so Schöttli. Die europäischen Logistikdienstleister müssen im Gefolge ihrer Kunden noch stärker in den Ausbau ihrer Netze in Asien investieren. Gleichzeitig heizen Dollar- und Euro-Schwäche die Kauflust asiatischer Firmen an. Kerry ist wohl der prominenteste chinesische Logistikdienstleister auf Expansionskurs. Daneben erfahren europäische und amerikanische Firmen, dass sie von bestimmten Handelsverkehren ausgeschlossen werden. Rohstoffe, die von chinesischen Firmen an-/abgebaut werden, sind meist ausschließlich für den chinesischen Markt bestimmt und werden von chinesischen Firmen spediert und transportiert.

Europäische Firmen müssen nicht nur mehr Präsenz in Asien zeigen. Um erfolgreich zu agieren, müssen sie auch ihre Personalstrategie ändern, meint Schöttli. Das gewachsene Selbstbewusstsein der lokalen Eliten bedeutet, dass statt europäischer Landes- und Regionalleiter zunehmend Chinesen oder Taiwanesen mit Ausbildung und Berufserfahrung in den USA oder Europa eingesetzt werden sollten. Dabei herrscht in allen asiatischen Ländern, insbesondere aber in China und Indien, ein Mangel an Fachkräften mit praktischem Wissen. Hochschulabsolventen streben gemeinhin einen bequemen Bürojob an. Operations in einem Speditionsbetrieb steht nicht auf der Berufswunschliste.

Schöttli sieht daher enorme Profilierungsmöglichkeiten für Schweizer Firmen in der Berufsbildung. Seit dem 16. Jahrhundert überholte Europa Asien in seiner Entwicklung. Jetzt droht Asien Europa und Amerika zu überholen. „Wir werden mit einem neuen Gesellschaftmodell konfrontiert. China beispielsweise kennt weder den Freihandel noch eine Trennung von Staat und Gesellschaft. In China gilt das Primat des Staates. In Indien und China spielt der Staat im nationalen Bankenwesen eine wichtige Rolle. Daher gibt es für Großprojekte auch keine Finanzierungsprobleme“, so Schöttli. „Indien tritt weniger aggressiv als China in Erscheinung und hat – noch – einen nur kleinen Anteil am Welthandel. Doch die Demokratie, Pressefreiheit und Rechtssicherheit im Land sorgen für ein stabileres Investitionsklima. Und das Land hat kein Überalterungsproblem wie Japan und China.“

Demgegenüber steht ein Europa, das ständig neue Hürden erfindet, um wirtschaftlich-effizientes Handeln zu verunmöglichen (Nachtflugverbot, 36-Stunden-Woche, CO2-Abgabe usw.). Junge Europäer stellen Ansprüche und meinen, ein Anrecht auf ein gutes Leben zu haben. Dabei fühlen sie sich zu nichts verpflichtet. In Asien ist das Verhältnis Jung zu Alt dagegen von wechselseitigen Verpflichtungen geprägt. Die Elterngeneration hat die Pflicht, ihren Nachkommen eine so gute Ausbildung wie möglich zu gewähren. Die Kinder haben die Pflicht, sich dieser Investitionen würdig zu erweisen und ihr Bestes zu geben. Entsprechend fleißig und ehrgeizig sind junge Asiaten, was sich u.a. an ihrem guten Abschneiden an amerikanischen Universitäten zeigt.

Schöttlis Fazit: Wenn europäische Logistikfirmen ihre bisherige Vormachtstellung im Wettbewerb mit asiatischen nicht verlieren wollen, müssen sie vor allem auf Qualität setzen, härter arbeiten und ihren Fokus von Europa nach Asien verschieben. Umfassende Supply-Chain-Management-Lösungen ab Erzeuger oder Produzent bis zum Verbraucher sind die Formel der Zukunft.  (US)

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